ziehen, ist so groß, dass wir damit die schwierigsten Stürme überstehen können. Mit 43 unterzog sich Aaron einer Routineuntersuchung seiner Augen. Dabei entdeckten die Ärzte einen Tumor in seinem Gehirn. Doch Aaron verfiel weder in Panik noch in Verzweiflung. Stattdessen vereinbarte er in aller Ruhe die erforderlichen Termine, damit der Tumor untersucht und behandelt werden konnte. Er war gutartig, drückte aber auf seinen Augennerv und beeinträchtigte dadurch sein Sehvermögen. Ohne Behandlung wäre er lebensbedrohlich geworden. Die Ärzte setzten umgehend einen Operationstermin an und entfernten den Tumor.
Am Tag nach der Operation besuchte ich Aaron. Seine positive Haltung imponierte mir. »Die Ärzte sind der Ansicht, dass der Eingriff gut verlaufen ist«, verkündete er von seinem Krankenbett aus. »In einigen Wochen werden sie Bilder machen, aber ich bin optimistisch.« Und tatsächlich – sein Gesundheitszustand verbesserte sich Woche für Woche. Ich bin überzeugt, dass seine positive Einstellung entscheidend zu seiner Genesung beitrug.
Monate danach besuchte er uns in der Firma, um uns für die Unterstützung zu danken. Er wurde geradezu emotional – allerdings nicht wegen der ernsten Situation oder der erlittenen Schmerzen, sondern aus Dankbarkeit für die wichtigen Beziehungen in seinem Leben. »Tut mir leid«, sagte er, »es ist nur, weil ich so dankbar bin – für mein Leben, meine Familie und meine Freunde hier im Unternehmen.«
Aaron hatte vor langer Zeit beschlossen, sich in seinen Gefühlen nicht von äußeren Faktoren leiten zu lassen. Das ermöglichte es ihm, berufliche Herausforderungen ebenso souverän zu meistern wie die schwierigsten Momente in seinem Leben. Aarons Fähigkeit, sich sein eigenes Wetter zu schaffen, machte auch mir Mut. Denn ich hoffte sehr, dass es mir gelingen würde, auch meinen Freund, den sie am Anfang dieses Kapitels kennen gelernt haben und der in einer impulsiven Reaktion einen langjährigen Mitarbeiter vor die Tür gesetzt hatte, von den Vorzügen einer positiven Haltung zu überzeugen:
»Und wie wurde aus einem Gespräch dann eine Entlassung?«
»Ein Gespräch hat nicht wirklich stattgefunden. Als ich erfahren habe, was da läuft, habe ich ihn sofort gefeuert. Aber jetzt stellt sogar der CEO meine Entscheidung infrage und alle halten mich für den Buhmann in der Geschichte.«
Ich versuchte, meine wachsenden Zweifel zu verbergen. Womöglich lag der CEO gar nicht so falsch? Aber vielleicht steckte ja auch noch mehr dahinter?
»Sieh mal, Loyalität ist mir extrem wichtig. Zudem weiß jeder, dass ich meine Entscheidungen nicht auf die lange Bank schiebe«, fuhr mein Freund fort. »Ich hatte also gar keine andere Wahl.«
»Darf ich dich was fragen?«, setzte ich an. Mein Freund nickte. »Welchen Ruf wünschst du dir als Führungskraft? Wofür willst du einmal in Erinnerung bleiben?«
Mein Freund überlegte. »Mir ist nicht ganz klar, worauf du hinauswillst?«
»Ich dachte, vielleicht könnten wir etwas weggehen von der Entlassungssituation und die Sache in einem größeren Zusammenhang sehen.«
»Okay«, erwiderte mein Freund und dachte nach. »Ich will dafür bekannt sein, dass ich wirklich gute Leistungen bringe.«
»Gut. Und was ist mit deinen Mitarbeitern?«, fragte ich.
»Na ja, ich möchte, dass sie sich engagieren und gemeinsam mit mir wirklich gute Leistungen bringen.«
»Schon klar, aber wie sollen sie dich in deiner Rolle als Führungskraft sehen?«
Ohne zu überlegen, sagte mein Freund: »Sie sollen Respekt vor mir haben.«
Ich ließ seine Worte einen Augenblick nachklingen, bevor ich fortfuhr: »Warum willst du, dass sie Respekt vor dir haben?«
Mein Freund starrte mich an. »Warum ich mir Respekt wünsche? Es hat schließlich seinen Grund, dass ich ihr Vorgesetzter bin. Ich hoffe sehr, dass ich ihnen etwas beibringen oder bieten kann.«
»Dann lass uns diesen Faden doch mal weiterspinnen. Stell dir vor, es ist Zeit für dich, in den Ruhestand zu gehen, und deine Mitarbeiter versammeln sich zu einer Abschiedsfeier. Jeder erzählt, was er persönlich von dir gelernt hat. Was möchtest du denn da zu hören bekommen?«
Mein Freund dachte einen Augenblick nach: »Ich möchte hören, dass sie mir gegenüber ebenso loyal waren, wie ich es ihnen gegenüber war. Dass ich ein guter Mentor war und ihnen nicht nur im Beruf, sondern auch im Leben weitergeholfen habe.«
»Okay, und bitte fass meine nächste Frage nicht als Beleidigung auf«, sagte ich. »Denk daran, wie du mit dieser letzten Situation verfahren bist. Spiegelt das wider, wie du als Führungskraft wahrgenommen werden willst?«
Mein Freund starrte mich über den Tisch hinweg an: »Ich glaube nicht – ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
»Es klingt, als hättest du so reagiert, weil du das Gefühl hattest, dass dein Mitarbeiter dich hintergangen hat.«
»In dem Augenblick, ja.«
»Und jetzt?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht habe ich vorschnell geurteilt. Ich meine, ich habe ja nie richtig mit ihm darüber gesprochen.«
»Vielleicht ist es das, was dir jetzt so zu schaffen macht? Du hast dich von deiner ersten Gefühlsreaktion davon abhalten lassen, die Situation wirklich zu verstehen. Deshalb hast du eine Entscheidung getroffen, die höchstwahrscheinlich nicht mit deinen Werten in Einklang steht. Denn wenn ich dich richtig verstanden habe, möchtest du ein Mentor sein und einen positiven Einfluss auf die Arbeit und das Leben deiner Mitarbeiter ausüben.«
Mein Freund sagte einen Augenblick nichts und fragte dann: »Und was mache ich jetzt?«
»Was geschehen ist, ist geschehen. Ich weiß nicht, wie das in deinem Unternehmen so läuft. Aber vielleicht solltest du bei deinem CEO mit der Schadensbegrenzung beginnen«, schlug ich vor. »Und so schwierig das ist, wenn die Emotionen mit einem durchgehen: Denk in Zukunft daran, dass du immer die Wahl hast. Du kannst den Pausenknopf drücken, und wenn es auch nur fünf Minuten sind, um deine Gedanken zu ordnen und dich zu sammeln. Nutz diese Zeit, um dir klarzumachen, was dir wirklich wichtig ist. Frag dich einfach: Wofür willst du in Erinnerung bleiben? Und welche Worte wünscht du dir für deine Abschiedsfeier?«
»Ich vermute, darüber sollte ich nachdenken«, gestand mein Freund zerknirscht ein. »Es sieht jedenfalls so aus, als hätte ich einiges zu tun.« Ich nickte und hoffte, dass er sich diese Lektion zu Herzen nehmen würde.
Wir haben viele Möglichkeiten, unser eigenes Wetter zu schaffen. Beispielsweise können wir, komme, was wolle, eine freundliche und professionelle Haltung wahren. Oder wir können verhindern, dass andere Menschen oder die äußeren Umstände darüber entscheiden, wohin unsere innere moralische Kompassnadel zeigt. Letzten Endes haben wir immer die Freiheit, unsere Reaktion bewusst zu wählen. Diese Freiheit kann uns niemand nehmen – es sei denn, wir verzichten freiwillig darauf.
Übung zur 2. Strategie
Bringen Sie Ihr eigenes Wetter mit
Wir können unsere Beziehungen stärken, indem wir uns pro-aktiv verhalten. Denken Sie an eine Person, die Ihnen das Gefühl vermittelt, nicht recht zu wissen, wie Sie sich verhalten sollen. Oder rufen Sie sich eine Situation ins Gedächtnis,