Punkt. Sie behielten ihre Körperform, ihren Verstand.« Breel blickte in die Runde. »Können Sie folgen?«
Sie nickten alle drei.
»Sehr schön. Sehen Sie, Ihr Verstand funktioniert noch! Wenn Sie im Biologieunterricht gut aufgepasst haben, wissen Sie, dass der Körper Verletzungen möglichst schnell reparieren will, indem er neues Gewebe schafft, das beispielsweise Risse flicken und verschließen soll. Das wird bei Ihnen nicht anders sein als bei uns, unsere Organismen unterscheiden sich in der Hinsicht wohl nicht so sehr. Dies geschah auch bei meinen Vorfahren. Die Körperchemie versuchte, die Mutationen einzudämmen, und hatte Erfolg, jedoch mit bösen Konsequenzen. Bösen erblichen Konsequenzen.«
Er deutete auf sein Gesicht. »Wir sind am ganzen Körper mit permanent wachsenden Wucherungen übersät, die das Dunkelleben in uns am eigenen Wachstum und der Ausbreitung hindern. Immerhin sind es zu annähernd hundert Prozent nur Hauttumore; die inneren Organe und das gesamte vegetative System sind weitgehend intakt. Die Tumore sind trotzdem bösartig und wachsen innerhalb von Stunden bis zu zwei Zentimeter.«
Er hob den Helm hoch. »Damit wir nicht innerhalb eines Tages völlig bewegungsunfähig werden, tragen wir diese Rüstungen. Es sind Medoeinheiten, die zu Raum- und Kampfanzügen weiterentwickelt wurden. Integraler Teil des Schutzsystems sind Hunderttausende Nanomaschinen, die sich ununterbrochen über unseren ganzen Körper bewegen und mit Mikroklingen von nur wenigen Atomen Dicke permanent die Geschwüre wegschneiden.«
Wieder dieses kurze Blitzen dort, wo die Zähne sein mochten, gleichzeitig bebte die Augenpartie. »Sie können sich vorstellen, wie schmerzhaft das ist. Fortwährend. Es gibt niemals eine Pause. Uns ist höchstens mal eine Talwelle vergönnt, die ein wenig Erleichterung schafft, doch darauf folgt unweigerlich wieder die Flut. Trotz aller Anpassungen und Weiterentwicklung ist es uns nicht gelungen, den Schmerz abzustellen und unempfindlich zu werden. Das Dunkelleben lässt das nicht zu, denn ständig versucht es, uns zu überwältigen. Daher benötigen wir pausenlos eine Zufuhr von Medikamenten, jeweils sorgsam dosiert und mit wechselnden Inhaltsstoffen, die uns zwar abhängig machen, aber ihre Wirksamkeit trotzdem beibehalten. Ab und zu genügen sogar lokale Betäubungen, das Anzugsystem überwacht das stetig, berechnet und steuert die individuellen Verabreichungen. Wir leben nie ohne Schmerz, aber wir lernen, ihn zu ertragen – solange das System geschlossen ist.«
Rhodan brannten eine Menge Fragen auf der Zunge, doch er durfte sich nicht verraten. Er war offiziell willenlos und konnte daher nur antworten, wenn er gefragt wurde. Er würde keine Neugier zeigen.
Vor allem durfte er sich verdammt noch mal nicht kratzen, obwohl es mittlerweile im ganzen Gesicht abscheulich juckte! Thoras Finger zuckten ebenfalls, auch sie kämpfte mit sich. Spürte Montoya das denn nicht? Würde sie sich wenigstens einmal mit der Hand ins Gesicht fassen, könnte er es ihr gleichtun! Aber sie regte sich nicht. Stand da wie eine Schaufensterpuppe mit silbernen Haaren.
»Und nun kommen wir zu dem Punkt, warum ich Ihnen das alles erzähle«, sagte Breel. »Mit dem niedergeschlagenen Aufstand haben Sie zwar bereits erlebt, dass wir keine Skrupel kennen. Wir sind trotzdem keine gewissenlosen Mörder, das wäre sehr dumm, denn schließlich sind Sie unser Kapital. Das sollte Ihnen inzwischen bewusst geworden sein. Wir wollen nicht nur Ihr Raumschiff und Ihre Technik, sondern wir wollen auch Sie, und zwar alle.«
Aber wofür denn nur?, fragte sich Rhodan. Breel hatte das bereits mehrfach erwähnt, aber wie meinte er es? Dass die versklavten Menschen bis zum Ende ihres Daseins in irgendwelchen hochgiftigen Minen mit einer Spitzhacke schuften sollten, war wohl kaum vorstellbar. Ressourcen, Technik, hoch entwickelte Raumer wie die CREST II waren nachvollziehbar begehrt, aber Lebewesen? Was wären die schon in klingender Münze wert?
»Und weil wir Sie möglichst gesund erhalten wollen und keinen Wert auf ermüdende und unsinnige Kämpfe legen, die nur Opfer fordern, haben wir Sie gefügig gemacht. Das ist gut für Sie und für uns. Denn, kommen wir noch einmal auf den Kern meiner Offenbarung über die Druuwen zurück, wir kennen keine Gnade. Wir sind nur innerhalb unseres Familienverbands einander verpflichtet, und der Familie gilt auch unsere ganze Loyalität. Der Fortbestand der Druuwen ist das Einzige, was für uns zählt, das Individuum jedoch eher weniger. Die Familie insgesamt ist unser Zentrum. Denn, Sie können es sich denken, infolge all dieser körperlichen Beeinträchtigungen erreichen wir kein hohes Alter. Die Ältesten von uns werden vierzig. Ob man überhaupt so alt werden will, ist eine andere Frage. Denn irgendwann werden auch die inneren Organe angegriffen, und das Ende ist wirklich nicht schön. Noch unvorteilhafter als unser Anblick. Deshalb bedeutet uns ein individuelles Leben gar nichts. Wenn es zum Kampf kommt, fürchten wir den Tod nicht, der ist uns jederzeit willkommen. Und damit schlage ich den Bogen zum Anfang.«
Zakhaan Breel richtete die letzten Worte direkt an Rhodan. »Wir verhandeln nicht. Wir handeln.« Damit setzte er den Helm wieder auf.
Und Perry Rhodan wusste nach wie vor nicht, was dieses Akschia bedeutete. Seine Seele, seine Lebenskraft, seine Unversehrtheit?
7.
Aufbruch
Sarah Maas aktivierte ein Kommunikationshologramm. Dabei gähnte sie unverhohlen und ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Die anerzogenen Verhaltensregeln waren durch den Parasiten anscheinend außer Kraft gesetzt.
Perry Rhodan bezweifelte ohnehin, dass die bei den Druuwen irgendwelchen Eindruck geschunden hätten. Für menschliches Miteinander interessierten sich die Piraten ganz sicher nicht.
Ihm brannten so viele Fragen auf der Zunge, aber er durfte sie nicht stellen. Er musste einen anderen Weg finden, um Antworten zu erhalten. Eine Gelegenheit bot sich sicherlich noch. Es sei denn, die Unterkünfte würden allesamt mit Sperrgittern versiegelt und zu echten Gefängnissen.
Erneut gähnte Maas herzhaft, bevor sie sagte: »Rufus Darnell aus der Maschinensektion meldet sich.«
»Eine Frage, bevor Sie durchstellen«, beschied Zakhaan Breel. »Dieses Mundaufreißen, was hat das zu bedeuten?«
»Sie ist sehr müde«, kam es von Gabrielle Montoya, die sich anscheinend für solche Informationen verantwortlich fühlte. Etwas von der Ersten Offizierin war noch in ihr verblieben. »Die Tagschicht beginnt bald, und sie hat zwei Schichten durchgearbeitet.«
»Verstehe. Geetz, fühlen Sie sich schon in der Lage, die Station zu bedienen?«
»Ja, Sir.« Mit Sicherheit sprach der Druuwe seinen Vorgesetzten mit einem anderen Ehrentitel an als mit dem in der Terranischen Flotte üblichen »Sir«. Aber das fortwährend aktive Translatorsystem der CREST II übertrug die fremde Sprache automatisch ins Englische.
»Gehen Sie, Maas. Begleiten Sie den Wachmann an der Tür, er bringt Sie zu einer Unterkunft. – Wer hätte nun Dienst?«, fragte er Montoya.
»Normalerweise Maas, aber in dem Fall sollte wohl die zweite Schicht übernehmen. Das wäre dann Arnas Darmuni.«
»Oinyin, sobald Sie Maas abgeliefert haben, treiben Sie Arnas Darmuni auf und kommen Sie zurück.«
Mit regloser Miene und leerem Blick verließ Maas ihren Platz. »Ich bin auch hungrig«, stellte sie fest.
»Sie können sich frei bewegen. Essen Sie, trinken Sie, gehen Sie schlafen – ganz, wie Sie es gewohnt sind. Wir wollen Sie bei bester Gesundheit erhalten.« Breel war nicht fürsorglich, es war eine Anweisung gewesen, damit Maas auch wirklich ihren Grundbedürfnissen nachkam.
Rhodan begriff, dass die Halteparasiten den eigenen Willen komplett unterdrückten. Ohne Befehl wurde nichts unternommen.
Der Druuwe Geetz nahm Maas' Platz ein und schaltete die Verbindung frei.
Rufus Darnell wurde im Komholo sichtbar, sein Antlitz war genau wie bei allen anderen von Flechtwerk und Moos überzogen. Deshalb störte er sich wohl auch nicht an der Wartezeit, denn normalerweise hätte er sich beschwert. Neben ihm stand ein Druuwe, der ihn offensichtlich unter Kontrolle hielt.
»Das Schiff ist startbereit«, verkündete der Chefingenieur. »An den Waffensystemen müssen wir noch arbeiten. Aber das können wir unterwegs erledigen.«