Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau


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sie aus des schwar­zen Mi­chels Sicht wa­ren, konn­ten ei­ni­ge der Leu­te sie nie­der­schla­gen, so­dass das Ge­wis­sen des schwar­zen Mi­chels rein blieb.

      Und selbst wenn sie die­sem Schick­sal ent­gin­gen, sa­hen sie nicht noch schwe­re­ren Ge­fah­ren ent­ge­gen? Wäre er al­lein ge­we­sen, so hät­te er hof­fen kön­nen, noch vie­le Jah­re zu le­ben, denn er war ein kräf­ti­ger, ath­le­tisch ge­bau­ter Mann.

      Aber was wür­de aus Ali­ce und dem an­de­ren klei­nen Le­ben wer­den, das schon so früh den Müh­se­lig­kei­ten und schwe­ren Ge­fah­ren ei­ner Wild­nis aus­ge­setzt wür­de?

      Der Mann er­schau­er­te, als er über den schreck­li­chen Ernst und die fürch­ter­li­che Hilf­lo­sig­keit ih­rer Lage nach­dach­te. Aber eine gü­ti­ge Vor­se­hung be­wahr­te ihn da­vor, die schreck­li­che Wirk­lich­keit vor­aus­zu­se­hen, die sie in den Tie­fen des düs­te­ren Wal­des er­war­te­te.

      Am nächs­ten Mor­gen wur­den in al­ler Frü­he ihre zahl­rei­chen Kof­fer und Kis­ten aufs Deck be­för­dert und in be­reit­lie­gen­de Boo­te her­un­ter­ge­las­sen, die sie an Land brin­gen soll­ten.

      Es war eine große Men­ge der ver­schie­den­ar­tigs­ten Sa­chen, denn da die Clay­tons mit der Mög­lich­keit ge­rech­net hat­ten, fünf bis acht Jah­re in ih­rem neu­en Auf­ent­halts­ort zu blei­ben, so hat­ten sie ne­ben dem Not­wen­di­gen auch vie­le Lu­xussa­chen mit­ge­nom­men.

      Der schwar­ze Mi­chel sorg­te da­für, dass nichts von Clay­tons Ei­gen­tum an Bord blieb. Ob aus Mit­leid für sie oder in sei­nem ei­ge­nen In­ter­es­se, wäre schwer zu sa­gen. Auf alle Fäl­le wäre das Vor­han­den­sein von Ei­gen­tum ei­nes ver­miss­ten bri­ti­schen Be­am­ten auf ei­nem ver­däch­ti­gen Schiff in je­dem zi­vi­li­sier­ten Ha­fen schwer zu er­klä­ren ge­we­sen. Der schwar­ze Mi­chel war denn auch so eif­rig be­müht, über die Aus­füh­rung sei­ner An­ord­nung zu wa­chen, dass er bei den See­leu­ten so­gar dar­auf drang, Clay­ton sei­ne Re­vol­ver zu­rück­zu­ge­ben.

      In die Boo­te wur­den auch ver­la­den: Salz­fleisch und Schiffs­zwie­back, et­was Kar­tof­feln und Boh­nen, Streich­höl­zer und Koch­ge­schirr, ein Werk­zeug­kas­ten und die al­ten Se­gel, die der schwar­ze Mi­chel ih­nen ver­spro­chen hat­te.

      Als ob der schwar­ze Mi­chel die­sel­ben Be­fürch­tun­gen ge­hegt hät­te, wie Clay­ton, be­glei­te­te er die bei­den an Land, und ver­liest sie als letz­ter, nach­dem die See­leu­te die mit­ge­nom­me­nen Schiff­ston­nen mit fri­schem Trink­was­ser ge­füllt hat­ten.

      Als die Boo­te sich lang­sam über die glat­ten Was­ser der Bucht be­weg­ten, sa­hen Clay­ton und sein Weib schwei­gend de­ren Ab­fahrt zu, mit ei­nem Ge­fühl von dro­hen­dem Un­glück und äu­ßers­ter Hilf­lo­sig­keit.

      Und hin­ter ih­nen, über dem Rand ei­nes nied­ri­gen Hü­gels, lau­er­ten auf sie an­de­re böse Au­gen, die un­ter zot­ti­gen Brau­en leuch­te­ten.

      Als die »Fu­wal­da« durch die enge Aus­fahrt der Bucht fuhr und ih­nen hin­ter ei­ner Land­spit­ze au­ßer Sicht kam, schlang Lady Ali­ce ihre Arme um Clay­tons Hals und brach in ein fas­sungs­lo­ses Schluch­zen aus.

      Tap­fer hat­te sie die Ge­fah­ren der Meu­te­rei über sich er­ge­hen las­sen und mit hel­den­mü­ti­ger Stär­ke der schreck­li­chen Zu­kunft ent­ge­gen­ge­se­hen, aber nun, da die Schre­cken der völ­li­gen Ver­las­sen­heit sie über­fie­len, lie­ßen ihre über­reiz­ten Ner­ven nach und der Rück­schlag trat ein.

      Ihr Mann ver­such­te nicht, ihre Trä­nen zu hem­men. Es war bes­ser, der Na­tur ih­ren Lauf zu las­sen, da­mit die lang ver­hal­te­ne Ge­müts­be­we­gung sich aus­lös­te, und es ver­ging man­che Mi­nu­te, ehe das jun­ge Weib, das ei­gent­lich noch ein Kind war, sich wie­der be­herr­schen konn­te.

      O John, rief sie schließ­lich, wie ent­setz­lich! Was fan­gen wir an? Was sol­len wir nur tun?

      Wir kön­nen nur eins tun, Ali­ce, und er sprach so ru­hig, als ob sie in ih­rem trau­li­chen Heim sä­ßen, und das ist ar­bei­ten! Die Ar­beit muss un­ser Heil sein. Wir dür­fen uns kei­ne Zeit zum Nach­den­ken las­sen, denn sonst wür­den wir ver­rückt wer­den. Wir müs­sen ar­bei­ten und war­ten. Ich bin si­cher, dass Hil­fe kom­men wird und dass sie schnell kommt, so­bald es be­kannt wird, dass die »Fu­wal­da« ver­lo­ren ist, selbst wenn der schwar­ze Mi­chel sein Wort nicht hal­ten soll­te.

      Ja, John, wenn es sich nur um uns bei­de han­del­te, sag­te sie seuf­zend, so könn­ten wir es schon aus­hal­ten, das weiß ich, aber —

      Lie­bes Weib, ant­wor­te­te er sanft, ich habe dar­an ge­dacht, aber wir müs­sen auch mit die­sem Er­eig­nis rech­nen, wie mit al­lem, was noch kom­men wird, tap­fer und mit Ver­trau­en in un­se­re Ge­schick­lich­keit. Vor hun­dert­tau­send Jah­ren stan­den un­se­re Vor­fah­ren ei­ner ent­le­ge­nen düs­te­ren Ver­gan­gen­heit vor den­sel­ben Schwie­rig­kei­ten wie wir jetzt, viel­leicht so­gar in die­sem sel­ben Ur­wal­de. Dass wir heu­te hier sind, ist ein Be­weis ih­res Sie­ges. Was sie ta­ten, soll­ten wir es nicht auch tun? Und so­gar bes­ser, denn sind wir nicht mit hö­he­rem Wis­sen aus­ge­rüs­tet, und be­sit­zen wir nicht Schuss-, Ver­tei­di­gungs- und Ver­pfle­gungs­mit­tel, die die Wis­sen­schaft uns gab, die je­nen aber noch völ­lig un­be­kannt wa­ren? Was sie mit un­voll­kom­me­nen Werk­zeu­gen und Waf­fen aus Stein und Kno­chen voll­brach­ten, das kön­nen wir si­cher auch.

      Ach John, ich wünsch­te ein Mann zu sein mit der Phi­lo­so­phie ei­nes Man­nes, aber ich bin bloß ein Weib, das mehr mit dem Her­zen als mit dem Ver­stand sieht, und al­les, was ich sehe, ist zu schreck­lich, zu un­denk­bar, als dass ich es in Wor­te fas­sen könn­te. Ich hof­fe nur, dass du recht hast, John. Ich will mein Bes­tes tun, um eine wa­cke­re Ur­wald­frau zu sein, der tap­fe­re Ka­me­rad ei­nes Wild­nis­man­nes.

      Clay­tons ers­ter Ge­dan­ke war, ein Ob­dach für die Nacht her­zu­stel­len, worin sie vor den um­her­strei­chen­den Raub­tie­ren ge­schützt wä­ren.

      Er öff­ne­te den Kof­fer, der sei­ne Ge­weh­re und die Mu­ni­ti­on ent­hielt, da­mit sie we­nigs­tens be­waff­net wä­ren, wenn sie über der Ar­beit an­ge­grif­fen wür­den, und dann such­ten sie einen Ort für ihre ers­te Nachtru­he.

      Etwa hun­dert Me­ter vom Ufer war eine ziem­lich lich­te, ebe­ne Stel­le, und sie be­schlos­sen, ge­ge­be­nen­falls hier ein fes­tes Haus zu bau­en. Vor­läu­fig hiel­ten sie es aber für das Bes­te, eine klei­ne Platt­form in den Bäu­men zu er­rich­ten und zwar so hoch, dass sie au­ßer der Reich­wei­te der wil­den Tie­re wä­ren. Zu die­sem Zweck wähl­te Clay­ton vier im Recht­eck ste­hen­de Bäu­me aus, die etwa acht Fuß von­ein­an­der ent­fernt wa­ren. Dann hieb er von an­de­ren Bäu­men lan­ge Äste ab und band die­se mit den Stri­cken, die ihm der schwar­ze Mi­chel über­las­sen hat­te, etwa zehn Fuß über der Erde an den er­wähn­ten vier Bäu­men fest.

      So hat­te er ein Gerüst, über das er dann dün­ne­re Äste eng zu­sam­men­leg­te, um einen Fuß­bo­den in der Höhe her­zu­stel­len. Die­sen Bo­den be­leg­te er mit rie­si­gen We­deln von »Ele­fan­te­nohr«, das rings­um mas­sen­haft wuchs, und zu­letzt noch mit ei­nem großen mehr­fach ge­fal­te­ten Se­gel­tu­che.

      Sie­ben Fuß hö­her leg­te er in ähn­li­cher Wei­se ein Dach an. Die Wän­de des Ge­ma­ches aber stell­te er ein­fach da­durch her, dass er rings her­um Se­gel­tuch auf­häng­te.