Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau


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schwim­men konn­te, wenn es dazu ge­zwun­gen war, so ging ein Affe doch nur un­gern und nie frei­wil­lig ins Was­ser.

      Das Er­leb­nis mit der Lö­win hat­te üb­ri­gens eine Ab­wechs­lung in Tar­zans ein­tö­ni­ges Da­sein ge­bracht, das nur in der stumpf­sin­ni­gen Wie­der­ho­lung des Fut­ter­su­chens, Es­sens und Schla­fens be­stand.

      Der Stamm, zu dem er ge­hör­te, durch­streif­te eine Stre­cke von an­nä­hernd fünf­und­zwan­zig Mei­len längs der Küs­te und etwa fünf­zig Mei­len ins Bin­nen­land hin­ein. In die­ser Ge­gend zo­gen die Af­fen fast ohne grö­ße­re Un­ter­bre­chung hin und her; doch blie­ben sie ge­le­gent­lich auch mo­na­te­lang an ei­nem Ort. So­bald sie aber die schnel­le Wan­de­rung von Baum­kro­ne zu Baum­kro­ne auf­nah­men, durch­ma­ßen sie das gan­ze Ge­biet in we­ni­gen Ta­gen.

      Viel hing von der Fut­ter­ver­sor­gung, der Wit­te­rung und der Be­dro­hung durch Raub­tie­re ab. Ker­schak führ­te sei­nen Stamm oft auf wei­te Mär­sche, bloß weil es ihn lang­weil­te, an ein und der­sel­ben Stel­le aus­zu­hal­ten.

      Nachts schlie­fen die Af­fen auf der Erde, wo die Dun­kel­heit sie ge­ra­de über­fiel. Manch­mal be­deck­ten sie den Kopf, sel­ten den üb­ri­gen Kör­per, mit den großen Blät­tern des Ele­fan­te­nohrs. Wenn die Näch­te kalt wa­ren, la­gen sie zu zweit oder dritt an­ein­an­der­ge­schmiegt, um sich ge­gen­sei­tig zu wär­men, und so schlief Tar­zan alle die­se Jah­re hin­durch in Kalas Ar­men. Dass das rie­si­ge wil­de Tier die­ses Kind ei­ner an­de­ren Ras­se lieb­te, ist nicht zu be­zwei­feln, und auch er lieb­te die­ses große, haa­ri­ge Tier, wie er sei­ne jun­ge Mut­ter ge­liebt hät­te, wenn sie am Le­ben ge­blie­ben wäre.

      War er un­folg­sam, so knuff­te sie ihn al­ler­dings, aber sie war nie grau­sam ge­gen ihn, und sie lieb­kos­te ihn häu­fi­ger als sie ihn straf­te.

      Tu­blat, ihr Gat­te, hass­te ihn, und mehr als ein­mal war er nahe dar­an, sei­nem jun­gen Le­ben ein Ende zu be­rei­ten. Tar­zan ließ sei­ner­seits nie eine Ge­le­gen­heit vor­über­ge­hen, sei­nem Pfle­ge­va­ter zu zei­gen, dass er sei­ne Ge­füh­le voll er­wi­der­te. Und wenn er, ge­bor­gen in sei­ner Mut­ter Arme oder von den schlan­ken Äs­ten ho­her Bäu­me, ihn är­gern, ihm Ge­sich­ter schnei­den oder Schimpf­wor­te zu­ru­fen konn­te, so tat er es.

      Dank sei­ner hö­he­ren In­tel­li­genz und sei­ner Ge­schick­lich­keit konn­te er tau­send lose Strei­che er­sin­nen, die Tu­blat das Le­ben sau­er mach­ten.

      Früh in sei­ner Kind­heit hat­te er ge­lernt, aus lan­gen Grä­sern, die er dreh­te und an­ein­an­der knüpf­te, Stri­cke zu for­men, und die­se brach­te er so an, dass Tu­blat dar­über stol­per­te, wenn er nicht gar von ei­nem über­hän­gen­den Aste aus ver­such­te, ihm den Strick um den Hals zu le­gen.

      Beim Spie­len und durch al­ler­lei Ver­su­che lern­te er kräf­ti­ge Kno­ten und Fang­sch­lin­gen knüp­fen, und mit die­sen spiel­ten er und die jün­ge­ren Af­fen. Auch die­se ver­such­ten sei­ne Kunst nach­zuah­men, aber kei­ner von ih­nen war so er­fin­de­risch wie er. Ei­nes Ta­ges hat­te Tar­zan beim Spie­len ei­nem flie­hen­den Ka­me­ra­den sei­nen Strick nach­ge­wor­fen, in­dem er das Ende in der Hand be­hielt. Durch Zu­fall fiel die Sch­lin­ge um den Hals des lau­fen­den Af­fen, so­dass die­ser ge­zwun­gen war, ste­hen zu blei­ben.

      Tar­zan war über die­se Wir­kung ver­wun­dert. Das ist ein neu­es, schö­nes Spiel, dach­te er, und er ver­such­te das Kunst­stück noch ein­mal. So lern­te er durch fort­ge­setz­te Übung die Kunst des Sch­lin­gen­wer­fens.

      Von nun an war das Le­ben Tu­blats ein ste­tes Alp­drücken. Im Schlaf, auf dem Mar­sche, bei Tag und bei Nacht, im­mer muss­te er da­mit rech­nen, dass der bos­haf­te Jun­ge ihm heim­lich eine Sch­lin­ge um den Hals zu le­gen und ihn da­mit zu er­wür­gen ver­such­te.

      Kala straf­te Tar­zan zwar, und Tu­blat schwor ihm schreck­li­che Ra­che. Auch der alte Ker­schak nahm sich der Sa­che an, warn­te und droh­te, aber al­les war ver­ge­bens.

      Tar­zan trotz­te ih­nen al­len, und die dün­ne, star­ke Sch­lin­ge leg­te sich auch fer­ner um Tu­blats Hals, wenn er es am we­nigs­ten ver­mu­te­te.

      Die an­de­ren Af­fen hat­ten ihre Freu­de dar­an, denn Tu­blat war ein un­an­ge­neh­mer, al­ter Pa­tron, den nie­mand lei­den moch­te. In Tar­zans klu­gen, klei­nen Geist dreh­ten sich man­che Ge­dan­ken, und hin­ter die­sen war die gött­li­che Macht des Ver­stan­des.

      Tar­zan sag­te sich, wenn er mit ei­ner sol­chen Sch­lin­ge einen Af­fen fan­gen konn­te, wes­halb nicht auch Sa­bor, die Lö­win? Es war der Keim ei­nes Ge­dan­kens, der vor­läu­fig nur in sei­nem Un­ter­be­wusst­sein leb­te, bis er in spä­te­ren Jah­ren zur Vollen­dung ge­dieh.

      Auf sei­nen Wan­de­run­gen kam der Stamm oft in die Nähe der stil­len, ver­schlos­se­nen Hüt­te an der klei­nen Bucht. Tar­zan hät­te gar zu ger­ne ge­wusst, wel­ches Ge­heim­nis dar­in ver­bor­gen war.

      Er ver­such­te zwar, durch die Fens­ter zu schau­en, aber sie wa­ren ver­hängt. Dann dach­te er dar­an, auf das Dach zu klet­tern, um durch den Ka­min hin­un­ter­zu­kom­men, viel­leicht könn­te er auf die­se Wei­se er­fah­ren, wel­che Wun­der in­ner­halb die­ser Wän­de ver­bor­gen wa­ren.

      In sei­ner kind­li­chen Ein­bil­dung stell­te er sich al­ler­lei merk­wür­di­ge Din­ge vor, die dar­in ent­hal­ten sein müss­ten, und je mehr er ein­sah, dass er nicht ohne wei­te­res hin­ein­ge­lan­gen kön­ne, de­sto leb­haf­ter wur­de sein Wunsch, das Rät­sel zu lö­sen.

      Er klet­ter­te stun­den­lang um das Dach und die Fens­ter her­um, um ein Mit­tel zu ent­de­cken, sich Ein­gang zu ver­schaf­fen, aber auf die Tür ach­te­te er nur we­nig, denn sie schi­en ihm eben­so fest zu sein, wie die Wän­de der Hüt­te.

      Kurz nach­dem er das Aben­teu­er mit Sa­bor er­lebt hat­te, kam er wie­der in die Nähe der Hüt­te. Da schi­en es ihm, als ob die Tür ein un­ab­hän­gi­ger Teil der Wand sei, in die sie ein­ge­setzt war, und zum ers­ten Mal kam ihm der Ge­dan­ke, dass dies der Weg sei, ins In­ne­re zu ge­lan­gen, nach dem er so lan­ge ver­geb­lich ge­sucht hat­te.

      Er war al­lein, wie schon so oft, wenn er die Hüt­te auf­such­te, denn die Af­fen hat­ten eine Ab­nei­gung da­ge­gen. Die Ge­schich­te von dem Don­ner­stock hat­te in die­sen zehn Jah­ren nichts an Schre­cken ver­lo­ren, und sie um­gab noch im­mer die ver­las­se­ne Woh­nung des wei­ßen Man­nes mit ei­ner für die Af­fen un­heim­li­chen At­mo­sphä­re.

      Nie­mand hat­te Tar­zan er­zählt, in wel­cher Be­zie­hung er selbst zu der Hüt­te stand. Die Spra­che der Af­fen ist so wort­arm, dass sie nur we­nig dar­über be­rich­ten konn­ten, was sie in der Hüt­te ge­se­hen. Sie hat­ten auch kei­ne Wor­te, um die selt­sa­men Leu­te und ihre Sa­chen zu be­schrei­ben, und so kam es, dass, als Tar­zan alt ge­nug war, um zu ver­ste­hen, die Sa­che längst vom Stamm ver­ges­sen war.

      Nur in ei­ner ganz un­kla­ren und un­be­stimm­ten Wei­se hat­te Kala ihm er­klärt, dass sein Va­ter ein selt­sa­mer, wei­ßer Affe ge­we­sen sei, aber er wuss­te nicht, dass Kala nicht sei­ne Mut­ter war.

      An die­sem Tage nun ging er so­fort auf die Tür zu, un­ter­such­te sie stun­den­lang und mach­te sich an den Schar­nie­ren, am Knopf und an der Klin­ke zu schaf­fen. Schließ­lich fand