Nataly von Eschstruth

Halali!


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schwierige Bodenverhältnisse im Gelände notwendig gewesen, auf eine Hälfte des Gutes bessern Wald, auf die andre, der Bonitätsklasse nach, höher bewerteten Weizenboden zu verteilen. Dem Käufer, Herrn zur Medden, habe dieser Situationsplan vorgelegen und sei von ihm anstandslos gebilligt worden.

      Frau Dorothea litt seit Kindesbeinen an chronischem Eigensinn.

      Erstens wusste sie alles selber besser als andre, und zweitens glaubte sie doch ihrem Inspektor mehr, als dem der Gegenpartei.

      Da war zum erstenmal das ominöse Wort ausgesprochen.

      Es frisst bekanntlich nichts mit so scharfen Zähnen um sich wie Verleumdung.

      Tu liebe Zeit! Frau Dorothea hatte sich, im Grunde genommen, gar nichts dabei gedacht, als sie vor ihren Untergebenen den Oberst ihren Gegner genannt. Sie wunderte sich auch, wie dieser so etwas alsogleich wieder erfahren konnte.

      Aber der Krach in den untern Regionen hallte bis unter das Dach hinauf.

      Herr von Verne zögerte damit, seinen Besuch zu machen.

      Er musste, wie er sagte, doch erst abwarten, was für eine Antwort auf die Forderung seiner Nachbarin erfolge.

      Erachte sie ihn als Gegner, nun, so würde wohl ein langwieriger „Erbfolgekrieg“ unvermeidlich sein, denn er habe das Gut gerade um des schönen Hochwalds willen gekauft und denke nicht daran, auch nur um Haaresbreite von dem Standpunkt des Rechts abzuweichen.

      Und um ein Haar wäre dieser sehr unerquickliche Prozess auch ausgebrochen, wenn nicht der Verkäufer anstatt jeder Weiterung die unterzeichneten Kontrakte präsentiert hätte.

      „Wenn es Frau zur Medden nicht passe, was Herr zur Medden rechtsgültig abgeschlossen habe, so könne sie ja verkaufen. Der ehemalige Eigentümer des Gesamtbesitzes habe diesen aufteilen können, wie es ihm beliebte, und das sei nach bestem Wissen und liebenswürdigstem Willen geschehen.“

      Zufällig schritten der Oberst und Christiansen einerseits, Frau zur Medden und Schneider andrerseits nach Einkehr des Postboten im Hof aneinander vorüber.

      Verne wollte grüssen, Frau Dorothea aber sah gerade nach den Fischen, die ein Knecht in dem kleinen Flüsschen, der Buller, gefangen hatte und machte ein wütendes Gesicht.

      Letzteres, weil ihrer Ansicht nach die Karpfen zu klein wären, — und dass sie sich von dem Gutsnachbar weggewandt, sei nur Zufall gewesen!

      Sie entsinne sich beim besten Willen nicht, absichtlich gehandelt zu haben. Wenn aber der Hund an den Knüppel soll, so hat er bekanntlich Leder gefressen!

      Und als Schneider den Christiansen mit funkelnden Augen anstierte, da fing letzterer an zu lachen, so recht nichtswürdig und schadenfroh, was nicht allein ihm, Schneider, sondern ganz Unterkieferndorf galt, das von solcher Beleidigung natürlich genügend Notiz nahm.

      Herr von Verne hatte den Rücken der Frau zur Medden begreiflicherweise nicht gegrüsst und machte auch keinen Besuch.

      Die Kirche soll etwas Versöhnliches haben. Der Pastor predigte auch eindringlich Frieden und schaute dabei unauffällig nach dem Kirchenstuhl, der Ober- und Unterkieferndorf gemeinschaftlich angewiesen war, da es ja früher nur eine Partei gewesen war, die ihn besucht hatte.

      Jetzt sassen der Oberst und Frau Dorothea auch nebeneinander darin.

      Die Sonne schien scharf herein, und Herr von Verne liebte die allzu grosse Hitze auf Gesicht und Schädel nicht, darum drehte er seinen hochlehnigen Stuhl selbstredend ohne alle Hintergedanken seitwärts, damit die Bestrahlung seinen Rücken traf und wohlige Wärme auf demselben erzeugte.

      Frau zur Medden verstand es aber falsch, erachtete es als unerhörte Nichtachtung ihrer sonst so ehrengeachteten und reputierlichen Persönlichkeit und schnellte ihren Stuhl nun gleichfalls mit solchem Knalleffekt zur Seite, dass es dumpfen Widerhall in allen Herzen — hie Welf, hie Weibling! — hervorrief.

      Da sassen sich die beiden Kampfhähne nun dos à dos — beide mit zorngeröteten Gesichtern, und die Stühle blieben auch in derselben Grundstellung, gleichviel, ob des Kirchendieners milde Hand sie vor jedem Sonntagmorgen in Reih’ und Glied rückte.

      Herr von Vernes Mannesehre verlangte es, dem albernen Frauenzimmer zu zeigen, dass ihm solch ein Benehmen total piepe sei und er sich nicht im mindesten um ihre Ungnade geniere.

      Er fühlte sich in sicherem Recht, und darum hielt er das Gesangbuch wie einen feurigen Harnisch, der ihn wappnete, und sang mit seiner furchtbar dröhnenden Kommandostimme, gegen die die Posaunen von Jericho nur lispelten, alle Verse mit.

      Der Knabenchor neben der Orgel schien bescheiden vor ihm zu verstummen, und Frau Dorothea fuhr herum wie von der Tarantel gestochen und legte alle Entrüstung über solchen ruhestörenden Lärm in ihre bewegliche, spitze, kleine Visage.

      Den Oberst störte es nicht.

      „Wem mein Gesang nicht gefällt, der kann ja zu Hause bleiben!“ sagte er lakonisch zu Christiansen, als sie neben Schneider durch die Kirchtür schritten.

      Oha! Das hätten sich die Unterkieferndorfer gerade gefallen lassen, dass man sie womöglich noch aus dem Himmel herausbekomplimentieren wollte!

      Am nächsten Sonntag hob Frau Dorothea sehr auffällig ihr Handtäschchen und entnahm ihm, nach gutem Taxatum der Gegenübersitzenden, mindestens ein Viertelpfund Watte, um sie als kolossale Pfropfen in die Ohren zu stopfen.

      Der weibliche Teil der Bewohner von Unterkieferndorf tat mit scharfem Ruck das gleiche, und der Kanzelredner hatte an jenem Tag mit viel zerstreuten Zuhörern zu rechnen.

      Als die Schwiegermama mit wahrem Zetergeschrei der Entrüstung an Frau Christel darüber schrieb, schlug diese nur wie in stummer Anklage wider solche Unbegreiflichkeiten die Hände zusammen und lachte: „Wenn Dorchen mich nur mal einladen wollte! Solch ‚Vielen Lärm um nichts‘ würde ich mir ja liebendgern mal ansehen! Heiliger Lord Begon, alias Shakespeare — in Unterkieferndorf hättest du noch einen Nachtrag zu obigem Lustspiel schreiben können!“

      Und dann teilte ihr die verzweifelnde Schwiegermama in jedem Briefe mit, dass sie derart leibliche und seelische Folterqualen in ihrer Erdenhölle erdulden müsse, dass sie ernstlich daran denke, ihr Testament zu machen.

      Von Tag zu Tag erhielt dieses wohl neue Kodizills und Verschärfungen, denn es war ja hahnebüchen, wie grausig der Kampf um einen Eierkuchen tobte! Zuerst taten sich die Inspektoren alles an, was das Leben, Aussaat und Ernte vergällen konnte.

      Sie hetzten sich gegenseitig die Arbeiter weg, straften es nicht, wenn sich die Feindseligkeiten auch auf Knechte und Mägde erstreckten und anfänglicher Schabernack und Nichtsnutzigkeiten bald zu folgeschweren Bosheiten auswuchsen. Persönliche Missstimmungen kamen noch dazu, Neid und Eifersucht, und so wurde das Dasein für die Ober- und Unterkieferndorfer tatsächlich bald zur Qual!

      Das Ende von dieser langen Kette hielt Frau Christel soeben kopfschüttelnd in Händen.

      Die Schwiegermama hatte ihr das schöne und einträgliche Gut geschenkt.

      Das war ja zum Jauchzen!

      Weit entfernt, solchen Klatsch und Tratsch ernst zu nehmen, war sie viel zu klug, zu energisch und zu liebenswürdig, um als gute Reiterin vor der Mauer, der Hecke und dem Graben haltzumachen.

      Ein Salto mortale — und hopp! sind wir drüber! — dachte sie.

      Und als passionierte Jägerin die Flinte ins Korn werfen, anstatt noch auf den vielumstrittenen Prachthirsch den Meisterschuss zu tun?

      Nein! — ad infinitum nicht!

      Sie musste wieder an den flotten, eleganten, famos schneidigen Jägersmann mit dem Kornblumenstrauss auf dem Hut und den blühenden Solitair an der Brust denken, der ihr so keck und siegesbewusst sein „Halali“! entgegentriumphierte!

      Heute hatte ein Weidmann sie besiegt, obwohl naturgemäss das Wasser das Feuer löschen musste!

      Wenn sie aber ihr treues, altes Gewehrchen in Händen hält, gut und wohl vorbereitet zielt und dann