Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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Hunde.

      Einiges Leben ist, wie überall, auf den Bazaren und besonders auf den gedeckten. Der vorzüglichste Handelsartikel besteht in schönen dauerhaften Seidenstoffen, wovon die schönsten und kostbarsten in den geschlossenen Magazinen aufbewahrt werden. Auf dem gemeinen Bazar fanden wir nichts als Eßwaaren, darunter kleine, äußerst unschmackhafte Kirschen. Klein-Asien ist das Vaterland dieser Frucht; aber Herrliches davon sah ich weder hier, noch acht Tage später in Smyrna.

      Brussa hat einen außerordentlichen Reichthum an krystallreinen, kalten Quellen, welche dem Olymp entströmen. Von allen Seiten durchschneiden unterirdische Kanäle die Stadt, in vielen Gassen hört man das Gemurmel des Wassers unter und neben sich, und jedes Haus hat Brunnen und Bassins, ja selbst auf den Bazaren sind dergleichen angebracht.

      In der Nähe nimmt sich der Olymp nicht halb so gut aus, wie in einiger Entfernung. Der Fuß desselben ist von mehreren kleinen Hügeln umgeben, welche dem Gesammtblicke hinderlich sind.

      Die Bäder, die eine halbe Stunde von der Stadt entfernt sind, haben eine freundliche gesunde Lage, und einen großen Reichthum an mineralischem Wasser, viele Fremde kommen hieher, ihre verlorne Gesundheit zu erlangen.

      Das schönste unter den Bädern heißt Jeni Kaplidche. Ein runder hoher Saal enthält ein großes Vollbad in Marmor gefaßt, darüber wölbt sich eine herrliche Kuppel mit einer Menge (man sagt sechshundert) Lichtgläser, die das Ganze magisch beleuchten.

      Die Rückreise nach Konstantinopel lief nicht so ganz glücklich ab. Einer der Herren stürzte vom Pferde, und brach — seine Taschenuhr. Sattel und Riemzeug sind gewöhnlich so schlecht, daß man alle Augenblicke etwas zu knüpfen und zu machen hat. Wir ritten gerade ein Bischen scharf, die Halfter riß, und Sattel und Reiter flogen hinab. Ich kam glücklich zurück, obschon ich oftmals in Gefahr war, vom Pferde zu stürzen, ohne daß ein Riemen zu reißen nöthig gehabt hätte.

      Die Herren waren mit mir zufrieden, denn nie blieb ich zurück, und nirgends wurden sie meinetwegen aufgehalten. Erst als wir auf dem Schiffe waren, gestand ich mein Wagestück und meine ausgestandene Angst.

      IV. Reise von Konstantinopel nach Beirut.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich verschob meine Reise von Tag zu Tag, denn die Berichte aus Beirut und Palästina lauteten gar zu ungünstig. Als ich mich bei meiner Gesandtschaft um einen Ferman (türkischen Paß) bewarb, widerrieth man mir die Reise nach jenen Ländern. Die Unruhen am Libanon, sowie die Pest, seien zu mächtige Feinde, um sich ohne die dringendste Notwendigkeit einer solchen Gefahr auszusetzen.

      Ein Geistlicher, der vor zwei Monaten von Beirut gekommen war, versicherte mich, die Unsicherheit sei so groß, daß selbst er, als Arzt, weit und breit bekannt, sich nicht über eine halbe Stunde von der Stadt entfernen dürfe, ohne sich den größten Gefahren Preis zu geben. Er rieth mir bis Ende September in Konstantinopel zu bleiben, und dann mit der Karavane der Griechen nach Jerusalem zu reisen. Dieß wäre die einzige Art, sicher dahin zu gelangen.

      Da traf ich eines Tages einen Pilger in der Kirche, der aus Palästina kam. Auch ihn fragte ich um Rath. Er bestätigte nur, was mir der Priester gesagt, und fügte noch hinzu, daß einer seiner Gefährten auf dem Rückwege ermordet worden, und er selbst ausgeplündert und nur durch die besondere Gnade Gottes dem Tode entronnen sei. Den Worten dieses Menschen glaubte ich gar nicht. Er erzählte seine Begebenheiten so ziemlich als Münchhausen, vermuthlich um Bewunderung zu erregen. Ich setzte meine Nachforschungen solange fort, bis ich so glücklich war, Jemanden zu treffen, der mir das Gegentheil versicherte. Auf jeden Fall überzeugte ich mich, daß in Konstantinopel über diesen Punkt eben so wenig die Wahrheit zu erfahren sei, wie irgend wo. Endlich entschloß ich mich, mit der nächsten Gelegenheit wenigstens bis Beirut zu gehen, dort dachte ich die Wahrheit zu erfahren.

      Man riethmir, die Reisein Männerkleidung zu machen, allein ich fand diesen Rath nicht klug, indem meine kleine magere Gcstalt wohl für einen Jüngling, mein ältliches Gesicht aber für einen Mann gepaßt hätte. Da mir aber der Bart fehlte, so würde man die Verkleidung gleich geahnet und ich mich dadurch mancher Unannehmlichkeit ausgesetzt haben. Ich zog es vor, meine einfache europäische Tracht, die aus einer Blouse und Beinkleidern bestand, beizubehalten. Auf dem Kopfe trug ich einen runden Strohhut. In der Folge wurde ich immer mehr überzeugt, wie gut ich gethan, mein Geschlecht nicht zu verläugneu. Man begegnete mir überall mit Achtung und hatte oft Nachsicht und Güte für mich, gerade weil man auf mein Geschlecht einige Rücksicht nahm.

      schiffte ich mich also in Gottes Nahmen auf einem Dampfschiffe des österreichischen Lloyds, dem »Erzherzog Johann« ein.

      Mit wehmüthigem Gefühle stand ich auf dem Verdecke, und sah dem Leben und Treiben, das vor so einer weiten Reise an allen Orten und Ecken herrscht, halb gedankenlos zu. Und abermals stand ich in diesem Gewühle ganz allein, nur auf Gott und mein Vertrauen gewiesen. Keine freundliche theilnehmende Seele geleitete mich an Bord. Alles fremd — die Menschen, die Sprache, das Land, das Klima, die Sitten und die Gebräuche — Alles fremd! Doch ein Blick hinauf zu den Sternen, ein Gedanke: Du bist nicht allein, so lange p« an Gott haltst, senkte Ruhe in meine Seele, und bald, gewann ich es über mich, mit stiller Heiterkeit Alles zu beobachten, was um mich vorging.

      Da war ein altes Mütterchen, das sich von ihrem Sohne nimmer trennen konnte, immer und immer schloß sie ihn wieder in ihre Arme, und küßte und segnete ihn. Arme Frau, wirst du ihn wiedersehen? oder wird die kühle Erde für dieses Leben die Scheidewand? — Gott segne euch Beide!

      Da stürmte eine Schar von Freunden des Schiffspersonals heran, die das Schiff von oben bis unten durchstöberten, und Vergleiche machten zwischen diesem und einem englischen oder französischen.

      Da gab es ein Gedränge an der hängenden Schiffstreppe mit Kisten und Koffern und Körben. Menschen drängten sich dazwischen hinauf und hinab. Türken und Griechen und Andere balgen sich um die besten Plätze auf dem Oberdeck, und in wenig Augenblicken war der große Oberraum in ein Bivouaque umgestaltet. Matten und Betten wurden überall ausgebreitet, Lebensmittel aufgespeichert, Geschirre dazu in Ordnung gestellt, und kaum waren diese Anstalten halb geendet, so fingen die Türken mit den Waschungen des Gesichtes, der Hände und Füße an, breiteten Teppiche aus und verrichteten ihre Andacht. In einer Ecke des Schiffes war sogar ein kleines sehr niedriges Zelt gespannt, und so fest verschlossen, daß ich lange nicht entdecken konnte, ob Menschen oder Waaren darunter verborgen seien. Man bemerkte keine Bewegung unter demselben, erst nach mehreren Tagen erfuhr ich von einem Türken, daß ein Scheik von der syrischen Küste zwei Mädchen in Konstantinopel gekauft habe, und sie sorgfältig dem Blicke der Neugierigen zu verbergen suche. Ich war neun Tage mit diesen armen Geschöpfen auf demselben Schiffe, und hatte während dieser langen Zeit keine Gelegenheit, eine davon zu sehen. Selbst bei der Ausschiffung hüllten sie sich so ein, daß es unmöglich war, zu erspähen, ob sie weiß oder schwarz seien.

      Um 6 Uhr ertönte die Glocke als Zeichen zur Entfernung der Fremden, und nun erst konnte man die eigentlichen Reisegefährten erkennen. Ich schmeichelte mir, mehrere Franken darunter zu finden, die vielleicht eben solche Reiseprojecte hätten, wie ich — aber mit jeder Minute schwand meine Hoffnung mehr und mehr; ein Franke nach dem andern verließ das Schiff, und endlich sah ich mich ganz allein unter all' den fremden Nationen.

      Nun wurden die Anker aufgerollt, und langsam begann unsere Abfahrt aus dem Hafen. Ich sandte ein kurzes, aber inniges Gebet zu Gott, ich flehte um seinen Schutz auf dieser gefahrvollen weiten Reise, und gestärkt und beruhigt konnte ich neuerdings der Geschäftigkeit meiner Reisegesellschaft, die nach Beendigung ihrer Andacht sich zum frugalen Mahle gesetzt hatte, Aufmerksamkeit schenken. Die Nahrung dieser Leute bestand während der ganzen Zeit, die sie auf dem Dampfschiffe zubrachten, in kalten Speisen, als: Käse, Brot, harten Eiern, Sardellen, Oliven, Nüssen, sehr vielen Zwiebeln und getrockneter Mischmisch, eine Gattung kleiner Aprikosen, die sie anstatt des Kochens eine Stunden vor der Mahlzeit im Wasser weichen ließen. Auf einem Segelschiffe nehmen sie gewöhnlich ein Windöfchen nebst Holzkohlen mit, um sich Pilav, Bohnen, Hühner, Kaffee u.s.w. zu kochen, was ihnen natürlich auf