Matthias Gretzschel

PEKING


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Familienkreis von ehrenwerten und liebenswürdigen Leuten zu, mit welchen wir allzeit in intimer Verbindung geblieben sind.“

      Ferdinand Laeisz wird also garantiert nichts dagegen gehabt haben, den ersten Schiffsneubau nach der allseits beliebten Schwiegertochter zu nennen. Interessant ist, dass man das neue Schiff aber eben nicht SOPHIE nennt, was eigentlich nahegelegen hätte, sondern den Kosenamen wählt. Das offenbart zumindest einen ausgeprägten Sinn für Humor. Es kann aber auch daran gelegen haben, dass der eigentliche Name durch den Schoner SOPHIE UND FRIEDERIKE schon vergeben war. Der Kosename ist jedenfalls so beliebt, dass sich der Pudel schon bald zum Maskottchen der Reederei entwickelt. Eine Pudelskulptur krönt sogar bis heute weithin sichtbar den imposanten Mittelgiebel des 1897/98 am Nikolaifleet errichteten Kontorhauses Laeiszhof, des Firmensitzes der Reederei. Folgenreicher ist allerdings die Tatsache, dass später fast alle Namen der Laeisz-Schiffe von Sophies Kosenamen abgeleitet werden, genauer gesagt, von dessen erstem Buchstaben: PACIFIC, PERU, PANAMA, PRINZESS, POMMERN, PASSAT, PADUA oder auch die PEKING.

      An solche großen und schnellen Schiffe ist zunächst noch gar nicht zu denken, aber immerhin ist seit der Indienststellung der Bark PUDEL 1857 klar, dass sich die Handelsfirma F. Laeisz immer mehr zur Reederei entwickeln wird. Doch die Zeiten sind schwierig: Viele Hamburger Firmen leiden erheblich unter der im Spätsommer 1857 ausbrechenden internationalen Wirtschaftskrise, manche gehen sogar Bankrott, und Ferdinand rechnet schon mit der Zahlungsunfähigkeit. Doch sein Sohn Carl kann ihn beruhigen, ihm gelingt es auch, durch besonnenes Handeln, die Reederei wieder in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Mehr noch: Jetzt geht es erst richtig los. In den folgenden Jahrzehnten lässt F. Laeisz Schiffe bauen oder kauft sie anderen Reedern ab, verzichtet zunächst aber noch auf die P-Namensgebung. So trägt die 1858 erworbene Brigg den Namen SCHILLER, was Ferdinand gewiss zusagt, da er ein großer Bewunderer des deutschen Nationaldichters ist. Zwei Jahre später folgen die Barken INDIA und COSTA RICA. 1862 kommt es gleich zu vier Ankäufen, so erwirbt F. Laeisz die Bark NEPTUN, die Brigg PERU sowie die Barken PANAMA und PERSIA: Drei der vier Neuzugänge haben das P als Anfangsbuchstaben, was zu dieser Zeit wohl schon Absicht ist, aber noch keine strenge Firmenrichtlinie.

      Dieses Gemälde zeigt die Bark PUDEL im Trockendock der Stülcken-Werft.

      Seit Anfang der 1860er-Jahre besitzt die Reederei F. Laeisz bereits eine ansehnliche Flotte. Im Jahr 1870 verfügt sie über zehn Schiffe und nimmt inzwischen unter Hamburgs Segelschiff-Reedereien den fünften Platz ein. Nach und nach werden die in die Jahre gekommenen ersten Schiffe ausgemustert und durch größere, modernere und leistungsfähigere ersetzt. Fast jedes Jahr kauft die Reederei mit der FL-Flagge, die für Ferdinand Laeisz steht, nun Schiffe dazu, meistens von der Hamburger Reederei J.T. Bahr. Deren Besitzer ist Julius Theodor Bahr, der vorzügliche Geschäftsbeziehungen nach Südamerika unterhält, vor allem nach Chile und Peru.

      Die hölzerne Brigg PERU gehörte zu den Flying-P-Linern. Dieses Foto entstand in Port Chalmers auf der Südinsel von Neuseeland.

      So vermittelt Bahr zum Beispiel ein äußerst lukratives Geschäft zwischen einer gewissen Dona Carolina Garcia de la Huerta, die offenbar über beträchtliche Mittel verfügt, und der Hamburger Stülcken-Werft. Der Auftrag umfasst den Bau einer größeren Anzahl von Barken, die alle spanische Namen tragen und unter chilenischer Flagge fahren. Das ist insofern von Bedeutung, als Hamburg 1864 von den Auswirkungen des Deutsch-Dänischen Kriegs betroffen ist. Hamburger Schiffe können die dänische Blockade nicht durchbrechen, chilenische Schiffe aber durchaus. So ist es ziemlich clever, dass F. Laeisz aus diesem Bestand gleich mehrere Barken erwirbt und deren spanische Namen beibehält. Sie heißen MERCEDES, ROSA Y ISABEL, CAROLINA, HENRIQUE, THEODORA, RICARDO und DON JULIO. Mehr noch, auch dank der Kontakte von Julius Theodor Bahr kann die Reederei F. Laeisz nun noch stärker in Südamerika Fuß fassen. 1862 erreichen Segler mit der FL-Flagge erstmals den chilenischen Hafen Valparaíso. Ob sie da schon wissen, welche Bedeutung dieser und weitere südamerikanische Häfen in den kommenden Jahrzehnten für die Reederei haben werden?

      Aber schauen wir noch einmal auf Pudel, also Sophie Laeisz, und ihren Ehemann Carl. Ein Jahr nach der Eheschließung wird am 10. August 1853 der Sohn Carl Ferdinand geboren, der wie sein Vater ein Einzelkind bleibt. Der Großvater ist glücklich, er kümmert sich besonders intensiv um den Enkel, verbringt viel Zeit mit ihm und unternimmt mit ihm auch Ausflüge in die Stadt, die Umgebung und weit darüber hinaus. Dazu schreibt er: „Im Sommer 1873 machte ich mit meinem Enkel eine Wanderung, meist zu Fuß, durch das Salzkammergut und hatte die Befriedigung bei der Besteigung des Schafberges noch ganz gut mitkommen zu können und durch eine prachtvolle Aussicht belohnt zu werden. Im Anschluss an diese Reise besuchten wir die Wiener Weltausstellung, welche an Umfang und Großartigkeit ihre Vorgänger zu London und Paris noch erheblich übertraf. Im folgenden Jahre besuchte ich meinen Enkel in London und konnte mich, da er dort gut Bescheid wusste, noch einmal gründlich in dieser mir immer vorragend interessanten Handelsmetropole durch den Augenschein orientieren. 1875 begleitete ich meinen Enkel auf seiner Reise nach Südamerika bis Paris und sah mich noch eine Woche lang in seiner Begleitung in dieser Stadt des Luxus und des Wohllebens um, welche ich seit 20 Jahren nicht besucht hatte und ganz außerordentlich verschönert fand.“

      Die Familie Laeisz gehört zur tonangebenden Schicht in Hamburg. Man ist stolz auf den Erfolg, weltgewandt, pflegt eine bürgerliche Lebensweise und schaut mit Zuversicht in die Zukunft. Ferdinand Laeisz wird als erfolgreicher Geschäftsmann geschätzt, ist sich seiner Stellung dabei durchaus bewusst. Er ist geistig interessiert und sehr belesen, hat eine liberale Grundeinstellung, ist sozial engagiert und lehnt zum Beispiel die Sklaverei, die er bei seinen Reisen kennengelernt hat, grundsätzlich ab. Er kann poltern und seine Meinung ohne viel diplomatisches Gespür zum Ausdruck bringen, gilt aber zugleich als warmherzig und gütig. Im „Hamburgischen Correspondenten“ findet sich später als Nachruf die folgende Charakterstudie:

      „Die kräftige Gestalt mit dem energischen Kopfe und den lebhaften Augen, die rasche, energische Sprache und ein kaustischer (gemeint ist beißender) Humor, dem das rechte Schlagwort im gegebenen Augenblick immer zu Gebot stand, zeigen ihn als eine volle und ganze Persönlichkeit, die mit echt hamburgischer Derbheit und rücksichtslosem Dreinfahren ihre Kraft kundzugeben pflegte. Unter seiner rauen Weise schlug ein warmes Herz und nicht selten setzte er seiner eigenen Weichmütigkeit ein polterndes Wort als Damm entgegen.“

      Der Enkel Carl Ferdinand entwickelt sich ganz so, wie sich das die Eltern und der Großvater wünschen. Selbstverständlich absolviert er eine kaufmännische Ausbildung, die er in London abschließt. Dann tritt er eine zweijährige Weltreise an, bevor ihn Vater und Großvater 1879 als Teilhaber ins Geschäft aufnehmen. Acht Jahre später wird der Seniorchef hochbetagt sterben. Carl Ferdinand setzt inzwischen eigene Akzente, baut ein Seeversicherungsgeschäft auf, beteiligt sich auch an einer Dampfschiffreederei, wirkt zeitweise als Aufsichtsrat bei der Hapag, zählt zu den Begründern der See-Berufsgenossenschaft und gehört auch dem Vorstand der Handelskammer an, einige Jahre sogar als Präses. Außerdem betätigt er sich politisch. Von 1892 bis zu seinem Tod ist er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Auf Porträts wirkt er im Gegensatz zu seinem eher bärbeißig anmutenden Vater wie ein Feingeist, ein Intellektueller. Er ist erfolgreich, hat zwei Söhne, und eigentlich sind seine Zukunftsaussichten glänzend. Doch völlig unerwartet stirbt er mit nur 47 Jahren auf eine merkwürdige, geradezu unsinnige Weise. Dazu schreibt Johannes Gerhardt in seiner biographischen Studie „Sophie und Carl Heinrich Laeisz“:

      Auf dem zentralen Treppenabsatz der Laeiszhalle trägt eine Gedenktafel mit Porträtmedaillons die Namen der beiden Stifter.

      „Zu Beginn des Jahres 1900 wurde die Stadt Hamburg von einer Grippewelle erfasst, von der auch Carl Ferdinand Laeisz betroffen wurde. Nachdem er einige Wochen an der Krankheit laboriert hatte, kam er auf die seltsame Idee, an einem Tag mit dem Fahrrad von Hamburg nach Schwerin und zurück zu fahren, um dadurch den Infekt loszuwerden. Nach dieser Parforcetour verschlimmerte sich jedoch seine Lage dramatisch infolge einer