„Mit minniglichen Tugenden“, heißt es im Nibelungenlied von Crimhilden, „grüßte sie Siegfrieden.“ „Ihr ward erlaubt zu küssen den weidlichen Mann“ und „in Züchten viel Verneigen hat man gesehen an und minnigliches Küssen von Frauen wohlgetan.“
Nach den englischen Gesetzen wurden verheiratete Frauen nicht nur als Eigentum der Männer angesehen, sondern auch als Kinder, die keinen Willen hatten, oder als Sklavinnen, die ihren Willen dem Willen des Herrn unterwerfen mußten. Ein Engländer, der seiner Frau überdrüssig war, konnte sie öffentlich wie ein Stück Vieh verkaufen. Wobei freilich stillschweigend vorausgesetzt wurde, daß die Frau damit zufrieden war, sich verkaufen zu lassen. Es kamen in jener Zeit nicht wenig solche Fälle vor, von welchen wir nur anführen: Ein Herzog kaufte die Frau eines Kutschers, in Worcester kaufte ein Schuster die Frau eines Taglöhners, die an einem Strick um den Hals auf den Markt geführt und gegen fünf Pfund Sterling ihrem Käufer übergeben wurde. Die englischen Gesetze erkannten so wenig einen eigenen Willen verheirateter Frauen an, daß sie bei gemeinschaftlichen Verbrechen von Eheleuten nur allein den Mann, nicht aber die Frau straften und auch den Mann für die Schulden und kleineren Vergehen der Frau haften ließen.
In Alt-England gab der Vater seiner Tochter bei ihrer Verehelichung nicht allein keine Mitgift, er erhielt vielmehr von dem Bewerber einen Kaufschilling bezahlt. „Die Kaufehe“, schreibt Eugen Dühren in seinem „Geschlechtsleben in England“, „hat sich in Britannien bis zum 19. Jahrhundert erhalten. In den ersten Dezennien desselben kamen Frauenverkäufe noch relativ häufig vor. — In einem Artikel in: „All the year round“ vom 20. Dezember 1884 wurden über 20 Fälle in den letzten Jahren mit Namen und allen Einzelheiten betreffs der zwischen 25 Guineen und einem halben Peit Bier oder einem Penny und einem Mittagsmahl wechselnden Preis für eine Frau aufgezählt. Sehr häufig kam die Kaufehe im 18. Jahrhundert, besonders gegen Ende desselben und zu Anfang des 19. Jahrhunderts vor.“
Die betreffende Frau wurde gewöhnlich auf dem sogenannten Haymarkt verschachert. Der Käufer hatte das Recht, sie als Gattin — gleichbedeutend mit Sklavin — zu betrachten und zu behandeln. Heute, sollte man meinen, ist dergleichen wohl nicht mehr möglich. Und doch kam — im Jahre 1904! — ein derartiger Fall vor den Untersuchungsrichter im Londoner Bezirk West-Ham. Die „Zeit“ in Wien berichtete darüber in einem Londoner Brief. Anna Gibson, ein schmuckes Weib von 28 Jahren, fühlte sich bei ihrem Manne, dem sie im Jahre 1895 angetraut war, nicht glücklich. Sie verließ ihn daher und vermietete sich bei einem Metzger namens Thomas Gosford, den ihre Reize so bestrickten, daß er ihr einen Heiratsantrag machte. Als sie ihm mitteilte, daß sie bereits die Besitzerin eines Ehemannes sei, erwiderte er: „Das schadet nichts. Ich werde zu ihm gehen und ihm 25 Pfund Sterling für dich bieten, und wenn er damit einverstanden ist, werde ich sie ihm geben.“ Gesagt, getan. Gibson nahm das Anerbieten an, und der Handel wurde geschlossen. Im holden Monat Mai erschien das liebende Paar auf dem Standesamt zu Stratford, und Frau Gibson wurde fortan Frau Gosford. Aber durch einen Zufall kam die Sache heraus, und Frau Gibson-Gosford und ihr Käufer Thomas Gosford wurden vor den Untersuchungsrichter geladen. Sie gestanden alles ein, und der Richter verfügte, daß ihnen wegen des Vergehens der Doppelehe der Prozeß gemacht werden sollte.
Der Fall würde nicht besonders bemerkenswert sein, wenn nicht eben gleichzeitig der Umstand zu verzeichnen wäre, daß Mißachtung des Weibes, seine Behandlung als Ware in den ungebildeten Volkskreisen Englands nicht so selten ist. Allerdings hat die Unsitte in den letzten Jahrzehnten bedeutend nachgelassen, aber Sheffield zum Beispiel ist immer noch übel berufen wegen des häufig dort vorkommenden Verkaufes von Frauen, und auch im Osten Londons, wo Verkommenheit neben Armut herrscht, ist gar manches Eheweib um eine Quart Bier an einen andern Mann abgetreten worden. An die Öffentlichkeit kommen solche Verkaufsgeschäfte gewöhnlich nur dann, wenn irgendwelche Umstände zu einer gerichtlichen Verfolgung führen.
Ein öffentlicher Verkauf wurde noch im Jahre 1806 auf dem Marktplatz in Hull vollzogen. Der beschränkte Volksverstand hatte jedenfalls die kirchliche Auffassung, daß die Frau des Mannes Hab und Gut ist, zu wörtlich genommen und daraus das Recht für den Ehemann abgeleitet, dieses Stück Hab und Gut verkaufen zu dürfen. Das ist freilich eine Begriffsverwirrung der seltsamsten Art.
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Wir müssen an dieser Stelle einer Frau gedenken, die ein Beweis dafür ist, daß selbst die bevorzugteste Stellung ein Weib nicht vor der Gemeinheit des Mannes und vor der Dummheit ihrer Zeit retten kann, wenn nicht die von Männern gemachten Gesetze sie vor einem Schicksal bewahren, das die Gemahlin Georgs IV. von England betroffen hat.
Es ist vielleicht das dunkelste Schicksal einer hörigen Frau der Vergangenheit, denn diese Hörige war eine Königin, und ihre Peiniger waren Männer, die die höchste Bildung genossen hatten.
Folgendes ist — wörtlich — die Anklage, die einer der moralisch verkommensten Herrscher, einer der ekelhaftesten Kreaturen männlichen Geschlechts gegen eine unglückliche und anständige Frau — seine Frau — erhoben hat. Es ist unnötig, diese Anklage zu widerlegen. Ihr Ton, ihre Detaillierung zeigen die Niedrigkeit des Charakters dessen, der anklagt — und die Dummheit eines Zeitalters, in dem die Tugend ebenso englisches Nationaleigentum war wie heute.
Eine königliche Bordellkomödie
Am 21. August 1820 erhob der Attorney-General im Hause der Lords folgende Anklage des Königs gegen die Königin Karoline:
„Wie bekannt, reiste die Königin im Jahre 1814 aus England fort. Am 9. Oktober desselben Jahres kam sie in Mailand an, wo sie als Kurier einen gewissen Bartolomeo Bergami in ihre Dienste nahm, der damals gerade dienstlos, früher aber als Kammerdiener bei dem General Pino gewesen war. Es war in den ersten vierzehn Tagen des Aufenthaltes der Königin in Mailand, als sie den Bergami in ihre Dienste nahm. Bereits am 8. November kam die Königin in Neapel an, und folglich war damals Bergami höchstens drei Wochen im Dienste von Ihro Majestät. Wer könnte aber wohl glauben, daß in einer so kurzen Zeit sich schon ein vertrautes Verhältnis zwischen einer Person von so hohem Range und einem Domestiken anknüpfen konnte! Und dennoch läßt es sich durch Zeugen beweisen, daß der ehebrecherische Umgang der Königin mit dem Bergami bereits am Abend des 9. November seinen Anfang nahm. Schon am Tage ihrer Ankunft in Neapel hatte die Königin befohlen, daß der Knabe William Austin, ihr Adoptivsohn, nicht mehr wie bisher in ihrem Zimmer schlafen sollte. Am Abend des 9. November bemerkte eine der Kammerfrauen der Königin, daß diese bei ihrer Rückkehr aus der Oper ganz ungewöhnlich bewegt war. Unfern des Schlafkabinetts hatte sie ein anderes Kabinett, welches mit dem ihrigen in direkter Verbindung stand, einrichten und ein Bett hineinsetzen lassen. Man glaubte, dieses Gemach sei für William Austin bestimmt. Aber keineswegs, Bergami erhielt es. Die Kammerfrau, welche wie gewöhnlich, Ihro Majestät bedienen wollte, wurde zu ihrem großen Erstaunen abgewiesen, verwunderte sich aber noch mehr, als sie am andern Morgen sah, wie das Bett der Königin ungebraucht war, während das von Bergami aufs unverkennbarste zeigte, daß es zwei Personen zum Lager gedient hatte.
Dieser einzige Umstand würde schon vor einem Geschworenengericht den Ehebruch außer Zweifel stellen. Allein es ist meine Pflicht, die weiteren Umstände dieses unsittlichen Lebenswandels in ein noch näheres Licht zu setzen. Obschon Bergami noch immer bei der Tafel die Dienste eines Domestiken verrichtete und auf der Reise die eines Kuriers, so bemerkten doch die andern Dienstleute sehr wohl die unschickliche Vertrautheit, welche zwischen ihm und der Königin herrschte. Er frühstückte z. B. mit ihr allein in ihrem Kabinette, und man sah sie verschiedentlich mit ihm auf der vor ihrem Hause befindlichen Terrasse sich ergehen und ihm den Arm geben. Bei einem großen Feste, welches die Königin dem Murat und den Großen von Neapel gab, erschien sie unter verschiedenen, für eine ehrbare Frau unschicklichen Verkleidungen, und so oft sie diese wechselte, zog sie sich allein mit Bergami, ohne daß eine ihrer Kammerfrauen ihr folgen durfte, in das zum Umkleiden bestimmte Kabinett zurück. Lassen sich aber solche Vertrautheiten einer Dame von hohem Stande gegen einen Diener anders erklären, als durch die Voraussetzung eines ehebrecherischen Lebens?
Ich werde aber einen noch gewichtigeren Beweis aufstellen. Bergami wurde durch das Ausschlagen eines Pferdes verwundet und erhielt während seiner Krankheit die Erlaubnis, zu seiner Verpflegung einen seiner Bekannten ins Haus nehmen zu dürfen. Dieser Mensch schlief nahe bei Bergamis Zimmer und