Mit dem 5. April war der zur Abfahrt bestimmte Tag erschienen. Die Aufnahme des Doktors an Bord beruhigte ein wenig die Gemüter. Wohin der würdige Gelehrte zu gehen sich entschloss, konnte man getrost auch gehen. Doch waren die meisten Matrosen etwas unruhig, und Shandon, in Besorgnis, es möchten einige ausreißen, wünschte lebhaft auf hoher See zu sein. War einmal die Küste außer Sicht, so würde die Mannschaft sich darein ergeben.
Die Kabine des Doktor Clawbonny lag im Hintergrund des Hüttendecks und nahm die ganze Rückseite des Schiffes ein. Die Kabinen des Kapitäns und des Schiffslieutenants, welche mehr zurückstanden, hatten eine Aussicht aufs Verdeck. Die des Kapitäns blieb, nachdem sie mit verschiedenen Instrumenten, Möbeln, Reisekleidern, Büchern, Kleidern zum Wechseln und Gerätschaften nach detaillierter Angabe ausgestattet worden, hermetisch verschlossen. Nach Weisung des Unbekannten wurde der Schlüssel zu dieser Kabine ihm nach Lübeck adressiert zugeschickt; er hatte also allein Zutritt zu seinem Gemach.
Diese Bestimmungen waren Shandon nicht nach dem Sinn und nahmen ihm viel Aussicht auf sein Oberkommando. Seine eigene Kabine hatte er vollständig nach den Bedürfnissen der projektierten Reise eingerichtet, da ihm die Erfordernisse für eine Polarexpedition gründlich bekannt waren.
Das Zimmer des dritten Offiziers lag innerhalb des falschen Verdecks, welches ein geräumiges Schlafgemach für die Matrosen bildete; die Leute hatten es hier sehr gemächlich, und sie hätten schwerlich an Bord eines anderen Schiffes eine so bequeme Einrichtung getroffen. Man bewies ihnen eine Sorgfalt, wie einer Ladung von Wert; ein geräumiger Ofen nahm die Mitte des gemeinsamen Saales ein.
Der Doktor Clawbonny fand alles nach Wunsch, er hatte seit dem 6. Februar, dem Tage nach dem Stapellassen des Forward, seine Kabine in Besitz genommen und wie ein Kind Vergnügen daran gefunden, sein wissenschaftliches Gepäck in Ordnung zu bringen. Seine Bücher, Herbarien, Messinstrumente, physikalischen Apparate, seine Sammlung von Thermometer, Barometer, Hygrometer, seine Brillen, Kompasse, Sextanten, Karten, Pläne, die Fiolen, Pulver, Fläschchen seiner sehr vollständigen Reiseapotheke, alles dies war dermaßen geordnet, dass es hätte das British Museum beschämen können. Dieser Raum von sechs Quadratfuß enthielt schätzbare Reichtümer.
Er war stolz auf diese Ausstattung und glücklich in seinem schwimmenden Heiligtume, das leider so eng war, dass es seine zum Besuch hinströmenden Freunde nicht aufnehmen konnte.
Zur vollständigen Beschreibung der Einrichtung des Forward habe ich noch beizufügen, dass die Lagerstätte des Hundes dicht unter dem Fenster der geheimnisvollen Kabine angebracht war; aber ihr wilder Bewohner zog vor, in den Gängen oder dem untersten Schiffsraum umherzustreifen, und bei Nacht hörte man ihn jämmerlich heulen, dass es in den leeren Räumen des Fahrzeugs in unheimlicher Weise widerhallte.
Tat er dies aus Sehnsucht nach seinem abwesenden Herrn oder aus innerem Vorgefühl drohender Gefahren? Die Matrosen waren geneigt, das letztere zu glauben.
Der Doktor Clawbonny, dessen Sanftmut und Liebkosungen einen Tiger zähmen konnten, bemühte sich vergebens um die Gunst dieses Hundes; er verlor Zeit und Mühe.
Da dieses Tier übrigens auf keinen der Namen hörte, welche sich im Hundekalender verzeichnet finden, so kamen die Leute an Bord zuletzt darauf, ihn Kapitän zu nennen, denn er schien die Gebräuche an Bord völlig zu kennen. Offenbar hatte er schon Seereisen gemacht.
Unter den gegebenen Umständen war Richard Shandon nicht ohne Unruhe und sprach diese am Abend vor der Abreise, dem 5. April, in seiner Unterhaltung mit dem Doktor, Wall und Johnson aus.
Diese vier befanden sich im Versammlungszimmer des Hüttendecks beim zehnten Gläschen Grog, ihrem letzten ohne Zweifel, da nach den Vorschriften des Schreibens aus Aberdeen die ganze Mannschaft, vom Kapitän bis zum Heizer an Bord, weder Wein, noch Bier oder geistige Getränke bekommen sollten, außer im Krankheitsfall auf Anordnung des Arztes.
Seit einer Stunde sprach man von nichts als der bevorstehenden Abreise. Den Instruktionen des Kapitäns nach musste Shandon morgen ein Schreiben mit den letzten Anordnungen erhalten.
»Wenn dies Schreiben«, sagte der Kommandant, »mir nicht den Namen des Kapitäns angibt, muss es uns wenigstens den Bestimmungsort des Schiffes melden. Wohinaus soll man sonst steuern?«
»Wahrhaftig«, erwiderte der ungeduldige Doktor, »an Ihrer Stelle würde ich selbst ohne den Brief abreisen; er würde uns wohl einzuholen verstehen, denk’ ich.«
»Sie haben keine Vermutung darüber, Doktor! Aber in welcher Richtung würden Sie steuern, wenn es beliebt?«
»Nach dem Nordpol zu, offenbar! Das versteht sich ja ohne allen Zweifel.«
»Ohne allen Zweifel!« entgegnete Wall. »Und warum nicht nach dem Südpol?«
»Nach dem Südpol«, schrie der Doktor, »gewiss nicht!«
»Sollte der Kapitän den Gedanken haben, mit einer Brigg durch den ganzen Atlantischen Ozean zu fahren! Denken Sie doch einmal daran, lieber Wall.«
»Der Doktor hat auf alles eine Antwort«, erwiderte letzterer.
»Gut, also nach Norden«, fuhr Shandon fort. »Aber, sagen Sie mir, Doktor, meinen Sie nach Spitzbergen? Grönland? Labrador? Oder die Hudsonbai? Führen diese verschiedenen Wege auch alle zu demselben Ziel, der undurchdringlichen Eisdecke, so wäre ich doch sehr in Verlegenheit, mich für einen oder den anderen derselben zu entscheiden. Können Sie mir darüber eine entschiedene Antwort geben, Doktor?«
»Nein«, erwiderte dieser in Verlegenheit, »aber schließlich, was wollen Sie tun, wenn Sie kein Schreiben erhalten?«
»Nichts; abwarten.«
»Abfahren nicht?« rief Clawbonny und schwang sein Glas in Verzweiflung.
»Allerdings nicht.«
»Das ist das Gescheiteste«, erwiderte Meister Johnson gelassen, während der Doktor, der an seinem Platz keine Ruhe hatte, um den Tisch herumspazierte. »Ja, das Gescheiteste; doch kann ein zu langes Abwarten missliche