ihn von seinem Bord aus an, das letzte Lebewohl, welches die Mannschaft des Forward zu hören bekam.
Um fünf Uhr gab der Pilot die Leitung des Schiffes an Richard Shandon zurück, und sein Kutter1 verschwand bald im Südwest.
Gegen Abend fuhr die Brigg um das Südende der Insel Man. Während der Nacht ging das Meer sehr hohl; der Forward hielt sich gut, ließ die Spitze von Ayr nordwestlich und steuerte dem Nord-Kanal zu.
Johnson hatte recht; auf dem Meer gewann bei den Matrosen die Liebe zur See die Oberhand. Beim Anblick der Trefflichkeit des Fahrzeugs vergaßen sie das Besorgliche ihrer Lage. Das Leben an Bord gestaltete sich regelmäßig.
Der Doktor schlürfte mit größtem Behagen die Seeluft; er ging kräftigen Schrittes allen Windstößen entgegen, für einen Gelehrten auf ziemlich seemännischem Fuß.
»Das Meer ist doch etwas Herrliches«, sagte er zu Meister Johnson, als er nach dem Frühstück wieder auf das Verdeck sich begab. »Ich mache mich etwas spät mit demselben vertraut, aber ich werde mich bald darein finden.«
»Sie haben recht, Herr Clawbonny; ich gäbe alle Kontinente der Welt für ein Stückchen Ozean. Man behauptet, die Seeleute würden bald ihr Geschäft müde; nun bin ich schon vierzig Jahre Seefahrer, und dies Leben gefällt mir noch so gut wie am ersten Tag.«
»Es ist doch eine wahre Lust, ein gutes Schiff unter den Füßen zu haben, und irre ich nicht, so hält sich der Forward trefflich.«
»Sie urteilen richtig, Doktor«, erwiderte Shandon, der zu den beiden hinzutrat, »’s ist ein trefflich Fahrzeug, und ich sage offen, noch nie ist ein für die Fahrt ins Eismeer bestimmtes Schiff besser versehen und bemannt gewesen. Das erinnert mich, wie vor dreißig Jahren der Kapitän James Ross,2 als er die nordwestliche Durchfahrt suchte …«
»Er fuhr auf der Victoria«, sagte lebhaft der Doktor, »einer Brigg von etwa gleichem Tonnengehalt wie die unsrige, und ebenfalls mit einer Dampfmaschine.«
»Wie? Das wissen Sie?«
»Urteilen Sie selbst«, fuhr der Doktor fort, »damals waren die Maschinen noch in ihrer Kindheit, und die der Victoria verursachte derselben mehr wie eine nachteilige Verzögerung: Nachdem der Kapitän Ross sie Stück für Stück vergeblich repariert hatte, ließ er sie zuletzt auseinandernehmen und gab sie bei seinem ersten Winteraufenthalt auf.«
»Teufel!« rief Shandon, »Sie wissen es genau, sehe ich!«
»Was meinen Sie?« fuhr der Doktor fort. »Das hat man vom Lesen. Ich habe die Werke von Parry, Ross, Franklin, die Berichte von Mac Clure, Kennedy, Kane, Mac Clintock gelesen, und es ist dabei etwas an mir hängengeblieben. Ich sage weiter, dass dieser nämliche Mac Clintock an Bord des Fox, einer Schraubenbrigg, wie die unsrige, leichter und direkter zum Ziel gelangte, als alle seine Vorgänger.«
»Sie haben vollkommen recht«, erwiderte Shandon, »dieser Mac Clintock ist ein kühner Seemann; ich hab’ ihn bei der Arbeit gesehen. Sie können beifügen, dass wir uns gleich ihm schon im April in der Davis-Straße befinden werden, und wenn es uns gelingt, zwischen den Eisblöcken durchzudringen, so wird das unserer Reise einen bedeutenden Vorschub geben.«
»Sofern nicht«, entgegnete der Doktor, »es uns geht wie dem Fox im Jahre 1857, dass wir gleich im ersten Jahre zwischen den Eisblöcken des nördlichen Baffins-Meeres steckenbleiben und mitten in der Eisdecke überwintern müssen.«
»Wir müssen hoffen, dass wir glücklicher sein werden, Herr Shandon«, erwiderte Johnson, »und wenn man mit einem Fahrzeug wie dem Forward nicht dringen kann, wohin man will, muss man es ganz aufgeben.«
»Übrigens«, fuhr der Doktor fort, »wenn der Kapitän an Bord ist, wird er besser als wir wissen, was zu tun ist, und umso mehr, als es uns vollständig unbekannt ist; denn aus seinem gar zu lakonischen Briefe können wir den Reisezweck nicht erraten.«
»Es ist schon viel wert«, erwiderte Shandon lebhaft, »dass wir wissen, welchen Weg wir zu nehmen haben; und jetzt, seit einem Monat, denk’ ich mir, wir können die übernatürliche Einwirkung dieses Unbekannten und seiner Instruktionen schon entbehren. Übrigens wissen Sie meine Meinung über ihn.«
»Ho! Ho!« rief der Doktor aus. »Ich glaubte wie Sie, dieser Mann werde das Kommando des Schiffes Ihnen lassen und niemals an Bord kommen, aber …«
»Aber?« versetzte Shandon etwas ärgerlich.
»Aber seit Ankunft des zweiten Briefes hab’ ich in dieser Hinsicht meine Ideen ändern müssen.«
»Und weshalb, Doktor?«
»Weil dieser Brief Ihnen zwar die Richtung angibt, welche genommen werden soll, allein über die Bestimmung der Forward keine Auskunft gibt; man muss aber doch wissen, wohin man fährt. Wie kann, frage ich, ein dritter Brief an Sie gelangen, weil wir uns auf hoher See befinden! Auf Grönland muss der Postdienst etwas zu wünschen übrig lassen. Sehen Sie, Shandon, ich denke mir, dieser Schalk wartet auf uns an einem dänischen Platze, zu Holsteinborg oder Uppernawick; dort wird er zu seiner Ladung noch Robbenfelle, Schlitten und Hunde kaufen, kurz alle Gerätschaften, welche für eine Reise in das nördliche Eismeer nötig sind. Es wird mich daher wenig überraschen, wenn wir ihn eines schönen Morgens aus seiner Kabine herauskommen und das Kommando auf eine durchaus nicht übernatürliche Weise führen sehen.«
»Möglich«, erwiderte Shandon trocken; »aber inzwischen weht frischer Wind, und es ist nicht klug, zu solcher Zeit seine Masten einer Gefahr auszusetzen.«
Shandon verließ den Doktor und gab Befehl, die hohen Segel aufzugeien.
»Es hält«, sagte der Doktor zum Rüstmeister.
»Ja«, erwiderte letzterer, »und das ist zu bedauern, denn Sie könnten wohl recht haben, Herr Clawbonny.«
Am Samstag gegen Abend fuhr der Forward am Vorgebirge Galloway vorüber, dessen Leuchtturm nordöstlich bemerklich ward; während der Nacht ließ man das Vorgebirge Cantyre im Norden und Kap Fair im Osten der Küste Irlands. Gegen drei Uhr früh lief die Brigg neben der Insel Rathlin vorbei aus dem Nord-Kanal in den Ozean.