Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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und freute mich schon herzlich auf einige Ruhe und Erholung; da erscholl auf einmal der Schreckensruf: ,,Kein Platz". Wer kann sich meine bejammernswürdige Lage in diesem Augenblicke wohl vorstellen? — Kein zweiter Gasthof, kein Kloster, ach gar kein Ort war vorhanden, wo ich Verlassene hätte Zuflucht suchen können. Dieß vermochte endlich doch so viel über den Wirth, daß er mich zu seiner Frau führte, und mir eine Privatwohnung zu suchen versprach.

      Nun war ich zwar unter Dach und Fach gebracht, aber weder Ruhe ward mir zu Theil, noch ein Winkelchen, um mich umkleiden zu können. Ich saß bei der Wirthin von 11 Uhr Vormittags bis 5 Uhr Abends — ach, wie lange däuchte mir diese Zeit. Ich konnte weder schreiben, noch lesen, noch — schwätzen, denn weder die Frau noch Kinder sprachen eine andere Sprache, als die arabische. Ich hatte also Zeit, das Treiben und Leben dieser Leute zu studiren, und sah, daß die Kinder hier bei weitem lebhafter sind, wie jene in Konstantinopel, das war eine Beweglichkeit und ein Geschwätz sonder gleichen. Die Frau that nach der Sitte dieses Landes Nichts, als mit den Kindern spielen oder mit der Nachbarin plaudern, während der Mann die Küche und den Keller und alle Einkäufe besorgt und außerdem noch die Gäste selbst bedient; ja sogar den Tisch für Weib und Kinder deckte und besorgte er. Er erzählte mir, daß seine Frau in längstens 8 Tagen in ein Kloster nach dem Libanon gehen werde, um dort mit den Kindern während der heißen Jahreszeit zu verweilen.

      Welch' Unterschied zwischen einer Orientalin und einer Europäerin!!

      Die Hitze fand ich auf dem Meere bisher noch immer recht erträglich, ein sanfter Wind fächelte uns beständig Kühlung zu und ein schützendes Zelt gegen die Sonnenstrahlen war über uns ausgespannt. Aber welch ein Abstand, wenn man das Land betritt! — Hier saß ich im Zimmer und die Schweißtropfen perlten beständig an meiner Stirne. Erst jetzt fing ich an zu fühlen, was es heiße, sich unter der tropischen Sonne zu befinden. Ich konnte die Stunde nicht erwarten, wo mir ein Zimmer zugewiesen würde, um Wäsche und Kleider zu wechseln; doch so gut sollte es mir heute nicht ergehen, denn um 5 Uhr kam die Botschaft von Mr. B. mit der angenehmen Nachricht, daß er sich erkundigt und erfahren habe, man könne weiter reisen, indem von den Drusen und Maroniten auf diesem Wege gar nichts zu befürchten wäre und die Pest nur in solchen Orten herrsche, die wir obnedieß nicht zu betreten hätten. Er habe schon einen Diener gemiethet, der zugleich Koch und Dragoman (Dolmetsch) vorstelle, Lebensmittel und Kochgeschirre seien gekauft und Plätze auf einer arabischen Barke bestellt. Ich hätte nichts anderes zu thun, als um 6 Uhr am Ufer zu seyn, wo mich sein Diener erwarten würde. Diese angenehme Nachricht versetzte mich in die heiterste Stimmung. Ich vergaß auf Hitze und Ermüdung, dachte an keinen Wäschwechsel, sondern schnürte mein Bündelchen und eilte an's Ufer. Von der Stadt sah ich nur einige Straßen, in denen es sehr lebhaft zuging. Eben so sah ich viele Beduinen und Araber, die nur mit einem Hemde bekleidet waren und sehr braun aussahen. Ich war vor der Hand nicht so begierig, die Stadt Beirut und ihre Umgebung genauer zu besehen, da ich ja bald wieder zurückkehren und dann das Versäumte nachzuholen gedachte.

      Vor Sonnenuntergang saßen wir schon auf dem Fahrzeuge, das uns nach dem so sehnlich gewünschten heil. Boden , nach Jaffa tragen sollte. Alles war in Ordnung, nichts fehlte, als die Hauptsache — der Wind.

      Dampfschiffe gehen von Beirut nach Jaffa nicht, man muß sich mit Barken begnügen, die weder Reinlichkeit noch Bequemlichkeit bieten, wo man keine Kajüte, kein Zelt findet, und die Tage und Nächte unter freiem Himmel zubringen muß. Die Ladung dieser Barke bestand aus Töpferwaaren und aus Reis und Korn in Säcken geladen.

      Es ging gegen Mitternacht und noch saßen wir im Hafen, kein sanfter Wind schwellte die Segel.

      Ich hüllte mich fest in meinen Mantel und lagerte mich in Ermanglung einer Matraze, auf die Säcke; doch war mein Körper noch zu wenig ermüdet, um auf solch ungewohntem Lager Ruhe finden zu können. Mißmuthig erhob ich mich wieder und betrachtete mit neidischen Blicken die nicht sanft schlummernden, sondern tapfer schnarchenden Araber, die rings herum ebenfalls auf den Säcken gelagert waren. Um meiner armen Seele einen poetischen Schwung zu geben, versenkte ich mich in Betrachtung der unnachahmlichen Landschaft bei Mondbeleuchtung, wobei es aber nicht ohne Gähnen abging. Meinem Gefährten mag es nicht anders ergangen seyn, denn auch er verließ dieß weiche Lager und starrte verdrießlich in's Weite. Endlich gegen 3 Uhr Morgens, den

      26. Mai 1842.

      Mr. B. hatte mit dem Schiffskapitän bedungen, so nahe als möglich an der Küste zu fahren, damit wir die an ihr liegenden Städte sehen konnten. Anlegen durfte er unterwegs nicht, außer bei Casarea, denn in Sur und an mehreren andern Orten war die Pest.

      Dergleichen Verträge muß man schriftlich auf dem Konsulat machen, und nie mehr als die Hälfte des Preises im Vorhinein zahlen. Mit der andern Hälfte müssen die Leute stets im Zaum gehalten werden. Selbst bei der größten Vorsicht geht es selten ohne Streit und Zank ab; da muß man nur gleich Anfangs sein Recht behaupten und nicht in der geringsten Sache nachgeben; auf diese Art allein verschafft man sich Ruhe.

      Gegen 7 Uhr früh kamen wir an der Stadt und Festung Saida vorüber. Die Stadt nimmt sich gut aus und besitzt einige große Häuser. Die Festung ist durch eine kleine Bucht des Meeres von der Stadt getrennt, und durch eine hölzerne Brücke mit ihr in Verbindung gesetzt. Sie sieht sehr zerstört aus, mehrere Breschen sind noch in demselben Zustande wie nach der Eroberung durch die Engländer im Jahre 1840 und ein Theil des Mauerwerks liegt im Meere. Im Hintergrunde sieht man auf einem Berge Ruinen, wie von einer alten Burg.

      Der nächste Ort, den wir sahen, war Sarepta, wo der Prophet Elias von der armen Witwe während einer Hungersnoth ernährt wurde.

      Der Libanon wird nun immer nieder und niederer; dagegen erhebt sich sein Namensgefährte, der Antilibanon. Er ist eben so hoch, wie ersterer, und ihm auch in der Form ganz gleich. Beide sind mit Schneefeldern durchzogen. Zwischen ihnen steht ein dritter Bergkoloß, der Hermonie.

      Nun folgte die Stadt Tyrus oder Sur, jetzt einsam und verödet, denn die größte Geißel der Menschheit, die Pest herrscht daselbst im hohen Grade. Man sieht einige verfallene Festungswerke, und mehrere Fragmente von Säulen, die zerstreut am Ufer liegen.

      Und nun sollte ich Orte schauen, nach welchen sich viele sehnen, und deren Anblick doch nur wenigen zu Theil wird; mit klopfendem Herzen sah ich unverwandt nach der Gegend, wo ich endlich die Stadt St. Jean d'Acre und im Hintergrunde den Berg Karmel, von den Meereswogen umspült, erblickte. Dieß also ist der heilige Boden, auf welchem Christus für uns Menschen gewandelt ist. Beide sieht man schon aus großer Ferne.

      Die Nacht senkte sich zum zweiten Male mild und heiter über die Erde, allein mir brachte sie wieder keine Ruhe. Daß man sich doch die Bequemlichkeit eben so schnell ab- als angewöhnen könnte! Wie leicht wäre dann das Reisen; so aber kostet es gar manchen Kampf, sich von den Beschwerden nicht abschrecken zu lassen. Doch nur Geduld, dachte ich, es wird schon noch ärger kommen, — sollte ich glücklich zurückkehren, werde ich abgehärtet seyn, gleich einem Eingebornen.

      Unsere Mahlzeiten und unser Getränk waren einfach, wie unsere Barke und unsere Schlafstätte. Pilav hatten wir des Morgens, Pilav des Abends, und lauwarmes Wasser mit etwas Rhum gemischt, war unser Getränk.

      Von Beirut bis in die Nähe von St. Jean d'Acre ist die Küste, so wie ein ziemlich breiter Streif des Landes, unfruchtbar und versandet. Bei St. Jean d'Acre ändert sich alles — man sieht wieder hübsche Landhäuser, umgeben von Pomeranzen und Zitronen-Pflanzungen und eine großartige Wasserleitung, die das liebliche Thal durchschneidet. Nur der Berg Karmel ist öde und unfruchtbar und bildet einen grellen Gegensatz zu dieser blühenden Landschaft; er ragt weit in das Meer hinaus und trägt auf seinem Rücken ein großes, schönes Kloster.

      Die Stadt St. Jean d'Acre und ihre Festungswerke sind seit dem letzten Kriege vom Jahre 1840 noch ganz zerstört und seufzen vergebens nach einer Wiederherstellung. Häuser und Moscheen sind voll Kugeln und Löcher. — Alles liegt und steht noch, als wäre der Feind erst gestern abgezogen. Sechs Kanonenschlünde sind drohend auf dem Walle aufgepflanzt. — Stadt und Festung liegen meerumgürtet auf einer Erdzunge.

      27. Mai 1842.

      In der Nacht kamen wir nach Cäsarea. — Mit wahrer Demosthenischer Beredsamkeit suchte uns der Schiffspatron von dem Vorsatze, hier zu