Nataly von Eschstruth

Halali!


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war er doch noch so fidel und guter Dinge, als hinge ihm der ganze Himmel voller Bassgeigen! „Und der Flieder blüht in den Zweigen und der Himmel hängt voll Geigen!“

      Blödsinn. — Albernes Lied.

      Der Flieder hat längst abgeblüht und der Himmel sieht so dunkel und bedeckt aus, als gebe es doch noch Regen.

      Die Mücken stechen auch so unverschämt. Das ist ein sicheres Zeichen.

      Er setzt sich an das offene Fenster, ohne das Elektrische anzuknipsen, — das lockt nur das Geschmeiss herein.

      Ausserdem möchte er noch mit seinen Gedanken allein sein.

      Er ist so missgestimmt. — Ganz plötzlich.

      Soll auch einer sein!

      Den ganzen Tag während seiner Wanderung hat er an das reizende kleine Weib mit den schelmischen Glutaugen und den entzückenden weissen Händen gedacht.

      Endlich mal eine, die ihm gefiel.

      Ging so lustig auf seinen kecken Scherz ein, als Zeichen dafür, dass sie gescheit ist, und Spass versteht, was man nicht allzuoft findet! Und dann so hübsch, so rund und mollig, was er, der Formen-Enthusiast, besonders schätzt, und schick und elegant, mit einer so sympathischen Stimme. — Wie ein Student hat er Feuer gefangen. Den ganzen Weg über nachgedacht, wie das wohl klingen muss, wenn man so ein reizendes Frauenzimmerchen im Arme hält und sie lacht einem mit ihren schwellenden Lippen ins Herz hinein: „Ich habe dich lieb!“

      Nur vier Worte! und schliessen doch alle Himmelsseligkeiten in sich ein!

      Und wie er sie dann so plötzlich wiedersah ... und wie das ulkige Spiel von neuem anhub ... und wie ihr Gesichtchen so nah dem seinen war, als er sich über sie neigte und sie zu ihm aufschaute — und das elegante Frou-Frou rauschenden Seidenfutters, als sie so erschreckt das Kleid zusammenraffte, es vor der brennenden Schwedenschachtel zu retten ... und der ganz feine, süsse, zarte Duft, den selbst ihre Handschuhe aushauchten, als sie ihm die Zigarette zurückreichte!

      Am liebsten hätte er sie sich von ihr in den Mund stecken lassen.

      Ja, da hatte er momentan wirklich an Zeichen und Wunder geglaubt, an das schöne Wahrwort, dass die Ehen im Himmel geschlossen werden!

      Und nun?

      Kann es ihn wundern?

      Nicht er allein hat Augen im Kopfe, ein heisses Herz und guten Geschmack, und wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und wer die Braut hat, der ist der Bräutigam! Langsam streicht er mit der schlanken Rechten über die Stirn.

      „Wenn du also ein anständiger Kerl bist, Jürgen, dann gönnst du Herrn Langermann neidlos sein Glück. ... totschlagen könnte ich den Halunken! — Es ist doch ein verteufelt schweres Ding mit dem neidlosen Gönnen! — Aber was hilft es! — Wenn das entzückende Weib noch zu haben gewesen wäre, dann hätte ich ihr heute nacht ein Ständchen auf dem Waldhorn gebracht — natürlich die „Liebeserklärung“ oder „Du mein und ich allein?“

      Aber der Frau Fabrikant Langermann?

      Na, in Gedanken stehe ich wieder unter der Loggia und sende noch einen Gruss hinauf: „Behüt’ dich Gott, es wär so schön gewesen, behüt’ dich Gott, es hat nicht sollen sein!“

      Und dann ein leises, wehmütiges Halali ...

      Er springt auf und schlägt nach den eigenen Gedanken wie nach lästigem Mückenschwarm, tritt seitwärts und entflammt das Licht.

      Dann bricht er an Onkels Brief das grosse Siegel. Eigentlich gehörte noch der Fingerabdruck darauf, so altmodisch berührt das Wappen! Ein eiserner Ring im goldenen Feld! Der mutet so uralt an, wie ein Ritterschlag aus der Ewigkeit! Dann klappt er das steife Briefpapier auseinander.

      „Mein lieber, braver Patenjunge!

      Habe Deinen Tintenguss erhalten. Na ja, freut mich, dass Du Dich über Deine Erbschaft gefreut hast. Bekommst also dieses Saunest von Oberkieferndorf. Habe keine Lust, mir Gallensteine anzuärgern. Die Sache mit dem alten Kamel wird ja immer toller. Also, warum noch das lange Federlesen! Als Deine Mutter heiratete, sagte ich ihr: ‚Mein liebes Klärchen‘, sagte ich, ‚wenn Du mal mehrere Jungen kriegst, dann adoptiere ich einen davon, denn Du kennst meinen bibelfesten Grundsatz: freien ist gut, nicht freien ist besser.‘ Ergo! Du warst und bliebst der einzige, Dein Vater ist tot, Klärchen weinte sich zu ihm ins Grab, na, da blieben wir beiden zusammen. Nun macht mir das Landwirtspielen keinen Spass mehr. Aber dem infamen Racker von nebenan, dem frechen Weibsstück, weiche ich denn doch nicht ... Offiziell mache ich eine Reise um die Welt und Du hältst solange hier Haus. In der Residenz treffen wir uns, da bringen wir alles Schriftliche und Geschäftliche in Ordnung. Halte nun dem Klärchen Wort und mache Dich zu meinem Sohn. Weisst Du, Jürgen, solange wie die kleine Kröte von nebenan nur zischte und Gift spritzte, da amüsierte mich die Chose! Da wurde ich auch fuchsteufelswild und setzte meinen Dickkopf auf! Wenn der Ober- und der Unterkiefer zusammenklappen, dann ist der Biss fertig, na und so haben wir denn bis jetzt gründlich hin und hergebissen. Aber weisst Du, wenn sie jetzt anfängt, ... na, hör’ mal zu. Wir beiden Alten hassen uns bis in den Tod, also spielt die Fehde selbst bis in die Kirche hinüber. Frau Dorothees Unverschämtheit, auf meinen schönen Gesang mit ein paar zentnerschweren Ohrenpfroppen zu antworten, kennst Du. Gestern sitzen wir nun wieder wie der österreichische Doppeladler, Rückfront contra Rückfront in dem Kirchenstuhl. Den Kandidate muss ja der Deuwel reiten, denn er erzählt mit Nachdruck von dem braven Martin Luther, der immer versöhnlich wirken wollte — — versöhnlich! Wie findest Du das? War natürlich nur ein Seitenhieb auf den Ober- und Unterkiefer, sozusagen, Maulschelle!‘ und zitiert seinen Katechismus: ‚Gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen!‘

      Dabei fixiert er erst mich, dann die brave Dorothee! Weisst Du, da ging mir die Galle über. Habe ich etwa den ganzen Spektakel, diesen elenden Zores angefangen? Also Ehre dem Ehre, und der Rüffel dem, der den Rüffel verdient. Ich drehe mich forsch um und mache ganz laut: ‚Hm!‘ Na, und die Ollsche neben mir schnellt daraufhin ebenfalls herum und starrt mich an. Da mache ich noch einmal ebenso laut: ‚Hm!‘ und was meinst Du, was passiert? Die alberne Gans bezieht das auf sich, was doch in erster Linie der Kandidate auf sich beziehen sollte, reisst ihren Kodder von Schnupftuch heraus und beginnt zu weinen, als habe sie der Bock gestossen. Weisst Du, Jürgen, das ist mir denn doch zu viel geworden. Das Gezanke und Gebelfere, selbst der ständige Kriegsfuss, auf dem unsere Leute widereinander tobten, sogar das Knechte- und Mägdeverhetzen habe ich mir gefallen lassen und gesagt: ‚Christiansen,‘ sagte ich, ‚das hilft alles nichts. Wir schütteln uns wie die Pudel. Wenn Sie uns auch wie dem Meister Knieriem das Dreibein unter dem Leibe wegschiessen, so bleiben uns noch unsere eigenen Füsse, um desto fester auf den Unterkiefer loszutrampeln!‘ Aber weinen? Nein, das kann ich in den Tod nicht leiden, wenn ein Frauenzimmer weint. Das geht mir auf die Nerven. Da nehme ich Reissaus. Weiss der Kuckuck! Der liebe Herrgott muss uns Kerls noch einen sechsten Sinn gegeben haben, zum Tort! Die Stelle, wo wir Starken den Schwachen gegenüber zu Waschlappen werden! Das findest Du vielleicht verächtlich? Na, ich bin immer eine ehrliche Haut gewesen und gebe jede Schuld zu, soweit sie an mir liegt. Dass ich ‚Hm!‘ sagte, war zum erstenmal ganz gerechtfertigt, denn der Kandidate hatte mich provoziert! Aber ich hätte es nicht zweimal sagen dürfen! Das war zuviel. Solch eine Wiederholung war ein testimonium paupertatis, das ich mir selber ausstellte. Als geistreicher, alter Mensch hätte ich ja auch noch etwas anderes sagen können, was nicht so ehrenrührig auf sie wirken musste. Aber dies nur unter uns. Die alte Hexe selber darf nie etwas von solcher Busse ahnen. Und das Feld räume ich auch nicht! Nun drehe ich den Spiess um und spiele krank und reise nach Monte Carlo, oder nach Ungarn auf die Bärenjagd, wo ich mich von den hiesigen Strapazen erholen will. Du bist ja Unparteiischer. Kletterst dann harmlos wie ein weisses Kaninchen in diese Arche Noah von Beestern hinein und siehst, ob Du sie gleich Daniel in der Löwenhöhle zähmen kannst! Sollst ja so schön Waldhorn tuten! Das stimmt musikalische Menschen wehmütig und unmusikalische bringt es unter die Erde. Also blas man. Zur Beisetzung der Alten komme ich zurück, sonst nicht. Den Schlüssel zu meinem Gewehrschrank lege ich unter das Postament von der Venus, weisst Du jene, die neben den fehlenden Armen auch noch einen Querriss durch den Buckel hat, die kann ihn