Jules Verne

Die Abenteuer des Kapitän Hatteras


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Be­fehl wur­de aus­ge­führt; nach ei­ner Stun­de hat­te der Dampf schon hin­rei­chen­de Treib­kraft; die Se­gel wur­den be­schla­gen, und die Schrau­be trieb den For­ward kräf­tig dem Nord­west ent­ge­gen.

      1 ein­mas­ti­ges Küs­ten- und Fi­scher­fahr­zeug <<<

      2 eng­li­scher Ent­de­cker und See­fah­rer (1800–1862) <<<

      Bald lie­ßen sich zahl­rei­che­re Scha­ren von Vö­geln, Sturm­vö­gel und an­de­re Be­woh­ner die­ser öden Ge­gen­den se­hen, wor­aus man die Nähe Grön­lands er­kann­te. Der For­ward fuhr rasch nord­wärts.

      Am Diens­tag, den 17. April, ge­gen elf Uhr vor­mit­tags, mel­de­te der Eis­meis­ter das ers­te Er­schei­nen des Eis-Blink, wel­ches sich min­des­tens zwan­zig Mei­len in Nord-Nord-West zeig­te. Es war ein blen­dend wei­ßer Strei­fen, wel­cher trotz dich­ten Ge­wöl­kes den gan­zen be­nach­bar­ten Teil der At­mo­sphä­re leb­haft er­hell­te. Die Leu­te von Er­fah­rung an Bord konn­ten über die Er­schei­nung kei­nen Zwei­fel ha­ben, und sie er­kann­ten an dem wei­ßen Schein, dass die­ser Blink von ei­nem aus­ge­dehn­ten Eis­feld drei­ßig Mei­len über dem Ge­sichts­kreis hin­aus­kom­men muss­te und durch Bre­chung der Licht­strah­len ent­stand.

      Ge­gen Abend schlug der Wind süd­lich um und war güns­tig; Shan­don konn­te tüch­tig Se­gel auf­span­nen und ließ aus Spar­sam­keit die Hei­zung auf­hö­ren. Der For­ward fuhr mit vol­len Se­geln dem Kap Fa­re­well zu.

      Am 18. um drei Uhr ließ sich an ei­nem wei­ßen, nicht eben dich­ten, aber glän­zen­den Strei­fen, der leb­haft zwi­schen den Li­ni­en des Mee­res und Him­mels ab­stach, ein Eiss­trom er­ken­nen. Er trieb of­fen­bar viel­mehr von der Ost­küs­te Grön­lands her, als von der Da­vis-Stra­ße, denn die Eis­blö­cke zie­hen sich vor­zugs­wei­se an den We­strand des Baf­fins-Mee­res. Eine Stun­de nach­her fuhr der For­ward mit­ten durch ab­ge­son­der­te Blö­cke des Eiss­troms, und da, wo sie am meis­ten zu­sam­men­hin­gen, folg­ten sie der Wel­len­be­we­gung.

      Am fol­gen­den Mor­gen, bei Ta­ge­s­an­bruch, mel­de­te die Wa­che ein Schiff: Es war eine dä­ni­sche Kor­vet­te, Wal­kü­re, wel­che in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung der For­ward der Bank von New-Found­land zu­fuhr. Die Strö­mung von der Stra­ße her mach­te sich schon fühl­bar, und Shan­don muss­te die Se­gel ver­stär­ken, um da­ge­gen zu steu­ern.

      Da­mals be­fan­den sich der Kom­man­dant, der Dok­tor, Ja­mes Wall und John­son bei­sam­men auf dem Hin­ter­deck, um die Rich­tung und Kraft die­ser Strö­mung zu un­ter­su­chen. Der Dok­tor frag­te, ob wirk­lich die­se Strö­mung gleich­mä­ßig im Baf­fins-Meer exis­tie­re.

      »Al­ler­dings«, er­wi­der­te Shan­don, »und die Se­gel­schif­fe kön­nen nur mit Mühe dem Po­lar­strom ent­ge­gen­steu­ern.«

      »Umso mehr«, füg­te Ja­mes Wall bei, »als man ihn eben­so­wohl auf der Ost­küs­te Ame­ri­kas als auf der West­küs­te Grön­lands fin­det.«

      »Nun«, sag­te der Dok­tor, »das gibt den Auf­su­chern der nord­west­li­chen Durch­fahrt einen be­son­de­ren Grund! Die­ser Strom fließt mit ei­ner Schnel­lig­keit von etwa fünf Mei­len die Stun­de, und es ist schwer­lich vor­aus­zu­set­zen, dass er im In­nern des Golfs ent­steht.«

      »Dies ist umso rich­ti­ger, Dok­tor«, fuhr Shan­don fort, »als man gleich die­ser Strö­mung von Nor­den nach Sü­den eine ent­ge­gen­ge­setz­te von Sü­den nach Nor­den in der Beh­rings-Stra­ße fin­det, wel­che den Ur­sprung die­ser bil­det.«

      »Dem­nach, mei­ne Her­ren«, sag­te der Dok­tor, »muss man zu­ge­ben, dass Ame­ri­ka völ­lig von den Po­lar­lan­den los­ge­trennt ist, und dass die Ge­wäs­ser des Stil­len Mee­res um die­se Küs­ten her­um bis ins At­lan­ti­sche flie­ßen. Üb­ri­gens er­gibt sich auch aus dem hö­he­ren Ni­veau der Ge­wäs­ser des ers­te­ren noch ein Grund für de­ren Ab­fluss in die Mee­re Eu­ro­pas.«

      »Aber«, fuhr Shan­don fort, »es muss doch Grün­de für die­se Theo­rie ge­ben, und wenn das der Fall ist, muss un­ser Uni­ver­sal-Ge­lehr­ter sie ken­nen.«

      »Wo­fern sie also nicht ums Kap Horn oder um das der gu­ten Hoff­nung ge­fah­ren sind«, er­wi­der­te Shan­don, »so müs­sen sie not­wen­dig ih­ren Weg um die Nord­küs­te Ame­ri­kas her­um ge­nom­men ha­ben. Das ist un­be­streit­bar, Dok­tor.«

      »Wenn Sie je­doch nicht über­zeugt wä­ren, mein wa­cke­rer Shan­don«, sag­te der Dok­tor la­chend, »so könn­te ich noch an­de­re Tat­sa­chen vor­brin­gen, z. B. das in der Da­vis-Stra­ße flö­ßen­de Holz, Lär­chen, Zit­te­re­s­pen und an­de­re Pro­duk­te der tro­pi­schen Zone. Nun wis­sen wir, dass des Golf­stro­mes we­gen die­ses Holz nicht in die Enge hin­ein­trei­ben kann; wenn sie also aus dem­sel­ben her­aus­trei­ben, so konn­ten sie nur durch die Beh­rings-Stra­ße in den­sel­ben hin­ein­kom­men.«

      »Ich bin über­zeugt, Dok­tor, und ge­ste­he, dass man bei Ihren Be­wei­sen schwer­lich un­gläu­big blei­ben kann«.

      »Mei­ner Treu!« sag­te John­son. »Da kommt just et­was, was die Sa­che klar­ma­chen kann. Ich sehe da drau­ßen ein hübsch großes Stück Holz. Mit Er­laub­nis des Kom­man­dan­ten wol­len wir den Baum­stamm auf­fi­schen, an Bord zie­hen und um sein Hei­mat­land be­fra­gen.«

      »Ganz recht«, sag­te der Dok­tor, »das Bei­spiel nach der Re­gel.«

      Shan­don gab den Be­fehl dazu; die Brigg fuhr auf das wahr­ge­nom­me­ne Holz, und bald dar­auf zog es die Mann­schaft mit ei­ni­ger Mühe an Bord.

      Es war ein Aca­jou­stamm, der vom Ge­würm bis in den Kern zer­fres­sen war, sonst hät­te er nicht oben­auf schwim­men kön­nen.

      »Das ist ja über­füh­rend«, rief der Dok­tor freu­dig, »denn da die Strö­mun­gen des At­lan­ti­schen Ozeans den­sel­ben nicht ha­ben in die Da­vis-Stra­ße trei­ben kön­nen, weil er nicht durch nord­ame­ri­ka­ni­sche Flüs­se in das Po­l­ar­be­cken ge­trie­ben wer­den konn­te, da der Baum in der Ge­gend des Äqua­tors wächst, so ist es klar, dass er di­rekt aus der Beh­rings-Stra­ße kommt. Und se­hen Sie, mei­ne Her­ren, dies Meer­ge­würm, von dem es durch­fres­sen wur­de, es ge­hört zu den Gat­tun­gen der hei­ßen Zone.«

      »Of­fen­bar«, ver­setz­te Wall, »ha­ben die Wi­der­sa­cher der Durch­fahrt un­recht.«