André Moritz

Soft Skill für Young Professionals


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Situationen abbauen

      Übungen zum Aufbau und der Steigerung des Selbstbewusstseins beruhen auf der Überwindung des Vermeidungsverhaltens unangenehmer Situationen. Solche Übungen können Sie zum Teil direkt während entsprechender Seminare durchführen. Andere Übungen entsprechen eher Aufgaben, welche Sie langsam und kontinuierlich in den Alltag einbauen müssen und nicht direkt in einzelne Aktivitäten umsetzen können. Zum Beispiel gibt es eine Aufgabe, welche verlangt, dass Sie einen nicht zwingend benötigten, preisgünstigen Gegenstand kaufen (z. B. einen Hammer) und ihn am nächsten Tag das Umtauschrecht nutzend zurückgeben. Dies steigert beispielsweise das Selbstvertrauen, etwas Legales, aber Unangenehmes zu tun.

      Grüßen Sie alle Personen in Ihrem Umkreis mit einem „Einen schönen guten Tag“ oder ähnlich umfassenderem Satz als „Guten Tag“. Seien Sie konsequent. Gehen Sie in eine Einkaufsstraße oder setzen Sie sich in einen Bus und grüßen Sie zehn vollkommen unbekannte Personen mit einem „Guten Tag“. Manche Personen werden zurückgrüßen, manche sagen gar nichts. Den Personen, welche nachfragen, erklären Sie, dass Sie einfach nur freundlich sein wollten. Entschuldigen Sie sich auf keinen Fall!

      Gehen Sie in ein Geschäft und bitten Sie eine Verkäuferin oder die Kassiererin, Ihnen den Zwanzig-Euro-Geldschein in Ein-Euro-Münzen zu tauschen. Wiederholen Sie dies so oft, bis es Ihnen nichts mehr ausmacht. Fragen Sie dann in jeder langen Schlange, ob Sie vorbei dürfen. Sie haben es sehr eilig oder Ihr Kind wartet allein zu Hause.

      Weitere Übungen generieren Sie am besten dadurch, dass Sie Situationen suchen, in denen Sie typischerweise eine Vermeidungshaltung an den Tag legen und niemanden stören wollen. Ideal sind alle Aufgaben, die Ihnen unangenehm sind.

      Die richtige Portion Selbstbewusstsein

      Zielereichung wirkt direkt auf das Selbstwertgefühl

      Das Erreichen der eigen formulierten Ziele und das Erfüllen der appellierten Standards wirken direkt auf die Höhe des Selbstwerts. Wenn eine Person nicht erreicht, was sie sich selbst vorgenommen hat, kann sie trotz hoher externer Anerkennung und Zurede nur ungenügend ein positives Selbstvertrauen aufbauen. Schnell entwickelt sich eine introvertierte Persönlichkeit, welche nicht offen mit anderen über eigene Probleme reden kann, da sie auch noch den Verlust der externen Anerkennung befürchtet.

      Prinzipiell scheint ein moderat niedriger Selbstwert ein fundamentales Entwicklungspotenzial zu beinhalten. In der ständigen Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls müssen Sie einen produktiven Ausgleich zwischen Selbstkritik und dem Willen zur Veränderung erwirken. Eine zu hohe Willenskraft zur Veränderung und eine zu energische Selbstkritik führen aber konsequenterweise nicht zu einer Erreichung des Zieles. Andersherum ist bei Menschen mit hohem Selbstwert ein Mangel an Selbstkritik ein Hindernis, sich weiterzuentwickeln.

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      Abbildung 5: Weiterentwicklung in Abhängigkeit des Selbstvertrauens

      Selbst- und Fremdkritik fördern die Persönlichkeitsausbildung

      Aus den heutigen Erkenntnissen von Persönlichkeitsmodellen und Psychologie ist es natürlich anzustreben, ein positives Selbstbewusstsein aufzubauen. Dieses Selbstbewusstsein darf aber nicht nur abgrenzungsorientiert sein, sondern sollte auch selbstorientiert sein. Wenn Sie ein positives Selbstvertrauen aufgebaut haben, sollten Sie Fremd- und Selbstkritik anregen bzw. forcieren. Nur diese Anregungen entwickeln und manifestieren eine Persönlichkeit langfristig. Auch eine Person, welche gar keine Kritik zulässt, wird schnell durch ein introvertiertes Auftreten auffällig, da sie sich von anderen Meinungen und damit von anderen Personen an sich löst.

      Woher wissen Sie nun, ob Sie die exakt ausreichende Menge besitzen und wie weit Sie damit richtig umgehen? Zuerst können Sie an den obigen Merkmalen evaluieren, wie weit das Selbstvertrauen ausgeprägt ist. Als modernes Element bietet sich ein wiederholtes 360°-Feedback an, welches Ihnen umfassend Kritik und erfahrungsgemäß überproportional viel Lob anbietet, um sich selbst weiterzuentwickeln. Die richtige Menge an Selbstvertrauen haben Sie, wenn Sie keinerlei Probleme mit Ihrem Selbstvertrauen in Ihrem privaten und beruflichen Umfeld haben und auf der anderen Seite nicht negativ durch dominierendes Selbstbewusstsein auffallen.

      Stimmungen als temporäre Fühlmuster

      Stimmungen sind dauernde Gefühlszustände, welche uns fortwährend im Privat- und Berufsleben umgeben. Dabei beeinflusst die Stimmungen jede zwischenmenschliche Interaktion und determiniert damit auch einen großen Teil unseres Verhaltens. Obwohl dieses Thema in der herkömmlichen Darstellung der Soft Skills eher wenig explizite Aufmerksamkeit findet, erscheint es bedeutend, sich auch mit diesem Gebiet zu beschäftigen. Durch Erkenntnisse über sich selbst können Sie sensibler und besser mit sich und anderen Personen umgehen.

      Stimmungen prägen unser Verhalten

      Stimmungen, welche unser Privat- und Berufsleben wohl am meisten beeinflussen, sind die der Trauer, der Freude, der Angst sowie der Zufrieden- und Unzufriedenheit.

      Trauer und Freude

      „Die größte Gefahr lauert im Moment des Sieges.“

      NAPOLEON BONAPARTE

      Trauer und Freude treffen uns vorwiegend unerwartet und beeinflussen uns über einen ausgedehnten Zeitraum. Bedeutend ist, mit Freude ebenso einträglich und produktiv umzugehen, wie auch mit Trauer. Trauer ist dabei eine Reaktion auf ein Verlustgefühl. Diese Verluste können beispielsweise der Tod von einer nahe stehenden Person, eines Haustiers oder der Verlust eines Lieblingsgegenstandes sein. Im Muster der Trauer treten vier Phasen auf:

      ▪ Verdrängungsphase, welche sich durch ein betäubtes Benehmen zeigt

      ▪ Verzweiflungs- oder Sehnsuchtsphase

      ▪ niedergeschlagene oder depressive Phase

      ▪ Reorganisation des Individuums

      Alle Phasen müssen durchwandert werden

      Diesen Prozess der vier Phasen hat schon Sigmund Freud (1856 bis 1939) als „Trauerarbeit“ (Abbildung 6) bezeichnet. Heute ist dieses Muster nicht nur akzeptiert, sondern es ist auch aufgezeigt, dass eine Person alle diese Phasen durchwandern muss, um nicht in den Zustand der pathologischen Trauer, das heißt, in anhaltende Depressionen zu verfallen. Besonders die letzte Phase der Reorganisation kann nicht nur mit Schuldgefühlen, sondern auch mit Aggressionen, beispielsweise gegenüber der verstorbenen Person oder dem nahen Umfeld, einhergehen.

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      Abbildung 6: Trauerarbeit nach Sigmund Freud

      Haben Sie diesen Prozess verstanden, können Sie sich und andere Personen in der Trauerarbeit unterstützen und sich oder der Person Zeit zum Durchwandern aller Phasen geben. Eine bessere Verarbeitung des Vorfalls führt zu einem geringeren Risiko des Rückfalles in Aggression, Niedergeschlagenheit und Depression.

      Zeitnahe Verarbeitung von positiven und negativen Gefühlen

      Wie bereits eingangs diskutiert bedarf der Umgang mit Freude ebenfalls einer aktiven Herangehensweise. Freude ist ein Gefühl, welches Sie ebenso wenig unterdrücken sollten wie Trauer. Es gibt jedoch Situationen, in welchen Sie aus strategischen Gründen keine überschwängliche Freude zeigen sollten, wie beispielsweise in professionellen Verhandlungen. Äußerst häufig ist die Zeit der freudigen Euphorie schon aufgrund der Unachtsamkeit eine erneute Quelle der Gefahr. Ebenfalls gibt es Szenarien, in welchen Sie aktive Freude, zum Beispiel Freude an einer Opportunität (z. B. Freizeit), verschieben müssen, um ein höheres Maß an Freude zu einem späteren Zeitpunkt zu genießen. Zu Beachten ist dabei aber, dass verschobene Freude sich mit der Zeit verkleinert. Die Freude über ein erfolgreiches Meeting ist nach zwei Wochen nur noch kaum nachzuvollziehen, da die Erleichterung von Stress und Aufregung nicht mehr zurückzuverfolgen ist.

      In der Autobiographie von Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electric, führt dieser auf, welchen positiven Wert es hat, Erfolge zu feiern. Fragen auch Sie sich einmal, warum Sie oder eine andere Person Erfolge brauchen, wenn Sie diese nicht auch ausleben