Ida Pfeiffer

Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke


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begafft oder beleidigt zu werden. Mstr. B., der Engländer, nahm einzelne Skizzen einiger Schönheiten, der gothischen Thore, Fensterwölbungen, Balcone u.s.w. in sein Handzeichenbuch auf, und kein Bewohner trat ihm störend entgegen.

      Das Pflaster in der Stadt und selbst in den Straßen, die sich um die Festungswerke ziehen, besteht aus lauter gleichen, schönen Kieselsteinen, oft von bunten Farben, wie Mosaik, und noch so gut erhalten, als ob diese Arbeit erst kürzlich beendet worden wäre. Freilich fährt hier kein belasteter Wagen, der die Steine zermalmt, denn der Gebrauch des Fuhrwerks ist in diesen Gegenden gänzlich unbekannt; alles wird von Pferden, Eseln und Kameelen getragen.

      Auf den Wällen stehen noch die Kanonen aus den Zeiten der Genueser. Die Lafetten sind äußerst plump und die Räder bestehen aus runden Tafeln ohne Speichen.

      Von diesem Standpunkte aus kann man die Ausdehnung und Stärke der Festung vollkommen übersehen. Drei hohe Wälle umgeben die Stadt, die so für die Ewigkeit gebaut scheinen, daß sie fast unbeschädigt in ihrer ganzen Pracht noch da stehen. An einigen Orten ist das lebensgroße Bildniß der heiligen Maria an den Mauern der Wälle ausgehauen.

      Die Umgebung ist reizend und gleicht einem wahren Lustpark. Viele Landhäuser liegen in diesem großen Naturgarten zerstreut. Die Vegetation ist so üppig, wie in Smyrna.

      Die Bauart der Häuser unterscheidet sich hier schon merklich. An vielen sind Thürme angelehnt, und die Dächer sind flach und bilden lauter Terrassen. Alle sind aber aus Stein gebaut. Gar sonderbar kamen mir die mit großen steinernen Kanonenkugeln eingefaßten Straßen vor, welche im untern Theile der Stadt liegen und meist von Juden bewohnt sind.

      Eben so überraschend war für mich die Tracht des Landvolkes, das ganz schwäbisch gekleidet ist. Vergebens erkundigte ich mich nach der Ursache dieser Erscheinung — in den Büchern, die wir bei uns hatten, fand ich keinen Aufschluß darüber, und mit den Eingebornen konnte ich nicht sprechen.

      Um 3 Uhr Nachmittags waren wir wieder an Bord, eine Stunde später segelten wir dem offenen Meere zu. Heute sahen wir nichts mehr als eine lange und hohe Gebirgskette des asiatischen Festlandes, Zweige des Taurus. Die höchsten Gipfel schimmerten im Abendlichte silberweiß, sie waren mit Schnee bedeckt.

      23. Mai 1842.

      Heute wurden unsere Sehorgane in ziemlicher Ruhe gelassen, wir waren auf hoher See. Erst spät Abends erblickten die Matrosen in weiter Ferne, gleich einer Nebelwolke, die Gebirge von Cypern. Ich hatte kein so geübtes Auge, ich sah nichts, als abermal den Sonnenuntergang auf dem Meere — ein Schauspiel, von dem ich mir eine viel erhabenere Vorstellung machte. Der Auf- und Untergang der Sonne auf diesem Elemente ist nicht halb so schön, wie in einer großen Gebirgslandschaft. Der Himmel ist gewöhnlich wolkenlos und die Sonne sinkt nach und nach ohne Strahlenbrechung, ohne Farbenspiel in's nasse Grab hinab, und betritt eben so einförmig des Morgens ihre alte Bahn. Wie erhaben ist dagegen dieses Schauspiel auf dem Rigi-Kulm in der Schweiz? Dieß ist fürwahr ein Bild, um in Andacht aufgelöst auf die Knie zu sinken und in lautlosem Staunen Gott in seinen Werken zu bewundern.

      24. Mai 1842.

      Als ich um 5 Uhr Morgens auf das Verdeck kam, sah ich die Insel Cypern, die, je mehr man ihr naht, desto häßlicher erscheint. Sowohl die Gebirge, als auch der Vordergrund sahen höchst traurig und öde aus. Um 10 Uhr fuhren wir im Hafen von Larnaka ein. Die Lage dieses Städtchens ist eben so häßlich; einer arabischen Sandsteppe ähnlich, ragen einzelne fruchtlose Dattelpalmen über die steinernen dachlosen Häuser.

      Ich würde gar nicht an's Land gestiegen seyn, wenn nicht der Herr Doktor Faaslanc, den ich in Konstantinopel kenner gelernt, und der vier Wochen vor meiner Abreise als Quarantaine-Arzt hieher gekommen war, mich abgeholt hätte. Die Straßen von Larnaka sind nicht gepflastert, und wir mußten im eigentlichen Sinne des Wortes bis über die Knöchel in Sand und Staub herumwaten. Die Häuser sind klein, die Fenster unregelmäßig, bald hoch und bald niedrig angebracht, und mit sehr engen hölzernen Gittern versehen. Die Dächer bilden Terrassen. Diese Bauart fand ich in der Folge in ganz Syrien.

      Von einem Garten oder grünen Plätzchen war nirgends eine Spur. Die Sandfläche erstreckt sich bis an die Gebirge, die von dieser Seite gesehen, ein eben so farbloses ödes Bild gewähren. Hinter diesen Bergen soll die Insel das Bild einer üppigen Landschaft bieten. Dahin und nach Nikosia, der Hauptstadt der Insel, von Larnaka 6 Stunden entfernt, kam ich nicht.

      Herr Doktor F.... führte mich in seine Wohnung, die viel besser aussah, als ich vermuthete, indem sie aus zwei sehr großen, hohen Zimmern, man könnte sagen Sälen bestand. Eine behagliche Kühle war überall verbreitet.

      Öfen oder Kamine sah ich nicht, denn hier vertritt schon eine ziemlich laue Regenzeit die Stelle des Winters. Im Sommer soll die Hitze oft unerträglich seyn, und bis über 36 Grad Reaum. steigen; heute hatten wir in der Sonne 30 Grad nach Reaumur.

      Auf eine glückliche Rückkehr in mein theures Vaterland ward mit echten alten Cvperwein getrunken. Ach, werd' ich es wieder erblicken? — Gewiß, wenn meine Reise nur halb so glücklich fortgeht, wie bisher. Syrien ist zwar ein böses Land, und das Klima schwer zu ertragen, aber Muth und Vertrauen zu Begleitern, hoffe ich doch meine Aufgabe zu lösen. — Der gute Doktor war in großer Verlegenheit, daß er mir nichts als Cyperwein und einiges Bisquit aus seinem Vaterlande serviren konnte. Obst gibt es zu dieser Zeit noch nicht, und die Kirschen gedeihen hier nicht mehr, weil das Klima schon zu heiß ist. In Smyrna aß ich die letzten für dieses Jahr. Als ich mich des Nachmittags wieder eingeschifft hatte, kam Mstr. B. in Gesellschaft des englischen Konsuls an Bord, um, wie er sagte, eine so wackere Frau, die es wagen könne, eine so große, beschwerliche Reise ganz allein zu unternehmen, kennen zu lernen. Noch mehr wuchs sein Erstaunen, als er hörte, ich sei eine ganz bescheidene Wienerin. Er war so gütig, mir für den Fall der Rückreise sein Haus als Absteigequartier anzubieten, und mich zu fragen, ob er mir mit einigen Empfehlungsschreiben an englische Konsulen in Syrien dienen könne. Wie sehr rührte mich diese herzliche Theilnahme von einem ganz fremden Manne, und noch dazu von einem Engländer, die man für kalt und unhöflich hält!

      25. Mai 1842.

      Heute früh sah ich Syriens Küste, die sich immer herrlicher gestaltete, je mehr wir sie in der Nähe betrachten konnten; allein das Ziel dieser Reise, Beirut, blieb uns neidisch bis auf den letzten Augenblick verborgen. Noch mußte eine Spitze umsegelt werden, und dann erst erschien dieß Eden dem entzückten Auge in der ganzen Fülle seiner Pracht. Gerne hätte ich auf dieser kurzen Strecke, von der letzten Spitze bis in den Hafen, das Schiff in seinem Laufe angehalten, um diesen herrlichen Anblick länger zu genießen. Zwei Augen sind für diese Ansicht zu wenig, und der Gegenstände zu viel, man weiß wahrlich nicht, wohin man seine Blicke zuerst wenden soll, auf die Stadt mit ihren vielen alterthümlichen Thürmen, die an die Häuser angebaut sind, und ihnen das Ansehen alter Ritterburgen geben — oder auf die vielen Landhäuser im Schatten üppiger Maulbeerpflanzungen — oder auf das schöne Thal, das sich zwischen Beirut und dem Libanon ausbreitet — oder endlich auf das wunderbare Gebirg selbst? Die gewaltigen Formen dieses großartigen Gebirges, die eigenthümliche Farbe der Felsenmassen, der schneebedeckte Rücken derselben, fesselten meine Aufmerksamkeit am längsten.

      Kaum rollte der Anker in die Tiefe, so war schon unser Schiff von einer Menge kleiner Barken umschwärmt, es ging hier noch viel stürmischer zu, als in Konstantinopel. Die halb nackten, ungemein lebhaften Araber oder Fellahs sind so dienstfertig, daß man sich ihrer nicht genug erwehren kann. Es wäre nöthig, diese armen Leute mit dem Stocke zurückzuweisen — eine andere Erklärung verstehen sie nicht. Da das Wasser hier sehr seicht ist, und man selbst mit der kleinen Barke nicht ganz an das Ufer fahren kann, kamen abermals gleich wieder andere dieser Braunen Gestalten durch's Wasser heran, packten uns unter beständigen Streit und Zank auf den Rücken und brachten uns wohlbehalten an das nahe Ufer.

      Bevor man mit dergleichen Menschen als z. B. Barkenführer, Eseltreiber, Träger u.s.w. in Verkehr kommt, thut man sehr gut, sich um den Preis zu erkundigen, den man für solche Dienstleistungen zu zahlen hat. Ich fragte gewöhnlich den Schiffskapitän oder einen schon mit Allem bekannten Reisenden. Wenn man diesen Leuten auch das Doppelte des gewöhnlichen Preises gibt, so sind sie dennoch nie zufrieden und begehren stets Backschisch (Trinkgeld). Darum muß man die erste Gabe