(bei dieser Anführung ließ sich durch die ganze Versammlung der Ausdruck des Unwillens vernehmen). Der Kläger, dies bemerkend, fuhr fort: Ich fühle, daß die Details, zu welchen ich gezwungen bin, von einer Art sind, daß ich in Gefahr komme, mir Euren Unwillen zuzuziehen. Aber ich muß Eure Herrlichkeiten bitten, nicht zu vergessen, daß es meine Pflicht ist, klar, obschon mit möglichster Dezenz, die Sachen, wie sie sind, darzulegen.
Ihro Majestät blieb bis März des folgenden Jahres in Neapel und setzte während dieser ganzen Zeit ihren ehebrecherischen Umgang mit Bergami fort. Von Neapel reiste sie nach Rom, Civitavecchia und Genua. Durch Zeugen läßt sich beweisen, daß in Genua die Königin den Bergami stets in einem mit dem ihrigen in Verbindung stehenden Zimmer wohnen ließ, daß die Kammerfrauen alle Morgen das Bett der Königin ungebraucht fanden, so daß sie nur die Decke desselben ein wenig wieder in Ordnung zu bringen hatten, und daß sich in Bergamis Bette die unverkennbaren Spuren davon zeigten, daß zwei Personen darin übernachtet hatten. —
Auf dem Schiffe Leviathan, mit welchem sie die Überfahrt nach Sicilien machte, spazierte sie häufig mit Bergami auf dem Verdeck umher und gab ihm überhaupt viele Beweise ihrer Zuneigung. In Messina, wo sie bis zum 6. Januar blieb, dauerten die gegenseitigen Vertraulichkeiten fort. Hier sahen sie die Kammerfrauen im tiefsten Negligé aus Bergamis Zimmer kommen und hörten, wie sie ihn mit den zärtlichsten Benennungen, z. B. „mein Herz, mein Freund“ usw. ansprach.
Als Kapitän Peachell, der die Klorinde führte (auf welchem Schiffe die Königin sich am 6. Januar einschiffte), sich weigerte, den Bergami mit an seinen Tisch zu nehmen, fragte ihn die Königin um die Ursache, und Peachell antwortete: „Weil er noch im vorigen Jahr hinter meinem Stuhle stand.“
In Syrakus und in Catania sah man die Königin im Negligé aus Bergamis Zimmer kommen, unter dem Arm ein Kopfkissen tragend, auf welchem sie gewöhnlich zu ruhen pflegte. Hier verschaffte sie dem Bergami das Malteserkreuz.
Von Catania begab sich die Königin nach Augusta. Hier mietete sie eine Polacre und begann ihre Seereise. Auf dem Schiffe ließ sie ihr Schlafkabinett so einrichten, daß sie, wenn sie sich in ihrem Bett befand, Bergami in dem seinen sehen konnte. In Tunis und Utica kam der Bergami sehr häufig in das Kabinett der Königin, noch ehe diese sich erhoben hatte. In Savona, wo die Königin am 12. April 1816 ankam, hat man die überzeugendsten Beweise von der Fortsetzung ihres ehebrecherischen Umganges mit Bergami gesammelt. Sie schlief daselbst niemals in ihrem Bette, und das von Bergami zeigte fortwährend die Spuren, daß immer zwei Personen darin geschlafen hatten.
Von Afrika begab sich Ihro Majestät nach Athen und hielt sich einige Zeit in Milo auf. Von Athen begab sich die Königin über Konstantinopel nach Epheus. Hier bereitete man ihr ein Schlafzimmer in der Vorhalle einer alten, mit Bäumen umgebenen Kirche. Hier speiste sie auch mit Bergami und saß gewöhnlich auf einem kleinen Reisebette, Bergami aber neben demselben auf der Erde. Nach Tische blieb er immer eine geraume Zeit mit ihr allein. Von Epheus reiste Ihro Majestät nach Aume in Syrien. Hier ergaben sich noch mehrere Beweise für den strafbaren Lebenswandel der Königin. Man errichtete ein Zelt für Ihro Majestät und setzte ein Bett hinein. Auf diesem lag die Königin halb ausgezogen, und Bergami, gleichfalls im Negligé, saß daneben und blieb beträchtliche Zeit bei ihr. Von hier ging der Weg nach Jerusalem und von da nach Jaffa. Da es sehr heiß war, so wollte Ihro Majestät nicht in der Kajüte schlafen und ließ sich daher auf dem Verdeck ein Zelt aufschlagen, in welchem ihr Bett ganz nahe und ohne Zwischenwand bei dem von Bergami stand. So schliefen sie beide ohne Unterbrechung alle Nächte bis zur Rückkehr nach Italien. Am Tage wurde das Zelt gewöhnlich geöffnet, um frische Luft einzulassen. Aber zuweilen ließ sie es am hellen Tage zumachen und blieb dann geraume Zeit mit Bergami allein in demselben. An Bord des Schiffes nahm die Königin zuweilen ein Bad, und dann war Bergami der Einzige, der sie dabei bedienen und bei ihr bleiben durfte.“
Am 19. Juli hatte die Krönung des Königs in der von Glanz und Herrlichkeit funkelnden großen Festhalle von Westminster stattgefunden.
Auch Königin Karoline kam angefahren und versuchte, begleitet von Lord Hood, ihrem Kammerherrn, in die Halle zu dringen. Aber man wies sie zurück, weil sie keine — Eintrittskarte vorzeigen konnte. Keine Hand und keine Zunge rührte sich für die Unglückliche. Wo waren denn die Tausend und Hunderttausenden, die wenige Monate zuvor nicht hatten müde werden können, zu brüllen: „Die Königin für immer!“ Ach, sie waren auch heute wieder da, aber sie gafften stumm und teilnahmslos.
Das war zu viel für die arme Frau. Am Abend des 30. Juli erkrankte sie plötzlich in ihrer Loge im Theater. Sie hatte ein Glas Limonade getrunken, und es wird erzählt, ohne jedoch verbürgt zu sein, daß sie, als schon am Morgen darauf ihre Krankheit den bedenklichsten Charakter angenommen, ausgerufen habe: „Der König hat mich vergiften lassen!“ Sterbend verzieh sie ihren Feinden, setzte ihren Adoptivsohn Austin zum Haupterben ein und verordnete, daß man sie daheim in Braunschweig begraben sollte. So verschied sie am 7. August 1821. Für die Tote erwachte die Teilnahme des Volkes wieder. Es zwang den Leichenkondukt statt um die City herum, mitten durch diese zu gehen, und noch bei der Einschiffung des Sarges zu Harwich umbrüllte die Menge denselben mit dem wütenden Ruf: „Die Königin! Die gemordete Königin!“ Georg IV. überlebte seine Frau fast noch um volle neun Jahre, die er, ziemlich menschenscheu geworden, im Kreise seiner männlichen und weiblichen Günstlinge meist in Windsor verbrachte.“ (Scherr, Karoline von England.)
Es ist hier nicht der Platz, festzustellen, wie weit diese unglückliche Königin, die Gattin eines monströsen Narren, wirklich „gefehlt“ hat. Es gilt hier nur zu sagen, daß die Hörigkeit der Frau in der Tat manchmal die schrecklichsten Formen annahm — (und annimmt) — der Zivilisation zum Trotz, die bekanntlich schon 1820 zitiert wurde.
Man erinnert sich unwillkürlich der anmutigen Schwester König Georg III. von England, der Prinzessin Karoline Mathilde, nachmaliger Königin von Dänemark, Gattin des verrückten Christian VII. 1766 berichtete der englische Gesandte seiner Regierung über die Ankunft der „fünfzehnjährigen“ Braut: „Die Prinzessin gewinnt, wo sie sich zeigt, Beifall und Liebe. Ihre nähere Umgebung preist übereinstimmend und aufs höchste ihre Gemütsart und ihr Benehmen.“
Im Herbst desselben Jahres wird die — betonen wir es: — fünfzehnjährige Engländerin die Gattin des Königs. Der französische Gesandte berichtet nach Paris:
„Die Prinzessin hat auf das Herz des Königs fast gar keinen Eindruck gemacht. Wäre sie noch liebenswürdiger, sie hätte dasselbe Schicksal. Denn wie könnte sie einem jungen Fürsten gefallen, der allen Ernstes glaubt, es gehöre nicht zum guten Ton (n’est pas du bon air), seine Frau zu lieben?“
(Vielleicht muß man hier bemerken, daß Christian diese Sitte aus Paris übernommen hat. Im übrigen war das die Zeit, in der Ludwig XV. kleine Mädchen in Frankreich zusammenkaufen und zusammenrauben ließ, um sich an ihren jungen Körpern zu „erwärmen“. Diese armen Sexualhörigen wurden im königlichen „Hirschpark“ für den „Sohn des göttlichen Ludwig“ zurechterzogen.)
Nachdem die Königin lange Jahre hindurch dem König die Treue gehalten hatte, obgleich sie zusehen mußte, daß er im Verkehr mit Maitressen unter wüsten Bacchanalen immer mehr verblödete, lernte sie Struensee, den Leibarzt des Gatten, kennen und lieben. Struensee war nicht unsympathisch, die Königin mehr als liebenswert. Aber schließlich siegte die Hofkabale, eine Palastrevolution entstand, Struensee, der inzwischen Minister geworden war, wurde verhaftet, und nun lassen wir Johannes Scherr das Wort, dem Autor der „Menschlichen Tragikomödien“:
„Aus dem Schlafzimmer des Königs eilt Ranzau (einer der Verschworenen) nach dem der Königin. Eickstedt und andere Offiziere begleiten ihn auf diesem Gang. Es hat aber im Schlosse schon Lärm genug gegeben, um die arme Mathilde zu wecken. So wurde sie wenigstens nicht im Schlafe überfallen, und sie hat bei der jetzt folgenden abscheulichen Szene einen Mut entfaltet, welcher Zeugnis gibt, daß in dieser Frau etwas von dem Stoffe gewesen, aus welchem Heldinnen gemacht sind. Aber sie war ja nicht in einer Epoche des Heroismus geboren, sondern in einer Epoche gewissenloser Intrige und erzstirniger Brutalität. Es hat auch die letztere in dieser ganzen Zeit sicherlich nie brutaler sich geoffenbart als zu dieser Stunde, wo der wüste Ranzau und seine Spießgesellen die unglückliche Königin gefangen nahmen.