Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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mit wehmüthigem Blicke nach der entschwindenden Kaiserstadt, bis endlich ein sanftes Dunkel in Verein mit der immer größeren Entfernung Alles wie mit einem Schleier deckte, und nur hin und wieder die Spitze eines Minarets auftauchte, mir ein letztes Lebewohl zuzuwinken; — aber wer vermag meine Freude zu fühlen, als ich in meiner Nähe einen Reisenden, einen Franken erblickte. So war ich denn nicht mehr allein, — ja, für den ersten Augenblicke waren wir sogar Landsleute, denn was die Menschen in Europa auch scheidet, und in einzelne Nationen theilt, ein fremder Welttheil verbindet sie wieder. Wir fragten nicht? Gehören Sie nach England, Frankreich, Italien? wir fragten: Wohin geht wohl Ihre Reise? Und als es sich zeigte, daß dieser Herr ebenfalls nach Jerusalem zu gehen gedenke, so hatten wir über diese Reise so viel zu sprechen, daß uns gar nicht einfiel, nach unserem gegenseitigen Vaterlande zu fragen. In der überall herrschenden Sprache der Franzosen unterhielten wir uns und waren zufrieden, uns gegenseitig verstehen zu können. Erst am folgenden Tage erfuhr ich, daß er ein Engländer sei, und Bacleth heiße.

      In Konstantinopel hatte er mit mir gleiches Schicksal gehabt. Auch er konnte weder bei seiner Gesandtschaft noch bei anderen Leuten sichere Nachrichten hinsichtlich der Möglichkeit der Reise nach Ierusalem erhalten, und so ging auch er auf Gerathewohl nach Beirut. Wir nahmen uns vor, die Reise von Beirut nach Jerusalem gemeinschaftlich zu machen, wenn es anders möglich sei, durch die wilden Völker der Drusen und Maroniten zu dringen, und so stand ich nun nicht ohne Schutz in der weiten Welt, ich war geborgen bis nach Jerusalem — was wollte ich mehr? Jerusalem war das Ziel meiner Reise, und dieß hatte ich nun Hoffnung zu erreichen.

      Auf dem Schiffe befand ich mich übrigens sehr wohl. Mit großer Überwindung hatte ich mich entschlossen, wieder auf den zweiten Platz zu gehen, aber als ich das Dampfschiff des österreichischen Lloyds betrat, lernte ich erst kennen, was Eintheilung und Ordnung vermag. Männer und Frauen sind da abgesondert, man findet Waschbecken, hat eine gute Kost, und kann in der Rechnung nicht betrogen werden, da sie der zweite Kapitän besorgt; und so wie hier, fand ich es in der Folge auf allen Dampfschiffen.

      Wir durchschnitten das Meer von Marmora, fuhren an den sieben Thürmen vorüber, und ließen die Prinzeninseln links hinter uns.

      Des folgenden Tages, am

      18. Mai 1842.

      erreichten wir sehr zeitlich das Städtchen Galipoli, welches an den Dardanellen oder dem Hellespont auf einer Anhöhe liegt. Einige Riste von beinahe ganz verfallenen Ruinen geben den Vorübereilenden Stoff genug, an die ehemals blühende Vorzeit zu denken. Wir hielten nur ein Viertelstündchen, um durch neue Ankömmlinge das Verdeck noch belebter zu machen.

      Das Meer ist nun in einer Länge von fünf und zwanzig Seemeilen bis Sed Bahe in ein so schmales Bett eingeengt, daß es einem Kanale gleicht, der gegraben wurde, das Meer von Marmora mit dem Archipel zu verbinden, und führt daher mit Recht den Namen: Die Straße der Dardanellen. Links hat man stets das Festland Asiens, und rechts eine Erdzunge Europa's, die bei Sed Bahe ihr Ende findet. Die beiderseitigen Ufer sind kahl und öde. Es ist ein gewaltiger Kontrast, der jeden fühlenden Reisenden ergreift, welcher vom Bosphorus auf einmal hieher versetzt wird. Ach, was bot dieser Boden einst? Welche Heldenthaten bewahrt uns die Geschichte von diesen Gegenden? Mit jeder Minute näherten wir uns dem klassischen Boden mehr und mehr. Ach, daß es uns nicht vergönnt war, manche der griechischen Inseln, an welchen wir so nahe vorüberfuhren, zu betreten. Ich mußte mich mit dem Gedanken an die Vergangenheit, an die Geschichte der Vorzeit Griechenlands und seiner Helden begnügen, ohne die Schauplätze dieser Thaten sehen zu können.

      Die beiden Dardanellen-Schlösser, Tschenekalesi und Kilidil Bahar, von denen das asiatische schon mehr einer Ruine, das europäische einer Festung gleicht, ließen uns unangefochten vovrübergleiten. — Und was soll ich erst von meinen Empfindungen sagen, als wir den Gefilden Troja's nahten?

      Ich war stets auf dem Verdecke, um ja nichts zu übersehen, und getraute mir kaum zu athmen, als ich die Ebene Troja's erblickte.

      Da mag diese berühmte Stadt gestanden seyn, jene Erhöhungen sind vielleicht die Ruhestätten eines Achilles, Patroklus, Ajax, Hector und noch vieler anderer Helden, welche ähnliche Verdienste um ihr Vaterland sich erworben hatten, aber nicht so glücklich waren, der Nachwelt bekannt zu werden. Wie gerne hätte ich an Ort und Stelle der Geschichte nachgeträumt, die mir in der Jugend so viel Verehrung und Interesse eingeflößt, und damals schon den Wunsch in mir rege gemacht hatte, einst diese Länder zu besuchen, — ein Wunsch, der nun theilweise in Erfüllung ging. Aber zu schnell flogen wir vorüber. — Öde und verlassen ist die ganze Gegend. Ich sah weder Feld noch Dorf. — Trauern die Menschen oder die Natur? — Die Menschen könnten es mit Recht, denn nimmer werden sie, was sie einst waren.

      Im Laufe des Tages kamen wir an mehreren Inseln vorüber. Im Vordergrunde ragte die Spitze des Hydrä empor, nun tauchten die Samothraken auf, und bald segelten wir ganz nahe an Tenedos vorüber. Diese Insel gewährt Anfangs keinen schönen Anblick, aber kaum hatten wir einen kleinen Vorsprung umfahren, so erblickten wir eine Festung, welche wie zum Schutze der hinter ihr liegenden Stadt bestimmt zu seyn scheint, ausgedehnt an der Meeresküste.

      Nachdem wir Tenedos verlassen hatten, verloren wir rechts (links behält man immer das Festland Asiens im Angesicht) auf kurze Zeit alle Inseln aus dem Gesichtskreise, erreichten aber dann die schönste unter ihnen, Mytilene, die mit Recht von den Dichtern als das feenartigste Eiland besungen wurde. Wir fuhren über sieben Stunden lang an ihrer Küste. Sie gleicht einem Garten von Oliven, Orangen, Granatbäumen u.s.w. Der Hintergrund ist durch eine doppelte Reihe gezackter Berge geschlossen, und die Stadt selbst liegt ungefähr auf dem halben Wege. Sie zieht sich rings um einen Hügel, auf welchem Festungswerke angebracht sind, während vorne ein schöner Hafen und rückwärts eine tiefe Bucht die Stadt umgürtet. Einzelne Masten blickten herüber, und bezeichneten uns, wie weit die Bucht reiche. Von diesem Punkte an sahen wir ein Dorf gereiht an das andere, freundlich hervorblickend aus dem Schatten üppig blühender Bäume.

      Auf dieser Insel einen Frühling zu durchleben, müßte ein großer Genuß seyn.

      Bis spät in der Nacht blieb ich auf dem Verdecke; so reich, so abwechselnd in den Bildern vorüber gleitender Inseln ist diese Fahrt auf dem ägäischen Meere. Hätte ich zaubern können, ich würde die Sonne so lange an den Horizont gebannt haben, bis wir.im Hafen von Smyrna eingelaufen wären. Leider verbarg uns die Nacht manche schöne Insel, die wir am folgenden Morgen nur auf der Karte sehen konnten.

      19. Mai 1842.

      Schon lange vor der Sonne war ich aus meiner Warte, auf dem Verdecke, um Smyrna von Weitem begrüßen zu können.

      Eine doppelte Bergkette immer höher empor steigend, verkündete die Nähe der reichen Handelsstadt. Zuerst erblickt man das alte, halb verfallene Kastell auf einer Anhöhe, und dann die Stadt, die sich an dem Fuße desselben längs dem Gestade hinzieht; den Schlußstein dieses Gemäldes bilden die Brüderberge.

      Der Hafen ist sehr groß, gleicht aber mehr einer Rhede, und darum wäre Platz genug vorhanden, um ganze Flotten aufzunehmen. Es lagen viele Schiffe vor Anker, und eine große Lebhaftigkeit war überall sichtbar.

      Die Frankenstadt, welche man von Bord des Schiffes ziemlich übersehen kann, breitet sich längs des Hafens aus, und hat viel vom europäischen Typus.

      H. v. Crammer war von meiner Ankunft unterrichtet, und hatte die Güte, mich vom Bord des Schiffes abzuholen. Wir ritten gleich nach Hazilar, dem Sommer-Aufenthalte vieler Städter, wo er mich seiner Familie vorstellte.

      Hazilar mag von Smyrna 1¼ deutsche Meilen entfernt seyn. Der Weg dahin ist über alle Beschreibung schön, daß man die Länge desselben gar nicht in Acht nimmt. Gleich außer der Stadt ist ein großer Platz an einem Fluße, wo die Kameele Rast halten, und wo sie beladen oder entlastet werden; ich sah eine ganze Herde dieser Thiere. Von ihren Führern, Arabern oder Beduinen, lagen einige auf Matten, der Ruhe genießend, während sich andere in vollster Thätigkeit mit ihren Kameelen beschäftigten — ein ächt arabisches Gemälde, welches mir so neu war, daß ich meinen Langohr unwillkührlich anhielt, um diese Scene mit Muße zu betrachten.

      Unweit dieses Lagers ist der Hauptbelustigungs- und Versammlungsplatz der Städter. Eine Kaffeebude und einige Reihen Bäume bilden diesen