Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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      Auf dem Rückwege begegnete ich der Leiche eines türkischen Armen. Wenn man mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, würde ich sie ganz übersehen haben. Der Körper war in eine Decke gerollt, oben und unten zusammengebunden, und auf einem Brette befestiget, welches ein Mann auf der Achsel trug. Am Grabe wird der Todte nochmals gewaschen, in reine Leinwand gewickelt, und so in die Grube versenkt. Sehr einfach — und so ist es auch recht gut. Muß denn der Pomp und die Verschwendung den Menschen noch bis an das Grab geleiten? Sehr wünschenswerth wäre es, legten wir hierin von unsern Gebräuchen, von dem irdischen Flitter Etwas ab. Ich will damit nicht sagen, daß die Bestattung gar so einfach zu seyn brauchte; überall ist der Mittelweg das Beste. Eine einfache Bestattung erhebt gewiß mehr zur Andacht, als die Pracht und Herrlichkeit, welche nur zu häufig bei solchen Gelegenheiten an der Tagesordnung sind. Ach, da haben die Menschen viel zu viel zu schauen und zu kritteln, es bleibt ihnen keine Zeit, auch nur eine würdige Betrachtung für sich oder ein andächtiges Gebet für den Verstorbenen zu Gott zusenden.

      Häuser. — Theater. — Wägen.

      Die Häuser in ganz Konstantinopel, wozu Pera, Topana u.s.w. gehören, sind sehr leicht und nachlässig gebaut. Keine Thür, kein Fenster schließt und paßt, die Fußböden haben oft zollbreite Fugen, und dennoch sind die Miethen außerordentlich theuer. Die Ursache davon ist die beständige Feuersgefahr, welche man in diesen aus Holz gebauten Städten ausgesetzt ist. Jeder Hausherr fürchtet im Laufe von fünf bis sechs Jahren abzubrennen, während dieser Zeit will er sein Kapital sammt Zinsen hereinbringen. Man findet daher hier nirgends so schön und bequem hergerichtete Wohnungen wie in den übrigen europäischen Städten.

      In Pera ist ein Theater, das bei sechs- bis siebenhundert Menschen fassen mag. Zu der Zeit als ich daselbst war, gab eine italienische Sängergesellschaft wöchentlich vier Vorstellungen. Man hörte Opern der berühmtesten Meister. Ich hatte mit einer Vorstellung genug. Es ist zu wundern, daß sich eine solche Unternehmung rentirt, denn der Türke hat zu wenig Sinn für die Musik, und der Franke hat wieder zu viel dafür, um bald mit etwas zufrieden gestellt zu werden.

      Die Wägen, in welchen gewöhnlich nur Frauen fahren, sind von zweierlei Art; die erstere Art ist ballonartig, schön gemalt und vergoldet, mit hohen Rädern. An beiden Seiten haben sie Öffnungen, zu welchen man mittelst hölzerner Schemel gelangt, die der Kutscher bei jedesmaligen Ein- und Aussteigen anlegt. Die Fenster oder Öffnungen kann man mit Jalousien schließen. Der Wagen enthält weder Sitze noch Polster. Jedermann, der ausfährt, nimmt Teppiche und Polster mit, breitet sie in den Wagen und setzt sich mit unterschlagenen Beinen hinein. In einem solchen Fuhrwerke haben vier Personen Platz. Die zweite Art Wägen unterscheidet sich durch noch höhere Räder, auf welchen ein länglicher Kasten ruht, der oben gedeckt und von allen Seiten offen ist. Man steigt von rückwärts hinein. In diesen haben oft acht Personen Raum. Ein Wagen ersterer Art wird von einem Pferde gezogen, das in der Gabel geht; oft sind auch zwei Pferde eingespannt. Das andere Fuhrwerk wird von einem oder zwei Ochsen gezogen, die ebenfalls in der Gabel gehen, nur wölbt sich ober denselben noch ein Bogen, der mit Blumen, farbigem Papier und Bändern geziert ist. Der Kutscher geht neben jedem dieser Fuhrwerke zu Fuße, um seine Thiere mit größerer Aufmerksamkeit durch die holperigen, löcherigen Straßen, die auch dazu beständig bergab und bergauf führen, leiten zu können.

      Lastwagen gibt es nicht; Alles wird entweder von Menschen, Pferden oder Eseln getragen. Nirgends sieht man daher auch so viele Lastträger, wie hier. Sie sind gewandt und sehr kräftig; oft trägt ein Mann eine Last von hundert bis hundert fünfzig Pfund auf diesen schlechten, bergigen Straßen. Holz, Kohlen, Eßwaaren, Baumaterialien werden von Pferden und Eseln geschleppt. Das mag auch viel Ursache an der Theuerung seyn, die in Konstantinopel herrscht.

      Spazierfahrten oder Spaziergänge der Städter.

      An einem Sonn- oder Feiertage sind die süßen Wässer von Europa sehr besucht. Man fährt gewöhnlich in einem Kaik über das goldene Horn, in welches das süße Wasser einmündet, gegen fünf Viertelstunden. Man kann aber auch über die Berge dahin gelangen.

      Ein großer Rasenplatz, umschattet von Bäumen, ist das Ziel der dahin wogenden Menge. Da sieht man Menschen von allen Gegenden der Welt und von allen Farben in größter Harmonie, auf Teppichen, Matten und Polster gelagert, die Pfeife im Munde, sich mit Kaffee und Naschwerk labend. Recht viele hübsche Jüdinnen sieht man darunter, die meistens unverschleiert gehen.

      An dem türkischen Feiertage, dem Freitage, geht es eben so lebhaft in den asiatischen Süßwässern zu, und hier gibt es für uns Europäer mehr und Interessanteres zu sehen, indem da die Mehrheit aus Türken und Türkinnen besteht. Letztere haben, wie überall, das Gesicht ganz verhüllt, das Schönste aber, ihr feuriges Auge, ist doch sichtbar.

      Die Fahrt auf dem Meere zu den asiatischen Süßwassern ist ohne Vergleich schöner und erhabener, als die zu den europäischen. Man fährt im Bosphorus dem schwarzen Meere zu, bei dem neuen, wunderschönen Pallaste des Sultans vorüber. Dieser Pallast ist zwar auch nur von Holz, aber die Säulen, Treppen und das Erdgeschoß sind aus blendend weißem Marmor überraschend schön gebaut. Die zwei vergoldeten Flügelthore sind von Gußeisen, und Meisterwerke zu nennen. Sie wurden in England um 8000 Pfund Sterlinge gekauft. Der Pallast ist oben terrassenartig, und eine wunderschöne Gallerie, ebenfalls nur von Holz, aber künstlich ausgeschnitzt, läuft um die Terrasse. Man fährt nun noch an den beiden alten Schlössern, welche die Einfahrt nach Konstantinopel beschirmen, vorüber, und lenkt rechts nach den süßen Wässern ein. Die Lage dieses Ortes ist herrlich, es liegt in einem schönen Thale, von grünenden Hügeln umfangen.

      Sehr interessant ist die Fahrt nach Calcedonien, einer Halbinsel im Marmora-Meere, auf der Seite Asiens, die mit Scutari zusammenhängt. Wir fuhren auf einem zweirudrigen Kaik in fünf Viertelstunden hin. Das herrlichste Wetter begünstigte uns. Eine Menge Delphine umgaukelten unsern Kahn, und überall sah man diese zahmen Fische sich herumtummeln und in die Lüfte schwingen. Eine besondere Eigenheit dieser Thiere ist, daß sie nie einzeln, sondern immer in Gesellschaft schwimmen, zu Zweien, Vieren u.s.w.

      Die Ansichten, welche man auf dieser Fahrt genießt, sind überaus reizend. Links fährt man ziemlich nahe an Scutari, den Vordergrund bilden niedere Gebirge, über welche der entfernte schneebedeckte Olympus herüber schillert. Die öden Prinzeninseln nebst den beiden Hundsinseln, sind gerade nicht das Schönste in dieser Landschaft, dagegen sieht man aber recht weit ins Meer von Marmora und den größten Theil von der eigentlichen Stadt Konstantinopel.

      Anf Calcedonien ist nichts, als ein Leuchtthurm. Schöne Rasenplätze mit einigen Bäumen und ein Kaffeehaus sind die Anziehungspunkte der Städter.

      Ein Ausflug zu Meere nach Baluklid ist empfehlenswerth. Man kommt an der ganzen türkischen Flotte, die sehr bedeutend ist, vorüber, und sieht das größte Schiff der Welt, den Mahmud von 140 Kanonen, der unter dem letztverstorbenen Sultan Mahmud erbaut wurde. Auch mehrere Dreidecker von 120 Kanonen, wovon einige abgetakelt sind und außerdem viele Kriegsschiffe von 40 bis 60 Kanonen liegen im Hafen. Man fährt bei anderthalb Stunden im Marmora-Meere, links des großen Quai, der die Mauern Konstantinopels umgibt. Hier sieht man erst recht die ungeheure Ausdehnung dieser Riesenstadt. Wir kamen auch an den sieben Thürmen vorüber, deren man aber nur fünf sieht, die beiden anderen sollen zusammengestürzt seyn. Haben diese Thürme keine andere Bestimmung, als die europäischen Gesandten bei Unruhen oder Feindseligkeiten einzusperren, so können die andern fünf wohl auch noch zusammenstürzen, denn eine solche Schmach werden sich die europäischen Mächte von den hinfälligen Türken schwerlich mehr gefallen lassen.

      Gleich hinter den sieben Thürmen stiegen wir an das Land und gingen eine halbe Stunde lang durch öde, menschenleere Gassen, zum Stadtthor hinaus, in den Cypressenhain, der einen großen, freien Platz, worauf eine recht artige griechische Kirche steht, dem spähenden Blicke noch auf kurze Zeit verbirgt. An den griechischen Osterfeiertagen soll es hier oft so toll zugehen, daß blutige Köpfe nicht zu den seltensten Erscheinungen gehören. In der Kirche befindet sich eine kalte Quelle mit kleinen Fischen. Die Sage spricht, daß an den Osterfeiertagen diese armen Thiere halb gebacken und dennoch lebend herum schwimmen, weil einst, als Konstantinopel belagert wurde, ein Feldherr