Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau


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Mann in geis­ti­ger, mo­ra­li­scher und kör­per­li­cher Hin­sicht.

      Er war von et­was mehr als mitt­ler­er Grö­ße. Sei­ne Au­gen wa­ren grau, sei­ne Züge re­gel­mä­ßig und ener­gisch. Sei­ne Hal­tung war die ei­nes star­ken, ge­sun­den Man­nes, den der Mi­li­tär­dienst noch ge­stählt hat­te.

      Aus po­li­ti­schem Ehr­geiz hat­te er einen Über­tritt vom Hee­res­dienst zum Ko­lo­ni­al­amt an­ge­strebt, und so fin­den wir ihn in noch ju­gend­li­chem Al­ter mit ei­nem wich­ti­gen Auf­trag im Diens­te der Kö­ni­gin be­traut.

      Die­se Be­ru­fung er­füll­te ihn zwar mit Stolz, aber er war doch auch dar­über er­schro­cken. Die Be­för­de­rung er­schi­en ihm als ein wohl­ver­dien­ter Lohn für sei­ne aus­dau­ern­den, um­sich­ti­gen Diens­te und als eine Etap­pe zu ei­nem be­deu­ten­de­ren und ver­ant­wor­tungs­vol­le­ren Pos­ten, aber an­de­rer­seits hat­te er erst vor drei Mo­na­ten Ali­ce Ru­ther­ford ge­hei­ra­tet, und er war ent­setzt bei dem Ge­dan­ken, sei­ne jun­ge Frau den Ge­fah­ren und der Ein­sam­keit des tro­pi­schen Afri­ka aus­zu­set­zen. Ihr zu­lie­be hät­te er den Auf­trag ab­leh­nen mö­gen, aber sie woll­te das nicht. Sie drang so­gar in ihn, dass er ihn an­neh­men möch­te, und er­klär­te sich be­reit, mit ihm zu ge­hen. Da wa­ren zwar die Müt­ter und die Brü­der und die Schwes­tern, die Tan­ten und Vet­tern, die al­ler­lei An­sich­ten dar­über kund­ga­ben, aber die Ge­schich­te be­rich­tet uns die­se ver­schie­de­nen Mei­nun­gen nicht.

      Wir wis­sen nur, dass an ei­nem freund­li­chen Mai­mor­gen des Jah­res 1888 Lord Grey­sto­ke und Frau Ali­ce von Do­ver nach Afri­ka ab­se­gel­ten.

      Ei­nen Mo­nat spä­ter ka­men sie in Free­town an, wo sie ein klei­nes Se­gel­schiff, die »Fu­wal­da«, mie­te­ten, um nach ih­rem Be­stim­mungs­ort zu ge­lan­gen.

      Von je­ner Zeit an war aber Lord John Grey­sto­ke mit sei­ner Frau Ali­ce völ­lig ver­schol­len. Kein Mensch hat sie mehr ge­se­hen, noch et­was von ih­nen ge­hört.

      Zwei Mo­na­te, nach­dem sie den Ha­fen von Free­town ver­las­sen hat­ten, durch­such­ten sechs eng­li­sche Kriegs­schif­fe den sü­d­at­lan­ti­schen Ozean, um eine Spur von ih­nen oder ih­rem klei­nen Schiff zu fin­den, und bald dar­auf ent­deck­ten sie die Trüm­mer des Seg­lers an der Fel­sen­küs­te von St. He­le­na. So war die Welt über­zeugt, dass die »Fu­wal­da« mit Mann und Maus un­ter­ge­gan­gen war, und die Nach­for­schung nach den Ver­miss­ten wur­de ein­ge­stellt, nach­dem sie noch kaum be­gon­nen hat­te. In den sehn­süch­ti­gen Her­zen der An­ge­hö­ri­gen leb­te zwar noch man­ches Jahr die Hoff­nung fort, bis sie all­mäh­lich er­losch.

      Die »Fu­wal­da«, ein Fahr­zeug von etwa hun­dert Ton­nen, war ein Schiff von der Gat­tung, die man im Küs­ten­han­del des fer­nen sü­d­at­lan­ti­schen Ozeans oft sieht und de­ren Mann­schaft aus dem Ab­schaum der See, un­ge­häng­ten Mör­dern und Räu­bern al­ler Ras­sen und Na­tio­nen, be­steht.

      Die Of­fi­zie­re der »Fu­wal­da« wa­ren ge­bräun­te Ei­sen­fres­ser, die die Mann­schaft hass­ten, so wie sie von die­ser ge­hasst wur­den. Der Ka­pi­tän war zwar ein tüch­ti­ger See­mann, aber bru­tal ge­gen sei­ne Leu­te. In sei­nem Ver­kehr mit ih­nen kann­te er nur zwei Ar­gu­men­te, wenn er sie auch erst in letz­ter Li­nie be­nütz­te, den Knüp­pel und den Re­vol­ver, und es ist auch nicht wahr­schein­lich, dass das bun­te Ge­misch, das er an­ge­wor­ben hat­te, ir­gen­det­was an­de­res ver­stan­den hät­te.

      So ge­sch­ah es denn, dass schon am zwei­ten Tage nach der Ab­fahrt von Free­town John Clay­ton und sei­ne jun­ge Frau auf dem Deck der »Fu­wal­da« Zeu­gen von Sze­nen wur­den, wie sie nie ge­glaubt hät­ten, dass sie an­ders als auf den bun­ten Ti­tel­bil­dern von See­ge­schich­ten vor­kämen.

      Es war am Mor­gen des zwei­ten Ta­ges, wo das ers­te Glied ei­ner Ket­te ent­stand, die das Le­ben ei­nes da­mals noch Un­ge­bo­re­nen so um­stri­cken soll­te, wie es viel­leicht noch nie dem Le­ben ei­nes Men­schen ge­sche­hen ist.

      Zwei Ma­tro­sen wa­ren be­schäf­tigt, das Deck der »Fu­wal­da« zu wa­schen. Der ers­te Steu­er­mann war auf sei­nem Pos­ten, und der Ka­pi­tän hat­te sich eben mit John Clay­ton und Frau Ali­ce un­ter­hal­ten.

      Die Ma­tro­sen wa­ren hin­ter ih­nen an der Ar­beit. Sie ka­men im­mer nä­her, bis der eine von ih­nen di­rekt hin­ter dem Ka­pi­tän war. In ei­nem an­de­ren Au­gen­blick wäre er ohne Wei­te­res vor­über­ge­gan­gen, und dann wäre die­se gan­ze au­ßer­or­dent­li­che Ge­schich­te nicht pas­siert.

      Aber ge­ra­de als der Of­fi­zier sich um­dreh­te, um Lord und Lady Grey­sto­ke zu ver­las­sen, stol­per­te er über den Ma­tro­sen und fiel in sei­ner gan­zen Län­ge auf das Deck, wo­bei er den Ei­mer um­stürz­te, so­dass er von dem schmut­zi­gen In­halt über­gos­sen wur­de.

      Im ers­ten Au­gen­blick er­schi­en die Sze­ne zum La­chen, aber auch nur für einen Au­gen­blick. Mit ei­ner Sal­ve schreck­li­cher Flü­che, das Ge­sicht rot vor Wut, stand der Ka­pi­tän wie­der auf, und mit ei­nem fürch­ter­li­chen Hieb schlug er den Ma­tro­sen nie­der.

      Es war ein schmäch­ti­ger, schon äl­te­rer Mann, so­dass die Bru­ta­li­tät nur noch mehr her­vor­trat. Der an­de­re See­mann aber war be­deu­tend jün­ger und stär­ker, ein rich­ti­ger Bär, mit stol­zem schwar­zem Schnurr­bart und stier­nackig.

      Als er sah, dass sein Ka­me­rad dalag, bück­te er sich, sprang mit ei­nem lei­sen Knur­ren auf den Ka­pi­tän los, und schlug ihn mit ei­nem ein­zi­gen mäch­ti­gen Schlag auf die Knie nie­der.

      Das Ge­sicht des Of­fi­ziers, das bis da­hin rot ge­we­sen war, wur­de jetzt weiß, denn das war of­fe­ne Meu­te­rei und Meu­te­rei hat­te er schon frü­her in sei­nem bru­ta­len Ker­ker un­ter­drückt. Ohne zu war­ten, bis er wie­der auf­ste­hen konn­te, zog er sei­nen Re­vol­ver aus der Ta­sche und rich­te­te ihn aus den mus­ku­lö­sen Rie­sen, der vor ihm auf­rag­te, aber im sel­ben Au­gen­blick, da Lord Grey­sto­ke die Waf­fe auf­leuch­ten sah, schlug die­ser sie zu Bo­den, so­dass die Ku­gel, die dem Her­zen des Ma­tro­sen zu­ge­dacht war, ihn nur ins Bein traf.

      Es ent­stand ein Wort­wech­sel zwi­schen Clay­ton und dem Ka­pi­tän. Der Lord er­klär­te ihm näm­lich, er sei ent­rüs­tet über die Grau­sam­keit ge­gen die Mann­schaft und er wol­le nicht dul­den, dass sich je wie­der et­was Der­ar­ti­ges er­eig­ne, so­lan­ge er und sei­ne Frau als Pas­sa­gie­re aus dem Schiff sei­en.

      Der Ka­pi­tän war auf dem Punk­te, ihm hef­tig zu er­wi­dern, aber er fühl­te, es sei bes­ser, das nicht zu tun, und so wand­te er sich mit fins­te­ren Bli­cken um und ging da­von.

      Er hielt es doch für klü­ger, einen eng­li­schen Be­am­ten nicht zu rei­zen, denn die mäch­ti­ge Kö­ni­gin hat­te ein Straf­werk­zeug zur Ver­fü­gung, das er kann­te und fürch­te­te: Eng­lands weit­rei­chen­de Flot­te.

      Die bei­den Ma­tro­sen stan­den auf, in­dem der alte Mann dem ver­wun­de­ten Ka­me­ra­den be­hilf­lich war. Der star­ke Kerl, der un­ter der Mann­schaft als der schwar­ze Mi­chel be­kannt war, prüf­te sein Bein be­däch­tig und als er fand, dass es sein Ge­wicht noch tra­gen konn­te, wand­te er sich Clay­ton zu, in­dem er ihm mit kur­z­en Wor­ten dank­te.

      War auch der Ton des Man­nes mür­risch, so wa­ren sei­ne, Wor­te doch of­fen­bar gut ge­meint. Kaum hat­te er