Gespenst schwang Kala sich geräuschlos von einem Baum zum anderen; bald glitt sie flink an einem großen Ast entlang, bald schwang sie sich von einem Ast auf einen weiteren Baum, um möglichst schnell an den Ort der Katastrophe zu kommen, denn ihre Kenntnis des Dschungellebens ließ sie erraten, was vorgefallen sein mochte.
Die Schreie des Gorillas verkündeten, dass er sich im Kampf auf Leben und Tod mit einem anderen Bewohner des wilden Waldes befand. Plötzlich hörte das Geschrei auf und eine Todesstille herrschte im Dschungel.
Das konnte Kala nicht verstehen, denn sie hatte zuletzt Volganis Stimme voll Schmerz und Todesangst vernommen, aber sie hatte keinen Ton gehört, aus dem sie auf die Natur seines Gegners hätte schließen können.
Dass ihr kleiner Tarzan einen großen Gorilla töten könnte, schien ihr unwahrscheinlich. Als sie sich der Stelle näherte, von wo die Laute des Kampfes hergekommen waren, bewegte sie sich behutsamer, und zuletzt drang sie langsam und mit äußerster Vorsicht zwischen den niedrigen Ästen hindurch vor, indem sie überall, wo der Mondschein hinkam, nach den Kämpfenden forschte.
Auf einmal stieß sie darauf. Sie lagen auf einer freien, vom Mond beschienenen Stelle: der zerfleischte, blutige Körper des kleinen Tarzan und daneben ein großer Gorilla — mausetot.
Mit einem lauten Schrei stürzte sie auf Tarzan zu, und den armen, blutbedeckten Körper an ihre Brust legend, horchte sie auf ein Lebenszeichen. Kaum hörte sie noch den schwachen Laut seines kleinen Herzens.
Zärtlich trug sie ihn durch den dunklen Dschungel zurück an die Stelle, wo der Stamm lag.
Nun wachte sie viele Tage und Nächte an seiner Seite, brachte ihm Nahrung und Wasser und jagte die Fliegen und andere Insekten von seinen schmerzenden Wunden.
Von Arznei und Wundheilkunde wusste das arme Wesen natürlich nichts. Es konnte nur die Wunden lecken, und auf diese Weise hielt es sie rein, sodass die heilende Natur ihr Werk rascher vollenden konnte.
Anfangs wollte Tarzan nichts essen, und wälzte sich im wilden Fieberdelirium ruhelos auf seinem Lager. Alles, was er verlangte, war Wasser, und dieses brachte Kala ihm auf dem einzigen möglichen Wege, nämlich in ihrem eigenen Maule. Keine menschliche Mutter hätte sich selbstloser aufopfern können als dieses arme wilde Tier für den kleinen verwaisten Findling, den das Schicksal ihrer Obhut anvertraut hatte. Endlich ließ das Fieber nach, und der Junge war auf dem Wege der Besserung. Keine Klage kam über seine Lippen, obschon die Wunden ihn sehr schmerzten.
Ein Teil des Brustkastens war bis auf die Rippen bloßgelegt, von denen drei durch die wuchtigen Schläge des Gorillas gebrochen waren. Ein Arm war durch die riesigen Fänge fast abgetrennt, und ein großes Stück war ihm vom Halse gerissen, und nur durch ein Wunder war die Schlagader verschont geblieben.
Mit der Ergebenheit der wilden Tiere, die ihn aufgezogen halten, ertrug Tarzan die Leiden geduldig, und schlich sich lieber von den anderen hinweg, um sich irgendwo in das hohe Gras niederzukauern, als ihnen sein Elend vor Augen zu führen.
Nur mit Kala war er gerne zusammen. Jetzt aber, da er auf dem Wege der Besserung war, blieb sie etwas länger aus, um Futter zu suchen, denn so lange Tarzan schwer krank war, hatte das treue Tier kaum so viel gefressen, um sein Leben zu erhalten, und es war infolgedessen kaum noch ein Schatten seines früheren Selbst.
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