nicht so kundige Bemerkungen wie Meister Cornhill machen konnten, so gab es doch seit drei Monaten Stoff genug zu fortwährendem Gerede für die Unterhaltung in Liverpool.
Die Brigg wurde zu Birkenhead, einer wirklichen Vorstadt von Liverpool am linken Ufer der Mersey, gebaut und durch Dampfbarken in unablässigem Verkehr mit dem Hafen gehalten.
Die Erbauer, Scott & Cie., hatten von Richard Shandon einen Aufriss und detaillierten Plan erhalten, welcher den Tonnengehalt, die Größenverhältnisse, das Modell der Brigg höchst genau angab. Man konnte darin den Scharfsinn eines vollendeten Seemanns erkennen. Da Shandon beträchtliche Mittel zur Verfügung hatte, so wurden die Arbeiten in Angriff genommen und nach der Weisung des unbekannten Eigentümers aufs rascheste betrieben.
Die Bauart der Brigg war von erprobter Solidität; sie war offenbar bestimmt, enormem Druck zu widerstehen, denn sein Fugenwerk aus Teak, einem indischen, durch äußerste Dauerhaftigkeit ausgezeichneten Bauholz, war noch dazu mit dem stärksten Eisenbeschlag versehen. Man fragte sich unter den Seeleuten, weshalb der Rumpf eines mit solchen Widerstandsverhältnissen gebauten Schiffes nicht aus Eisenblech gefertigt wurde, wie bei anderen Dampfbooten. Darauf antwortete man, der geheimnisvolle Ingenieur müsse wohl seine Gründe dafür haben.
Die Brigg nahm auf der Werft allmählich ihre Gestalt an, und ihre Stärke wie Feinheit setzten die Kenner in Erstaunen. Wie die Matrosen des Nautilus bemerkt hatten, bildete sein Vordersteven einen rechten Winkel mit dem Kiel; es war nicht mit einem Schnabel versehen, sondern mit einer Schneide von Gußeisen aus den Werkstätten R. Hawthorns zu Newcastle. Dieses metallene, im Sonnenschein blinkende Vorderteil gab der Brigg, obwohl sie gar nichts Militärisches an sich hatte, ein ganz besonderes Aussehen. Doch wurde auf dem Vorderkastell eine Kanone vom Kaliber eines Sechzehnpfünders aufgestellt; auf einem Zapfen sich drehend, konnte sie leicht nach allen Richtungen gestellt werden.
Am 5. Februar 1860 wurde das seltsame Schiff im Angesicht einer ungeheuren Zuschauermenge vom Stapel gelassen, was vollkommen gelang.
Aber welches war denn die Bestimmung des Schiffes? Es sollte den Erebus und Terror, den Sir John Franklin aufsuchen, nichts weiter. Denn im Jahr zuvor war der Kommandant Mac Clintock mit sicheren Beweisen vom Scheitern dieser unglücklichen Unternehmung aus den Nord-Polarmeeren heimgekehrt.
Wollte denn der Forward nochmals die nordwestliche Durchfahrt machen? Wozu nützte dies? Der Kapitän Mac Clur hatte sie im Jahre 1853 aufgefunden, und sein Lieutenant Creswell hatte zuert die Ehre, um das amerikanische Festland herum von der Behrings- bis zur Davis-Straße zu fahren.
Es war jedoch für Sachverständige unzweifelhaft, dass der Forward den Eisregionen Trotz bieten sollte. Wollte er zum Südpol vordringen, noch weiter als der Walfischfänger Wedell, als der Kapitän Ross? Aber zu welchem Zweck und Nutzen?
Am folgenden Tag, nachdem die Brigg vom Stapel gelaufen, kam ihre Maschine aus den Werkstätten von R. Hawthorn zu Newcastle an.
Diese Maschine von hundertundzwanzig Pferdekraft mit oszillierenden Zylindern nahm wenig Raum ein: für ein Schiff von hundertundsiebzig Tonnen eine bedeutende Kraft. Da es zudem reichlich mit Segeln versehen war, so besaß es außerordentliche Schnelligkeit, wie die Probefahrten bewiesen.
Nachdem die Maschine an Bord war, begann das Einbringen der Vorräte; keine geringe Arbeit, denn das Schiff wurde auf sechs Jahre verproviantiert. Die Lebensmittel bestanden aus gesalzenem und getrocknetem Fleisch, geräuchertem Fisch, Zwieback und Mehl; Kaffee und Tee wurden lawinengleich in die unteren Räume gewälzt. Richard Shandon leitete die kostbare Befrachtung als ein Mann, der sich darauf verstand; alles wurde streng ordnungsgemäß paketiert, etikettiert, nummeriert; auch wurde ein großer Vorrat von dem indischen Präparat, Pemmican2 genannt, welches sehr nahrhafte Bestandteile enthält, mitgenommen.
Diese Gattung von Lebensmitteln ließ keinen Zweifel, dass es auf eine langandauernde Expedition abgesehen war; und ein kundiger Beobachter begriff auf den ersten Blick, dass diese in die Polarmeere gehen sollte, wenn er die Tonnen Lime-juice und Kalkpastillen, Packen von Senf, Sauerampferkörnern und Löffelkraut sah, die Menge von solchen Mitteln gegen den Skorbut, welche man bei den Fahrten in die nördlichen und südlichen Zonen so notwendig braucht. Shandon besorgte diesen Teil der Ladung mit ganz besonderer Sorgfalt.
Waffen wurden wenige mitgenommen, aber eine Kammer mit Pulver gefüllt, was beunruhigen konnte; denn die einzige Kanone an Bord konnte solches Bedürfnis nicht haben. Ebenso wurde für riesenhafte Sägen gesorgt und starke Werkzeuge, wie Hobel, bleierne Keulen, Handsägen, enorme Beile usw., dazu eine ansehnliche Menge Sprengzylinder, womit man das ganze Zollgebäude Liverpools in die Luft sprengen konnte, Raketen und Kunstfeuer zu Signalen, Fanale aller Art.
Die zahlreichen Zuschauer auf den Kais von New-Princes-Docks bewunderten ferner ein langes Walfischboot von Mahagoni, eine Pirogue von Blech mit Guttapercha3 bezogen, und eine Anzahl Halkett-boafs, Kautschuküberzüge, welche man durch Aufblasen in Canots verwandeln konnte. Jeder fühlte sich umso mehr beunruhigt, als mit der sinkenden Flut der Forward zu seiner geheimnisvollen Bestimmung abzufahren im Begriff war.
1 Kontor, Niederlassung eines Handelsunternehmens <<<
2 Mischung aus zerstoßenem Dörrfleisch und Fett, die die Indianer Nordamerikas als Reiseproviant und Notration nutzten. <<<
3 gummiartiger, kautschukähnlicher Naturstoff <<<
Zweites Kapitel – Ein unerwarteter Brief
Das Schreiben, welches Richard Shandon acht Monate zuvor erhalten hatte, lautete wörtlich:
Aberdeen, den 2. August 1859.
»Herrn Richard Shandon, Liverpool.
Mein Herr!