Patricia Küll

Ab heute singe ich unter der Dusche


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ich möchte mich gerne weiterbilden, weil ich Bildung an sich schon für etwas Wertvolles halte, und ich möchte einen tollen Partner finden. Die zweite Frage ist: Was muss ich tun, um diese Glücksfaktoren zu realisieren? Beispiel: Ich möchte sportlich sein, damit ich lange glücklich leben kann und nicht so schnell krank werde. Blöderweise ist sportlich sein oder sportlich werden mit Arbeit verbunden. Ich muss also raus, joggen gehen oder Rad fahren oder schwimmen oder was auch immer. Wenn es draußen anfängt zu nieseln und ich mir dann sage: »Nö, da gehe ich lieber nicht joggen, das ist ja eh blöd«, habe ich schon einen Fehler gemacht. Ich muss mich also überwinden. Und dieses Überwinden, diese innere Hürde ist die Arbeit, die ich leisten muss. Ein Versprechen meinerseits: Wenn wir unsere Glücksfaktoren kennen und die ersten kleinen Schritte machen, dann ist der Rest super leicht. Der Anfang, wie bei einer jeden großen Reise, ist am wichtigsten. Ich muss den ersten Schritt machen, und dann rollt das Ganze.

      Oder ein anderes Beispiel, das wir nur begrenzt selbst im Griff haben: Ich möchte einen tollen Partner haben. Die Frage ist: Was kann ich tun? Ich muss raus vor die Türe und versuchen, Menschen kennenzulernen. Sportverein, Disco, Wandergruppe. Das ist die Aktivität, mit der ich starten kann. Um zu meinem Versprechen von vorhin zurückzukommen: Dann passiert irgendetwas. Nicht, dass ich direkt in der ersten Woche den richtigen Partner kennenlerne, aber ich bringe etwas in Gang. Ich arbeite daran, einen Glücksfaktor zu realisieren. Das heißt, überhaupt etwas hierfür zu tun, wird mich schon befriedigen. Da passiert etwas mit mir. Ich weiß, ich arbeite an meinem Glück. Ein anderes Beispiel: Wünscht man sich eine Beförderung, kann man sich entweder einfach nur hinzusetzen und warten, aber man kann dafür auch etwas tun. Mal ’ne Überstunde machen. Versuchen, etwas besonders gut zu machen. Der Chef wird mich nicht gleich nächste Woche befördern, aber indem ich etwas tue und weiß, es geht in die richtige Richtung, werde ich glücklicher.

       Glücksmanagement ist der einzige Weg, um glücklich zu sein

      Patricia Küll: Ihr Buch heißt »Lässt sich Glück managen?«. Welche Antwort haben Sie darauf gefunden?

      Prof. Kühnapfel: Die Antwort ist nicht nur: »Ja, es lässt sich managen«, sondern: »Glücksmanagement ist der einzige Weg, um glücklich zu sein.« Das klingt sehr ökonomisch, betriebswirtschaftlich, managementlastig, aber wir haben ja schon die halbe Miete herausgearbeitet. Erstens, ich muss eine Ist-Analyse machen. So nennen die Ökonomen das. Was gemeint ist: Ich muss mal betrachten, welche Ressourcen ich habe, welche Restriktionen, was für Ziele. Wie ein Manager. Dann muss ich herausarbeiten: Wohin möchte ich denn gehen? Welche Ziele habe ich, welche Visionen? Wenn es so ist, dass glücklich zu leben das Primärziel ist, dann stellt sich die Frage: Was macht mich überhaupt glücklich? Habe ich das herausgefunden, kommt der dritte Schritt: Ich muss schauen, welche Restriktionen ich habe. Ich bin jetzt 48 Jahre alt, ich kann bei der nächsten Olympiade keinen 100-Meter-Sprint mehr gewinnen. Dieses Ziel zu verfolgen würde mich nicht glücklich machen. Es würde mich frustrieren. Restriktion muss ich anerkennen. Damit meine ich übrigens auch charakterliche Restriktion. Wenn ich ein introvertierter Typ bin, na, dann werde ich halt einen kleineren Freundeskreis haben. Das muss ich erkennen. So, kleine Zusammenfassung bis hierher: Ich- und Ist-Analyse, Glücksfaktoren, Restriktion. Dann der vierte Schritt: Was muss ich tun, damit die Glücksfaktoren ins Leben kommen? Was entsteht, ist eine vermutlich lange Liste an sinnvollen, mehr oder weniger glücksstiftenden Tätigkeiten. Was folgt, ist, das ist jedem Manager bekannt, die Priorisierung. Denn jeder hat nur 24 Stunden am Tag oder ein bestimmtes Budget zur Verfügung; dann zerrt der Chef an einem und die Familie gleich mit. Also sind die Handlungsmöglichkeiten begrenzt und ich muss Prioritäten setzen. Wenn ich nun meine Prioritäten gesetzt habe, also weiß, welche Tätigkeit die wichtigste ist usw., dann weiß ich, wie ich meine Freizeit verbringe. Ich gehe joggen und nicht auf irgendeinem Fernsehsender irgendeine blöde Sendung gucken. Jetzt sind wir schon fast am Ende des Glücksmanagement-Prozesses. Es kommt aber noch ein sechster Schritt – auch der ist jedem Manager bekannt: die Erfolgskontrolle. Ich lehne mich alle drei Monate zurück und überlege, ob ich auf dem richtigen Weg bin. »Ah, ne, das mit dem Sport ist doch nicht so das Richtige für mich, ich will viel lieber noch eine Fremdsprache lernen.« Und dann kann ich meine Prioritäten verändern. Der Prozess wird zu einem Regelkreis. Das Büchlein habe ich übrigens für Ökonomen geschrieben, weil das deren Wording ist.

      Patricia Küll: Was tun Sie denn persönlich, um glücklich und zufrieden zu sein?

      Prof. Kühnapfel: Ich befolge natürlich meine eigenen Regeln. Ich habe für mich herausgefunden, was tatsächlich wichtig für mich ist, und versuche auch, meine Zeit zu priorisieren. Das heißt nicht, dass ich da sehr starr bin, es kann sich auch verändern. Aber diese Reflexion, diese Nabelschau, das Herausarbeiten der Glücksfaktoren, das Herausarbeiten der charakterlichen Grenzen, die Kosten der glücksstiftenden Aktivitäten, die ich tue, und das Kontrollieren der Ergebnisse, all das mache ich natürlich selbst. Ich bilde mir ein, dass für mich dieser Weg gut funktioniert, so rational er auch erscheint.

       Lebensfreuderegel 1: Nichts passiert ohne Grund

       Warum der schwärzeste Tag in meinem Leben so viele gute Seiten hat

      »Nothing happens without a reason.« Diese Worte stehen groß an der Küchenwand eines kleinen Ferienhauses in Florida, in dem ich schon viele Stunden verbracht habe. Ich liebe dieses kleine, schlammgelbe Holzhaus aus dem Jahr 1923 mit Blick auf Palmen, Bambus und einen winzigen Pool. Und ich liebe diesen Satz, über den ich in vielen schönen Sommer-Sonnen-Ferienstunden schon so viel nachgedacht habe. Nichts passiert ohne Grund. Alles, was uns im Leben widerfährt, ist für irgendetwas gut. Oft erkennen wir den guten Anteil nicht sofort. Manchmal nie oder vielleicht erst in den letzten Minuten, bevor wir von dieser Erde abtreten. Aber wenn ich einen unerschütterlichen Glauben habe, dann der, dass alles für irgendetwas nützlich ist. Dieser Satz und der Glaube daran ist deshalb so schön und tröstlich, weil man in dunklen Momenten des Lebens immer auch ein Licht sieht. Weil man weiß, dass es bei allem Schwarzen auch eine helle Seite gibt. Dass die Sonne vielleicht nur ums nächste Eck wartet, obwohl man gerade voll im Schatten steht.

      Eine Freundin von mir – sie feierte gerade ihren 50. Geburtstag – hat dieses Wochenende geheiratet. Zum zweiten Mal. Ihr Mann ist ein alter Schulfreund. Sie ist ihm nach vielen Jahrzehnten wieder nähergekommen, als sie mit einem Beinbruch im Bett lag und viel Zeit hatte, alte Kontakte aufzufrischen. In dem Moment, in dem sie sich das Bein brach, hat sie bestimmt nicht gedacht: »Juchhu, ich bin mal gespannt, was dieser Beinbruch Gutes mit sich bringt.« Aber tatsächlich hatte der Unfall eine überaus gute Seite, die viel bedeutender für den Rest ihres Lebens sein wird als der Beinbruch selbst. Wer weiß, ob sie mit ihrem alten Schulfreund überhaupt wieder in Kontakt getreten wäre, wenn sie nicht plötzlich einsam und verlassen mit Gipsbein und viel Zeit rumgelegen hätte.

      Bestimmt gab es auch in Ihrem Leben schon Ereignisse, die sich im Nachhinein als richtig gut herausgestellt haben, auch wenn sie erst einmal richtig schlecht anfingen. Farhana Dhalla ist eine Autorin aus Zimbabwe. Sie schrieb das Buch »Thank you for leaving me«. Darin geht es um das Ende ihrer Ehe, wie furchtbar es ist, verlassen zu werden, und wie wunderbar, wenn man merkt, dass sich das Leben nach der Trennung in eine viel bessere Richtung entwickelt. Also sogar im Ende einer langjährigen Beziehung, die Farhana von sich aus nie beendet hätte, gibt es gute Seiten, und ich bin mir sicher, man kann in allem scheinbar Schlechten auch etwas Gutes finden.

      Ich bin mir deswegen so sicher, weil ich es aus eigener Erfahrung weiß. Weil ich weiß, dass selbst die schlimmsten Tage im Leben etwas Gutes mit sich bringen. Weil ich so einen ganz miesen Tag schon mal erleben musste. Dabei fing alles viele Jahre zuvor so schön an.

       Jubeltag ohne Jubel

      Es ist ein sonniger Jubeltag im August. Obwohl ich nur zwei Stunden geschlafen habe, bin ich hellwach, moderiere die Frühsendung im Radio aufgeweckt und ansteckend gut gelaunt. Als ich aus dem Radiostudio rauskomme, fragt mich mein Kollege: »Sag mal, bist du verliebt?« Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe, aber die