von ihrer Höhe. Da diese Gewinnmarge als Prozentsatz festgelegt wird, entstand eine Art umgekehrte Incentivierung: Zehn Prozent garantierter Gewinn auf Kosten von einer Milliarde (hundert Millionen) sind ja deutlich mehr als zehn Prozent auf 500 Millionen (fünfzig Millionen). Mit anderen Worten: Je mehr Kosten der Regierungsauftragnehmer ausweisen kann, desto besser für ihn (aber leider nicht für den Steuerzahler).
Der letzte oft genannte Grund für hohe Kosten in der Weltraumfahrt ist ein Teufelskreis aus hohen Raketenkosten und hohen Satellitenkosten. Dieser Grund scheint intuitiv plausibel, manche lassen ihn dennoch nicht gelten. Wenn ein Raketenstart sehr teuer ist, dann hat der Kunde einen Anreiz, so viel Wert wie möglich in seinen Satelliten zu packen und mehrere Starts zu vermeiden. Wenn ein Kunde nicht häufig fliegt und die Nutzlast (der Satellit) sehr teuer ist – und ein möglicher Verlust damit auch –, dann hat der Raketenbetreiber ein Incentive auf seiner Seite, die Startkosten hoch zu halten.
So viel zur Ausgangslage. Um die Jahrtausendwende herum änderte sich die Situation langsam, aber sicher, wenn auch konkrete Effekte erst seit Kurzem spürbar sind. Zwischen 1998 und 2004 wurden in den USA mehrere Gesetze verabschiedet mit dem Ziel, den Aufbau eines privaten Weltraumsektors anzuregen und damit unter anderem mehr Optionen für Raketenstarts und die Versorgung der ISS zu entwickeln24. Die Vertragsstruktur zwischen Regierung und Privatsektor wechselte zumindest teilweise vom geradezu absurden „Kosten Plus“-Modell zu den in der Privatwirtschaft normalen Fix-Preisen. Jeff Bezos gründete um diese Zeit Blue Origin und Elon Musk sein Unternehmen SpaceX. Zur gleichen Zeit fand der X-Prize-Wettbewerb statt, bei dem privat finanzierte Teams versuchten, als Erste eine bemannte Rakete zweimal in den Weltraum zu fliegen. Blue Origin, SpaceX und einige andere – heutzutage weniger bekannte und teilweise fehlgeschlagene – Firmen fingen bald an, gezielt wiederverwendbare Raketen zu entwickeln. Es sollte aber noch bis 2015 dauern, bis die beiden großen neuen Weltraumunternehmen in kurzem Zeitabstand aus dem Weltraum zurückkehrende erste Raketenstufen erfolgreich landeten. Während Blue Origin seine Raketen intern weiterentwickelte und testete, flog (und landete) SpaceX seine teilweise wiederverwertbare Falcon-9-Rakete immer häufiger, und das sowohl für Regierungs- wie für Privatwirtschaftskunden. 2018 starteten Falcon-9-Raketen zwanzig Mal, und elf dieser Raketen hatten erste Stufen, die schon einmal geflogen und gelandet waren25. Die zweite Raketenstufe blieb weiterhin nicht wiederverwertbar und war deshalb bei jedem Flug neu. Das bedeutete, dass auch die Produktionszahlen bei SpaceX anstiegen und damit die positiven Skaleneffekte in der Produktion.
Heutzutage zahlt man für einen unbemannten Nutzlast-Flug in eine niedrige Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit oder LEO) auf einer Falcon 9 von SpaceX zwischen fünfzig und sechzig Millionen Dollar. Da die Rakete maximal dreiundzwanzig Tonnen Nutzlastkapazität hat (aber meistens weniger mitnimmt, unter anderem, da man zusätzlichen Treibstoff braucht, um die erste Stufe wieder zu landen), liegt der Preis pro Kilogramm Nutzlast bei weniger als 3.000 Dollar. Vergleichbare andere Raketen, zum Beispiel die amerikanische Atlas V, die europäische Ariane 5, die japanische H-II und die indische LVM3 kommen mit Kosten von etwa sieben- bis zehntausend Dollar pro Kilogramm Nutzlast. Die einzige andere Rakete, die preislich der Falcon 9 nahekommt, ist die bewährte russische Proton, die nicht wiederverwendbar ist. Allerdings ist nicht jeder bereit, eine russische Rakete zu benutzen – für amerikanische Aufklärungssatelliten ist sie als Startoption natürlich ausgeschlossen. Obwohl SpaceX keine Zahlen hinsichtlich der eigenen Kosten veröffentlicht, kann man anhand verschiedener Daten abschätzen, dass die Falcon-9-Rakete wahrscheinlich weniger als die Hälfte von dem kostet, was die SpaceX-Endkunden zahlen. Da SpaceX zumindest im Moment mit solchen Kosten absolut konkurrenzlos ist, scheint es plausibel, dass sich das Unternehmen in der Preisgestaltung für die Falcon 9 einfach am billigsten Konkurrenzprodukt – der Proton – orientiert hat.
Ähnlich verhält es sich bei Flügen mit Besatzung. Die Zahlen im letzten Paragraphen gelten für Flüge mit reiner Nutzlast (meist Satelliten). Flüge mit Menschen sind komplizierter, da man unter anderem ein Lebenserhaltungssystem braucht und die Menschen wieder zur Erde zurückbringen muss. Die letzte amerikanische Option für bemannte Flüge war das Space Shuttle und wie wir schon gesehen haben, hat ein Flug im Schnitt 500 Millionen Dollar gekostet. Nachdem das Shuttle 2011 in den Ruhestand ging, hatten die USA keine eigene Transportkapazität mehr für ihre Astronauten. Die große Weltraummacht musste deshalb, peinlicherweise, ihre Astronauten auf russischen Sojus-Raketen zur Internationalen Raumstation (ISS) fliegen, für einen Preis von sechsundachtzig Millionen Dollar pro Astronaut. In Zukunft werden amerikanische Astronauten wieder in einer amerikanischen Raumkapsel, der Crew Dragon, an der Spitze einer amerikanischen Rakete, der Falcon 9, fliegen, und das deutlich günstiger für fünfundfünfzig Millionen Dollar. Der erste Start der Crew Dragon, mit zwei NASA-Astronauten an Bord, wurde Ende Mai 2020 erfolgreich durchgeführt. Die Landung erfolgte Anfang August auf dem Wasser im Golf von Mexiko.
Bald indes könnten Flüge in den Weltraum noch deutlich günstiger werden. SpaceX arbeitet im Moment bereits intensiv an der Entwicklung des nächsten Raumschiffs, dem gigantischen Starship, das zusammen mit der noch gigantischeren ersten Stufe Super Heavy bis zu hundert Tonnen in eine niedrige Umlaufbahn (LEO) fliegen könnte (und weniger Gewicht noch viel weiter, zum Beispiel zum Mond oder Mars). Das Starship ist so konzipiert, dass, vom verbrauchten Treibstoff abgesehen, einhundert Prozent wiederverwertbar sein sollen – wie bei einem normalen Flugzeug. Die Kosten für den Transport pro Kilo in eine niedrige Umlaufbahn könnten eventuell auf einige Hundert Dollar sinken. Gleichzeitig arbeitet Blue Origin an seiner großen Schwerlast-Trägerrakete New Glenn und hat die noch größere New-Armstrong-Rakete in der Pipeline. Bei den Blue-Origin-Raketen ist noch nichts über die Kosten und die angestrebten Preise durchgesickert, aber alle sollen wiederverwendbar sein. Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Preis für den Transport von einem Kilogramm Nutzlast in eine niedrige Umlaufbahn noch vor wenigen Jahren bei 10.000 Dollar lag und mit Raketen der nächsten Generation für Endkunden womöglich weniger als 1.000 Dollar betragen könnte, dann wäre das ein Preisverfall von neunzig Prozent oder sogar noch mehr. Das fällt stärker ins Gewicht als der geschätzte Preisverfall bei den Transportkosten in den amerikanischen Westen, als die Eisenbahn die Pferdekutsche ersetzte.
Parallel zu diesen Entwicklungen bei den Raketen gibt es ganz ähnliche Trends bei Satelliten und deren Komponenten, die man nicht aus den Augen verlieren sollte. Da viele Komponenten von Satelliten Hochtechnologie-Teile sind, profitieren sie von denselben Entwicklungen wie der Technologie-Sektor im Allgemeinen, inklusive immer günstigerer und kleinerer Bauteile26. Dass die Teile günstiger werden ist für sich genommen schon gut, aber der zweite Trend – die zunehmende Miniaturisierung der Teile – ist in der Weltraumfahrt von enormer Bedeutung. Kleinere Teile bedeuten normalerweise niedrigeres Gewicht und niedrigeres Gewicht bedeutet niedrigere Raketenstartkosten. Im Jahr 1999 fingen die Professoren Jordi Puig-Suari an der California Polytechnic State University und Bob Twiggs in Stanford27 mit Hilfe der viel kleineren Teile an, den sogenannten CubeSat (Würfelsatellit) zu entwickeln. Bei CubeSats handelt es sich um Würfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern und einem Gewicht von meist ein bis zwei Kilo, die aber voll funktionsfähige Satelliten darstellen. Ein CubeSat-Satellit kann aus einem solchen Würfel bestehen („1U“) oder mehreren zusammengesetzten Würfeln (zum Beispiel 2U, 3U, 6U, 12U). Ein wichtiger Nebeneffekt dieser standardisierten Größe war die Entwicklung und Fertigung von auf CubeSat-Größe standardisierten Satellitenkomponenten. Dieser „Ökosystem-Effekt“ machte den Bau von CubeSats noch einfacher und günstiger. Obwohl CubeSats ursprünglich für Lehrzwecke an Universitäten entwickelt worden waren, gab es durch diese Effekte bald immer mehr neue Weltraum-Unternehmen, die Konstellationen von CubeSats zur Basis ihres Geschäftsmodells machten, zum Beispiel die Erdbeobachtungsunternehmen Planet und Spire. Heutzutage kann man einen 1U-CubeSat für weniger als 100.000 Dollar kaufen, inklusive Raketenflug in eine niedrige Umlaufbahn.
Neben den günstigeren Komponenten und der Standardisierung gibt es auch in der Satellitenproduktion mittlerweile Skaleneffekte. Früher waren Satelliten oft einzelne Sonderanfertigungen, nach Maß geschneidert für eine Mission und für einen Kunden. Die aktuellen Pläne von SpaceX und anderen für große Satellitenkommunikations- und Erdbeobachtungs-Konstellationen machen die Fertigung von Tausenden identischen Satelliten nötig – praktisch eine Produktion am Fließband. SpaceX lanciert zum Beispiel schon heute fast jeden Monat sechzig seiner Starlink-Kommunikationssatelliten im All und