veranlaßt wurden ... Es geschehe auch, daß der Schwiegervater eine Beischläferin fälschlich beschuldigt, mit andern unerlaubten Umgang gehabt zu haben, und die Schwiegereltern und der Mann selbst sie gewaltsam zu unsittlichen Zwecken zum Verkauf bringen ... Von allen widerlichen und empörenden Handlungen ist diese sicherlich die schlimmste ...“
„Strafbar ist“ — heißt es dann in einer Verfügung des Gouverneurs:
1 „Die Entführung von Frauen und Mädchen oder der Versuch derselben.
2 Der durch den beabsichtigten zwangsweisen Verkauf von Witwen, Beischläferinnen und Mädchen zu unsittlichen Zwecken herbeigeführte Selbstmord derselben.
3 Der Verkauf von Witwen und Beischläferinnen durch die Schwiegerväter ...“
Die Strafen, die für diese Verbrechen festgesetzt sind, sind Tod durch Enthauptung oder Erdrosselung. Übrigens nimmt es der Staat mit der Erkenntnis, daß diese Behandlung der Frauen „die schlimmste aller widerlichen und empörenden Handlungen“ sei, nicht allzu genau. Er deportiert die weiblichen Angehörigen politischer Verbrecher meist nach dem Süden des Reiches, um einen schwunghaften Handel mit ihnen zu treiben, von dem er selbst nicht weniger profitiert als die dortigen zahlreichen Bordelle. Der Preis einer solchen Unglücklichen schwankt zwischen 50 und 100 Dollar. Ob diese Maßregeln geeignet sind, die politischen Verbrecher zu Patrioten zu erziehen, möge eine offene Frage bleiben.
Betrachten wir aber das Land des Fortschritts, das Land, in dem die Zivilisation in den letzten Jahrzehnten ihre größten Triumphe gefeiert — Amerika, und zwar die Vereinigten Staaten, in denen jener unerhörte wirtschaftliche Aufschwung zu verzeichnen ist. Sie ernähren eine ungeheure Zahl von Mädchenhändlern, Kupplerinnen, Bordellinhaberinnen mit allen ihren Trabanten, deren Namen und Würden in jedem Strafgesetzbuch figurieren. Die Bordelle in New York, Chicago und San Francisco beherbergen Mädchen aus allen Ländern der Erde, am wenigsten — Amerikanerinnen. Die meisten Insassinnen dieser Häuser sind gewerbsmäßige Dirnen, die sich freiwillig aufnehmen ließen. Allein diese Freudenhäuser schließen neben diesen Mädchen unzählige Opfer in sich ein, die durch List und Gewalt aus ihrer Heimat über den Ozean geschleppt und hier der Schande preisgegeben werden. Die Art und Weise, wie die Unglücklichen gefangen werden, ist schon so oft erörtert worden, daß es wohl unnötig ist, diesem Punkt eine längere Auseinandersetzung zu widmen. Eine Annonce in der Zeitung, in der ein Zimmermädchen, eine Köchin, Gouvernante oder Gesellschafterin zu sehr hohem Gehalt für das Ausland gesucht wird, ein Verhältnis mit einem eleganten Mann, der das Opfer nötigenfalls auch heiratet, um es erst in einem andern Weltteil, wenn es völlig in seiner Gewalt ist, erkennen zu lassen, daß es die Beute eines Sklavenhändlers geworden — das sind die gewöhnlichsten Mittel, deren sich die Mädchenhändler bedienen. Einmal im Ausland, ist den Mädchen, infolge ihrer Unkenntnis der Sprache, eine Verständigung mit den Mitreisenden, die den Opfern eventuell die Augen öffnen könnten, erschwert, ja unmöglich gemacht.
M. v. Brandt („Sittenbilder aus China“) schreibt charakteristisch: „Der Zweck der chinesischen Ehe ist ausschließlich die Erziehung eines männlichen Nachkommen, der bei dem Tode des Vaters die Waschung des Leichnams desselben vornehmen kann.“ Die Heirat vollzieht sich als Handel. Von den Nebenweibern wird dies als selbstverständlich zugestanden. Dagegen will man in China nichts davon wissen, daß auch die „rechte“ Frau „gekauft würde“. Die Beischläferin allein wird „gekauft“. Der Preis, der für sie bezahlt wird, heißt „Körperpreis“. Das Geld, das für die Frau gegeben wird, heißt jedoch „Verlobungsgeschenk“. Diese Logik, die wohl ein Wort — aber keine Begriffsänderung mit sich bringt, ist wenig einleuchtend. Was unser Autor über die Beziehungen zwischen Mann und Frau schreibt, trägt auch keineswegs dazu bei, die Ansicht zu erwecken, als vollziehe sich die Ehe in China unter irgendwelchen sittlichen Auspizien. Um die Ehe zu vermeiden, werden die Mädchen Nonnen oder begehen Selbstmord. „Der Begriff, die Frau als Gefährtin des Mannes,“ heißt es in den „Chinese characteristics“, „fehlt in China fast vollständig, und solange die Gesellschaft dort in ihrer jetzigen Form bleibt, kann sie es auch nie werden. Eine junge Frau hat in der Familie, in die sie eben eingetreten ist, sichtbare Beziehungen zu niemandem weniger als zu ihrem Manne. Er würde sich schämen, mit ihr sprechend gesehen zu werden, und es scheint, als wenn beide in der Beziehung wirklich nicht oft Veranlassung haben, sich zu schämen. In den seltenen Fällen, in denen ein junges Paar soviel gesunden Verstand hat, um zu versuchen, miteinander bekannt zu werden, und den Anschein erweckt, als wenn es seine Gedanken austauscht, bildet es den Gegenstand des Spottes für die ganze Familie und ein unlösbares Rätsel für alle Mitglieder derselben.“
An diese Stelle gehört noch die „Totenehe“. Eine Witwe darf oder soll in China nicht mehr heiraten. Denn sie ist und bleibt die Gattin des Toten. Geschieht es aber doch — was höchst selten passiert —, daß eine Witwe aus guter Familie sich wieder verehelicht, so tritt an sie der Wunsch heran, für den Toten eine andere Gattin zu finden, damit der Platz derselben auf der Familienbegräbnisstätte und im Ahnensaal nicht unausgefüllt bleibe. Für Geld versteht sich dann wohl auch die Tochter einer armen Familie zu einer solchen Ehe, die als völlig rechtmäßig angesehen wird. — In einzelnen Teilen Rußlands herrscht der regelrechte Frauenraub. Im übrigen besteht im allgemeinen der Frauenkauf. Die unsittliche Form der Ehe hat auch Tolstoi veranlaßt, die noch viel unsittlichere „Kreuzersonate“ zu schreiben. Denn ein Volksphilosoph, der die Ehe an sich, also den Geschlechtsaustausch, als eine Unsittlichkeit bezeichnet, ist aus dem Rahmen des Naturbegriffes ausgetreten und verdient darum schon bekämpft zu werden, weil die zivilisierte Welt begierig solche Grundsätze aufschnappt, die, je weiter sie sich von aller Natürlichkeit entfernen, um so ungefährlicher dem Gebäude ihrer Moral sind, weil niemand sich zu ihnen bekehren wird.
Bei den slawischen Völkern überhaupt besteht Frauenkauf oderraub, besonders noch in Montenegro. Doch schreibt das montenegrinische Recht (§ 10): „Folgt ein Mädchen dem ledigen Manne freiwillig ohne Vorwissen der Eltern, so kann man ihr nichts anhaben, da sie die Liebe selbst verband.“
Kaibara Ekken schreibt über die Japanerin: „Eine Frau soll stets ängstlich darauf bedacht sein, auf sich selbst streng zu achten. Sie stehe morgens früh auf und gehe abends spät zu Bett. Sie schlafe nicht am Tage und besorge die Angelegenheit im Hause. Sie soll emsig weben, nähen, Hanffäden drehen und spinnen. Auch darf sie nicht viel Tee, Sake und andere Dinge trinken. Theater und Gesang, Vortrag von Theaterstücken und dergleichen lose Dinge soll sie nicht anhören und ansehen. Zu den Shinto- und Buddah-Tempeln und überhaupt nach allen Orten, wo viele Leute zusammenströmen, soll sie, wenn sie nicht in den Vierzigern ist, nicht oft hingehen.“
In Ägypten äußert sich die Ehe, wie Herodot berichtet, meist in monogamer Form: „In Ägypten nimmt der Priester nur eine Frau. Jeder andere, soviel er will.“ (Hist. Bibel, 1, 80.) Es scheint aber, daß die Freiheit wenig beansprucht wurde, denn auch Gustav Klein berichtet in seiner „Allgemeinen Kulturgeschichte“: „Die Ehe war sehr heilig, und die Stellung der Frau eine würdige.“ Ebers setzt hinzu: „Wenn es wahr ist, daß man die Höhe der Kultur eines Volkes nach der mehr oder minder günstigen Stellung, welche es den Frauen anweist, beweisen darf, so läuft die ägyptische der Kultur aller andern Gesellschaften den Rang ab.“ Verschiedene Gesetze weisen auf die Hochschätzung der ägyptischen Frauen hin. Wer eine Frau mit Gewalt ver- oder entführt, wurde entmannt. Keuscher noch als es je die christlichen Regeln den Mönchen vorschrieb, lebten die ägyptischen Priester. Man kannte auch weibliche Klöster, so das Kollegium der heiligen Jungfrauen am Ammonstempel zu Theben.
Bei der Verehrung der Frau im alten Ägypten ist es natürlich interessant, wie das Volk die Ehe auffaßte. Hören wir, was Ploß in „Natur und Völkerkunde“ darüber schreibt: „Im alten Ägypten konnte ein Mann ein Mädchen zu seiner ‚Genossin‘ machen. Dies war eine Art Probeehe, welche ein Jahr lang dauern durfte. Nach Ablauf dieser Zeit konnte die Genossin wieder entlassen werden.“ — Diese Sitte, die uns geradezu unverständlich ist und gewiß unsittlich erscheint, konnte also nichts an der hohen ästhetischen Auffassung vom Weibe ändern, im Gegenteil, die sexuelle Freiheit und jeder Mangel an Heuchelei befestigten diese Hochschätzung. Von der heiligen Prostitution der Babylonierinnen wurde die Keuschheit der Frau in der Ehe niemals berührt, wie Herodot ausdrücklich bemerkt. — Über die