Stefan Mühlfried

Blaulichtmilieu


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nichts. Die Kriminaltechnik arbeitet daran, zusammen mit einigen Spezialisten vom BKA.«

      »Gut. Was machen die Vernehmungen?«

      »Marie und ich waren bei der Familie des Gemüsehändlers Ibrahim Kabaoglu«, sagte Harald.

      »Hat sich der Verdacht auf seine Täterschaft erhärtet?«

      »Nicht wirklich.« Marie und Harald berichteten von ihren Vernehmungen und der Suche nach Altay Kabaoglu.

      »Scheint, als wäre der Sohn eine heiße Spur«, sagte Arthur. »Was meint ihr?«

      »Kann sehr gut sein«, sagte Marie. »Es ist auf jeden Fall vielversprechender als alles, was wir bisher hatten. Ibrahim Kabaoglu können wir nicht hundertprozentig ausschließen, aber wenn du mich fragst – ich glaube nicht, dass er’s war.«

      »Was sagt POLAS über den Sohn?«

      POLAS, das Polizei-Auskunftssystem, enthielt zu allen polizeilich bekannten Personen Daten wie Anschrift, Straftaten, verbüßte Haftstrafen und mehr. Das digitale Kerbholz jedes Sünders, den die Polizei in die Finger bekommen hatte.

      »Nichts. Wir gehen gleich hoch zu den Kollegen vom Staatsschutz, vielleicht wissen die mehr.«

      »Gut, macht das.« Arthur Thewes schabte sich mit der Hand über die Bartstoppeln am Kinn. »Ich schätze, ich schulde euch eine Erklärung, warum ich mir ausgerechnet heute den halben Tag freigenommen habe.«

      Harald winkte ab. »Du wirst deine Gründe haben.«

      »So ist es. Die beste Freundin meiner Frau war gestern am Flughafen.«

      »Oh, Scheiße«, entfuhr es Markus, sein Partner nickte.

      »Kann man wohl sagen. Dorothee hatte Frühschicht am Infoschalter in Terminal 1. Ihr könnt euch vorstellen, dass sie ordentlich was abgekriegt hat.«

      Marie erinnerte sich an die türkische Stewardess. »Was ist mit Dorothee passiert?«, hatte sie gefragt. Jetzt wussten sie es. »Furchtbar«, sagte sie.

      »Ja, ist es. Sie liegt im künstlichen Koma, und die Ärzte haben keinen Schimmer, was passiert, wenn sie versuchen, sie zu wecken. Susanne sitzt die eine Hälfte des Tages im Krankenhaus, die andere kümmert sie sich um Dorothees Mann und ihre Tochter.«

      »Schon in Ordnung, wenn du dir freinimmst und Susanne unterstützt«, sagte Harald.

      »Wenn’s nur das wäre. Ich muss mindestens zweimal am Tag mit der blöden Töle raus.«

      Die blöde Töle hieß eigentlich Minnie, war eine Hundedame und Arthurs Zugeständnis an seine Frau, weil er ständig Überstunden machte. Auslöser waren Karten für die Elbphilharmonie gewesen, die Arthur zum Hochzeitstag mühsam und vermutlich unter Einsatz seiner Dienstwaffe beschafft hatte, die er aber wegen eines ganz mies getimten Doppelmords sausen lassen musste. Susanne war letztendlich mit Dorothee gegangen. Der Dorothee.

      »Ach herrje«, sagte Harald, »mein Beileid!«

      »Keine dummen Scherze, Dorothee ist schwer in Ordnung«, mahnte Arthur. »Ich mach’s ja nicht wegen der Töle, ich mach’s für Dorothee. Und Susanne natürlich.«

      Klar. Wenn Marie sich recht erinnerte, war das grundlegende Problem mit der Töle, dass sie und Arthur einander heiß und innig liebten, was weder ihm noch Susanne recht war. Vor Zeugen würde er niemals zugeben, dass Minnie sein Herz im Sturm erobert hatte. Arthur gab nicht einmal zu, dass er überhaupt ein Herz hatte.

      »Ein Grund mehr, diesen Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Ich bin es Dorothee schuldig. Und ihr seid es mir schuldig. Bevor mich das Vieh wahnsinnig macht. Also, an die Arbeit.« Er stand auf.

      Es klopfte und ein Kollege streckte den Kopf herein. »Ist Marie hier? Besuch für dich.«

      »Besuch? Wer?«

      Der Kollege stieß die Tür auf und trat beiseite, um dem Gast Platz zu machen.

      Sie stöhnte. »Was willst du hier?«, fragte sie.

      »Kann ich dich sprechen?«, fragte Tim. »Es hat mit dem Fall zu tun. Am Flughafen.«

      Harald klopfte auf den Tisch. »Kollegen, wir haben zu tun. Marie, der Raum gehört dir.« Er ging hinaus, Arthur, Johannes und Markus folgten ihm, nicht ohne einen fragenden Blick auf Tim zu werfen.

      Marie machte die Tür hinter ihnen zu. »Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank? Mich hier im Büro zu stalken? Hast du eine Ahnung, wie viel wir hier um die Ohren haben?«

      Tim verschränkte die Arme. »Jetzt mach mal halblang. Stalken – du hast doch einen an der Waffel.«

      »Was willst du?«

      »Wie gesagt: über den Fall reden.«

      »Aha. Über den Fall.«

      Tim warf sich auf einen der Stühle und stützte die Unterarme auf den Tisch. »Mir sind da ein paar Sachen aufgefallen.«

      Marie lehnte sich an die Wand und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich höre.«

      »Hast du mal darüber nachgedacht, wo genau die Bombe losgegangen ist?«

      »Was?«

      »Wo die Bombe losgegangen ist. Am Flughafen.«

      »Komm, zieh hier keine Show ab. Worauf willst du hinaus?«

      »Turkish Airlines.«

      »Und?«

      »Wieso sprengt ein Islamist ausgerechnet den Schalter der einzigen Airline in die Luft, die aus einem islamischen Land stammt?«

      Marie stutzte einen Moment, dann fing sie sich wieder. »Wie kommst du auf die Idee, dass es ein islamistischer Anschlag war?«

      »Sag mir nicht, dass ihr das nicht auch glaubt.«

      »Du bist hier bei der Polizei, nicht in der Kirche. Wir brauchen Beweise.«

      »Trotzdem. Seltsam, oder?«

      »War das alles?«

      Tim schwieg.

      »Nochmal: Ist noch was?«

      »Ist ein bisschen dumm gelaufen am Flughafen, oder?«, brummte er.

      Sie stieß sich von der Wand ab. »Was?«

      »Dumm gelaufen«, wiederholte er. »Mit uns beiden.«

      »Mann, mit uns beiden ist schon viel früher was Dummes gelaufen.« Sie schüttelte den Kopf und lachte auf. »Ich fasse es nicht. Du kommst wirklich hier ins Präsidium und stalkst mich. Unglaublich.«

      »Ich stalke nicht, ich würde nur gerne wissen –«

      »Ich nicht«, sagte sie und öffnete die Tür.

      Tim stand mit einem Seufzen auf, stützte sich auf den Tisch und sah Marie eindringlich an.

      »Ich habe viel zu tun. Wenn du …«

      »Ihr seid tatsächlich noch nicht auf die Idee gekommen, oder?«

      »Was?«

      »Turkish Airlines. Ich hab’s an deiner Reaktion gesehen. Du bist eine lausige Pokerspielerin.«

      »Komm, lass gut sein. Wir machen unsere Arbeit, du machst deine.«

      Er ging an ihr vorbei auf den Flur, sie folgte ihm und begleitete ihn zum Ausgang, wie es Vorschrift war. Im Fahrstuhl schaute sie demonstrativ an ihm vorbei, spürte aber genau, dass er sie ansah. Die 20 Sekunden vom dritten Stock bis ins Erdgeschoss zogen sich ewig hin. Als sich die Türen endlich öffneten, ging sie rasch voran zur Ausgangsschleuse.

      Der Summer ertönte, Tim ging hindurch. Dann drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Marie, ich –«

      »Vielen Dank für Ihre Information. Wir sind auf aktive Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen und werden Ihrem Hinweis gewissenhaft nachgehen.«

      Er