anschließend von der Kanonenbastion den Paradeblick auf Corricella, bevor das Sträßchen einen Knick macht und das Altstadttor passiert. Auf dem Altstadthügel empfiehlt sich natürlich der Besuch der Kathedrale, die dem hl. Erzengel Michael geweiht ist und von den umliegenden Wohngebäuden bis zur Unkenntlichkeit zugebaut ist.
Zwei Inselbuslinien steuern auf verschlungenen Routen den abgelegenen Inselteil mit dem für Reisende aus dem Norden wegen der zahlreichen Vokale nur schwierig aussprechbaren Namen Chiaiolella an. Der Abstecher lohnt sich besonders für Wasserratten, denn vom kreisrunden Jachthafen − ein ehemaliger Vulkankrater − sind die schönsten Inselstrände zugänglich. Der beliebteste und deshalb auch meistfrequentierte Sandstrand ist die Spiaggia del Ciracciello. Zwei Tuffsteinfelsen im Wasser mit Wahrzeichencharakter bilden die Grenze zur etwas ruhiger gelegenen Spiaggia del Ciraccio. Eine Handvoll Hotels, Restaurants und Lidos komplettieren das Freizeitareal der Insel. Außerdem befindet sich an der Marina di Chiaiolella der Brückendamm zur vegetationsreichen Insel Vivara. Das ca. 0,4 km2 große, sichelförmige Eiland ist der Rest eines vor rund 55.000 Jahren entstandenen Kraters und steht unter Naturschutz. Gegenwärtig darf das Inselchen nicht betreten werden.
Eine Insel wie eine Leinwandkulisse: Procida als Drehort
Eigentlich muss man am Setting nicht mehr viel ändern, denn die ästhetisch geschlossene Architektur von Procida schafft den perfekten Rahmen für die Verfilmung nostalgischer, sozialromantischer Genreszenen. Der bekannteste Streifen, der 1994 teilweise auf Procida gedreht wurde, ist „Der Postmann“ („Il Postino“). Der Film spielt in den 1950er-Jahren und erzählt vom Dichter Pablo Neruda, der sein Exil auf den Liparischen Inseln verbringt. Auf einer tieferen Ebene handelt das cineastische Werk von Freundschaft, Liebe und der Funktion von Kunst im Lebensalltag. Zahlreiche Stelltafeln auf der Insel weisen auf Drehorte hin oder erzählen Anekdoten im Zusammenhang mit den dreimonatigen Dreharbeiten. Bei einigen Szenen wirkten Einheimische als Statisten mit, Hauptdarsteller Massimo Troisi starb nur einen Tag nach Ende des Drehs an einem Herzinfarkt. 2010 benannte die Kommune einen Platz in Corricella nach dem Schauspieler (Piazza Massimo Troisi). An den Film erinnert heute ferner die Spiaggia del Postino am Pozzo Vecchio.
Ein weiteres Leinwandepos, das 1999 zu einem kleineren Teil auf der Insel entstand, ist „Der talentierte Mr. Ripley“ („The Talented Mr. Ripley“). An der Verfilmung des gleichnamigen Kriminalromans von Patricia Highsmith war ein Staraufgebot an Schauspielern beteiligt − u. a. Jude Law, Cate Blanchett, Matt Damon und Gwyneth Paltrow. Drehorte waren u. a. die Piazza Marina Grande und die Piazza dei Martiri.
Erinnerungen an eine Sternstunde der Filmgeschichte
Geschichte
Aus der Antike finden sich auf Procida nur spärliche Spuren. Mit Sicherheit aber war die Insel von Griechen und Römern bewohnt, man kultivierte u. a. Wein und erbaute Ferienvillen am Strand. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs wandelte sich Procida unter byzantinischer Herrschaft zum Inselasyl für jene Festlandbewohner, die vor dem langobardischen Eroberungszug hierher flüchteten. Die heutige dichte Besiedelung hat in dieser Zeit ihren Ursprung. Der vom Meer her uneinnehmbare Berg, die heutige Terra Murata, war für eine Befestigung wie geschaffen, was jedoch nichts daran änderte, dass die Insel nach üblichem historischem Strickmuster nacheinander an die Normannen, Staufer, Anjous und Aragonesen fiel. Immer wieder war Procida Ziel von Angriffen osmanischer Korsaren. Besonders heftig fielen die Verwüstungen 1534 beim Einfall des Flottenadmirals Khair ad-Din aus, dessen Beiname Barbarossa nichts mit dem gleichnamigen Stauferkaiser zu tun hatte. Zahlreiche Inselbewohner wurden versklavt, ihre Häuser zerstört. Erst gegen Ende des 16. Jh. nahm die Zahl der Piratenangriffe ab. Als Reaktion auf die Überfälle verstärkten die Vizekönige die Befestigungen, die Terra Murata erhielt ihr heutiges Gesicht. Im 18. Jh. wandelten die Bourbonen das einstige Feudallehen Procida in ein königliches Jagdgebiet um. Außerdem legten sie die Basis für die Marine- und Seefahrtstradition, indem sie ihre Flottenaktivitäten hierher verlagerten. Es begann eine Blütezeit, in deren Folge die Bevölkerungszahl am Ende des Jahrhunderts auf 16.000 Einwohner anstieg.
In der Abtei San Michele
Sehenswertes
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten befinden sich innerhalb der Terra Murata. Die „gemauerte Erde“ (terra murata) auf dem steilen Felsen über dem Meer ist das urbane, kulturelle und strategische Zentrum der Insel und ersetzte in der frühen Neuzeit eine mittelalterliche Siedlung an gleicher Stelle. Letztere gruppierte sich um die Abtei der Benediktiner, von der noch einige wenige Spuren erhalten geblieben sind (→ unten). Die Terra Murata besteht aus betagten, teils leerstehenden Wohnhäusern, Befestigungswällen, Sakralbauten und Residenzen des weltlichen und kirchlichen Adels.
Palazzo d’Avalos: Bis zum Beginn des 18. Jh. lenkte die Familie d’Avalos für zwei Jahrhunderte die Geschicke der Insel. Der gleichnamige Renaissance-Palazzo aus dem 15. Jh. in der Terra Murata fungierte als deren Residenz, die 1830 in ein Gefängnis umgewandelt wurde. Bis 1988 war das Gefängnis in Betrieb. Die Zellen, Gärten und Trakte können im Rahmen einer Führung nach Voranmeldung besichtigt werden.
♦ Tägl. außer Mo 9.30−14 Uhr. 10 €, erm. ab 5 €. Via Terra Murata 33, Tel. 333-3510701, [email protected].
Abbazia di San Michele: Die vollständig mit den umliegenden Wohngebäuden der Terra Murata verschmolzene Kathedrale ist am besten vom Boot oder von der Terrasse des benachbarten Museums aus erkennbar. Der Sakralbau geht auf eine im 10. Jh. gegründete Benediktinerabtei zurück, deren Fundamente erhalten sind. Die heutige Kirche liegt auf einem Felsen ca. 90 m über dem Meer und ist ein „Neubau“ aus dem 16. Jh., nachdem osmanische Korsaren (→ Geschichte) die alte Abtei zerstört hatten. Weil der dreischiffige Bau über keine Fassade verfügt, betritt man den Innenraum auf der Chorseite. Dabei queren Besucher das Päpstezimmer − mit den Konterfeis diverser Päpste und Kardinäle.
Malerische Genreszenen an der Marina Corricella
Den kunstvollen Majolikafußboden schuf derselbe Meister, der bereits bei der Gestaltung des Kreuzgangs Santa Chiara in Neapel federführend beteiligt war. Eingelassen im Fußboden sind die Grabplatten mit den Farben der vier traditionellen Bruderschaften (weiß, rot, gelb und tiefblau). Im Chor flankieren die Statue des Erzengels zwei Ölgemälde aus dem Jahr 1690. Sie dokumentieren das Zutun Michaels bei der Befreiung der Insel vom osmanischen Herrschaftsintermezzo. Hervorzuheben sind ferner die vier Seitenkapellen auf der − vom Chor aus betrachtet − rechten Seite und das archaische Taufbecken an der hinteren Rückwand: Das Becken aus Marmor nutzten ursprünglich Griechen aus Euböa, um dem Gott Dionysos Wein zu spenden.
Vom Innenraum führt eine Treppe zur Bibliothek mit ca. 8000 Folianten. Die Bibliothek und zwei ältere Kapellen mit einem Beinhaus der Unterkirche sind momentan aus baulichen Gründen nicht zugänglich. Im Beinhaus wurden einst die Toten mumifiziert und in der Osmanenzeit angeblich sogar über eine Rampe (scolatoio) direkt ins Meer „entsorgt“.