Oberst Malakin, Major Assad und das Rudel KGB-Agenten.
„Also noch mal“, sagte Kamarow und wandte sich an einen der Männer, „wie sah der Kerl aus, der sie überrascht hat?“
Der Agent zuckte hilflos die Achseln. „Es war sehr dunkel und er trug einen schwarzen Taucheranzug. Er war auf jeden Fall Amerikaner. Er hat mich mit einer Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer bedroht und wollte mit dem Genossen Petrow sprechen.“
„Weiter“, bellte Kamarow.
„Als wir im Zimmer waren, schlug er mich nieder.“
„Und dann sanken Sie in den Schlaf des Gerechten“, knurrte Kamarow. „Glücklicherweise konnte unser Mediziner Sie mit einem Gegenmittel vorzeitig aus der Betäubung zurückholen.“
Er sah in die schweigende Runde. „Das war ein Profi, das dürfte wohl feststehen. Der Mann hatte einen ausgeklügelten Plan. Das Schlauchboot, die einzig mögliche Annäherung von der Seeseite, die lautlose Ausschaltung der Wachen – es gibt nicht viele, die das schaffen.“
„Er wird es schwer haben, das Land zu verlassen“, warf Major Assad ein. „Ich habe bereits Großalarm gegeben.“
Kamarow winkte ab. „Darauf können wir nicht bauen. Wir wissen ja noch nicht mal, ob Petrow freiwillig mitgegangen ist oder nicht. Jedenfalls will ich den Wissenschaftler und auch seinen Entführer in den Fingern haben, und wenn wir das ganze Land absuchen!“
Er ging zum Tisch und deutete auf die Karte. „Die normalen Fluchtwege sind versperrt, alle Grenzübergänge sind scharf bewacht, da kommen sie nicht durch. Er wird Petrow schnell aus dem Lande bringen wollen, das heißt, sie müssen zu einem Flugplatz. Von einem Flughafen der arabischen Nachbarländer ist das bei der Überwachung ausgeschlossen. Über die israelische Grenze kommen sie sowieso nicht. Der Weg zum Persischen Golf ist zu lang. Was bleibt also?“
„Sie werden nach Norden fliehen. Zur türkischen Grenze. Das ist von hier nur eine gute Stunde Fahrt“, sagte Major Assad.
Kamarow nickte. „Sehr richtig. Das ist die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt.“
„Wie gehen wir vor?“, fragte Oberst Malakin.
Kamarow winkte die anderen heran. „Den normalen Grenzübergang in Richtung Antiochia können sie nicht nehmen. Also ist ihnen die Küstenstraße versperrt. Ich vermute, der Amerikaner wird die Straße nach Aleppo nehmen und dann versuchen, durch die Berge über die türkische Grenze zu kommen. Wenn er das schafft, haben wir verloren. Aber ich will ihn – tot oder lebendig!“
„Haben Sie daran gedacht, dass er auf dem Luftweg herausgeholt werden könnte?“, fragte einer der KGB-Leute.
Kamarow zupfte nachdenklich an seiner Unterlippe. „Das wäre immerhin eine Möglichkeit. Major Assad, sorgen Sie dafür, dass der Luftraum lückenlos überwacht wird! Nicht mal ein Modellflugzeug darf Ihren Leuten entgehen! Außerdem müssen Sie dafür sorgen, dass überall Straßensperren errichtet werden! Und die türkische Grenze muss abgeriegelt werden!“
Assad nickte wortlos.
„Oberst Malakin, Sie nehmen sich alle verfügbaren Leute und durchkämmen, unterstützt von der einheimischen Polizei, sämtliche Ortschaften, Hotels, Cafés, Tankstellen und so weiter. Der Amerikaner und Petrow haben sich nicht in Luft aufgelöst. Irgendwo werden sie gesehen. Wir müssen Sie erwischen!“
„Und die Bewachung des Lagers?“, fragte Malakin.
„Ein drittes Mal wird der Amerikaner es nicht versuchen. Ich glaube, das Wachproblem können wir jetzt unseren Freunden überlassen. Langsam werden sie ja gemerkt haben, worauf es ankommt. Ich selbst werde mit drei von meinen Leuten die direkte Verfolgung aufnehmen. Ich werde den Weg nehmen, den ich selbst nehmen würde, wenn ich das Land verlassen wollte.“
Assad warf einen letzten Blick auf die Karte. „Nach menschlichem Ermessen kann er es nicht schaffen“, murmelte er.
Kamarow sah ihn prüfend an. „Der Fehler von euch Arabern ist, dass Ihr andere leicht unterschätzt. Ein solcher Fehler, verehrter Major, kann in unserem Geschäft tödlich sein.“
Assad lief rot an, drehte sich auf dem Absatz um und verließ wütend den Raum.
„Das wird er nie begreifen“, meinte Kamarow.
21.
Steve McCoy studierte die Karte. Seine Stirn war in Falten gezogen. Er stand neben dem Wagen und hielt die Karte auf dem Wagendach fest. Leila stand ein paar Schritte abseits und beobachtete von einem erhöhten Standpunkt die Gegend. Oleg Petrow saß auf dem Rücksitz, seine Aktentasche auf den Knien.
Der Wissenschaftler sah aus wie ein alter Araber. Leila hatte ihn mit Schminke und einigen Kleidungsstücken vollständig verändert. Auch Steve McCoys Äußeres war völlig verwandelt, und niemand würde behaupten, dass er jetzt besser aussähe.
Latakia lag ein ganzes Stück hinter ihnen. Sie befanden sich jetzt irgendwo in dem Dreieck zwischen Latakia, Antiochia und Aleppo. Bei der Fahrt durch unwegsames Gelände und über nicht gekennzeichnete Feldwege hatten sie die Orientierung verloren.
Bis zur türkischen Grenze war es noch weit.
Steve wusste, dass sich in den nächsten Stunden alles entschied. Die meisten Wege waren versperrt. Sie brauchten viel Glück und durften keine Fehler machen.
„Ich glaube, ich weiß, wo wir sind“, sagte Steve und faltete die Karte zusammen. „Wir müssen uns weiter nördlich halten, dann kommen wir westlich von Aleppo zur türkischen Grenze.“ Leila kam heran und sah ihn lächelnd an. „Warum holen wir nicht den Hubschrauber?“, fragte sie.
„Das hat jetzt noch keinen Sinn. Er kann nicht unbemerkt einfliegen, dazu sind wir noch zu weit im Landesinnern. Und ich will nicht riskieren, dass unsere letzte Rettungsmöglichkeit vorzeitig abgeschossen wird.“
Leila nickte. „Du hast natürlich recht. Wir müssen erst näher an die Grenze heran.“
Sie stieg ein und schlug die Tür zu. Steve ging um den Wagen herum, denn er wollte sie jetzt am Steuer ablösen. Als er die Hand auf den Türgriff legte, kam von hinten einen scharfe Stimme. „Keine Bewegung!“
Steve erstarrte. Das Englisch klang hart und guttural.
Petrow drückte sein erschrockenes Gesicht an die Scheibe. Leila blickte angstvoll zwischen den beiden hin und her. Durch die offenen Fenster hatten die beiden die Stimme ebenfalls gehört.
Steve rührte sich nicht, seine Hand lag immer noch auf der Klinke. Aber er wartete auf seine Gelegenheit.
„Hände auf das Wagendach, dann zurücktreten und die Beine spreizen!“ Steve McCoy wusste nicht, wo der Mann steckte. Hinter Felsbrocken und niedrigen Büschen gab es in unmittelbarer Nähe genügend Deckung. Er tat, was die Stimme befahl.
„Gut!“ Die Stimme klang befriedigt. „Und jetzt steigen die beiden anderen aus. Schön langsam und nacheinander. Verlassen Sie sich darauf, dass eine unbedachte Bewegung tödlich ist!“
Steve glaubte dem Mann jedes Wort. Die Stimme klang entschlossen. Das war ein Mann, der jedes Wort, das er sagte, wörtlich meinte.
Leila machte ein verzweifeltes Gesicht. Sie sah ihn an, aber er schüttelte leicht mit dem Kopf. Im Augenblick war eine Gegenwehr sinnlos. Im Wagen befanden sich keine Waffen. Alles lag gut versteckt im Kofferraum. Steve McCoy trug nur seine Waffe an der Hüfte. Aber unbemerkt kam er nicht an sie heran.
Er hörte Schritte hinter sich und drehte leicht den Kopf, bis der Mann in sein Blickfeld geriet.
Überrascht sog er den Atem tief ein. Der dicke Kettenraucher aus dem „New Semiramis“ in Damaskus! Zwar hatte Steve McCoy damit gerechnet, dass dieser Mann versuchen würde, ihnen zu folgen – die leere Zigarettenpackung am Strand war ein deutliches Indiz gewesen. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass es ihm gelang, sie auch