erfährt man nicht nur viel Wissenswertes über die Kalksteingewinnung und -verarbeitung, man kann auch unzählige Denkmäler der Industriegeschichte bewundern, die von solch bekannten Baumeistern wie Schinkel und Schlaetzer entworfen wurden. Bereits beim Betreten des Freilichtmuseums fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Die Kammer- und Rumdorföfen sowie das Bülow-Kanal-Portal lassen erahnen, wie imposant das Areal zu Zeiten seiner Nutzung gewesen sein muss. Die Kanalanlagen zählen dabei zu den ältesten Bauwerken vor Ort. Sie dienten zur Verbindung der Steinbrüche mit dem Wasserstraßennetz. Die Kanäle wurden am sich stets verlagernden Kalksteinabbau ausgerichtet und verkürzten so die Transportstrecken an Land. Fast unwirklich kommt einem hier der Blick auf die Lkw vor, die sich im nahen Steinbruch fortbewegen. Bei so viel Authentizität weiß man für einen kurzen Moment tatsächlich nicht, durch welche Epoche man sich aktuell bewegt.
Schornstein der Schachtofenbatterie
Förderwagenstrecke in der »Kathedrale des Kalks«
Technik, die auch heute noch begeistert
Beliebter Baustoff Kalkstein wird bereits seit 1254 in dieser Gegend abgebaut. Nur an wenigen Orten tritt er in der norddeutschen Tiefebene an die Erdoberfläche. Üblicherweise liegt der Kalk in Tiefen von bis zu 3000 Metern. In Rüdersdorf kann der Kalkstein hingegen sogar im Tagebau gewonnen werden. Der hiesige Kalkberg verfügt über das größte Vorkommen Europas.
Außergewöhnliche Industriearchitektur Äußerst beeindruckend ist auch der Seilscheibenpfeiler, eine riesige Bogen-Pfeilerkonstruktion aus Kalkstein. Mit ihm konnten Eisenbahnwaggons an Stahlseilen über einen Schrägaufzug zur Abbruchstelle herabgelassen, beladen und dann wieder hinaufgezogen werden. Die dafür benötigte Energie wurde von einer Dampfmaschine erzeugt. Die Neugier nahezu aller Besucher wird jedoch durch die weithin sichtbare Schachtofenbatterie geweckt. Sie findet sich am anderen Ende des Museumsparks und enttäuscht dank ihres besonderen, maroden Charmes wohl niemanden. Die Anlage wurde von 1871–1877 gebaut und umfasste ursprünglich 18 Rumfordöfen.
Backstein-Idylle
Seilbahn für den Transport des Kalks aus dem Tagebau
Erfinder Graf von Rumford Mit dem Rumfordofen konnten Kohle und Torf als Brennstoff genutzt werden, während der Kalk in einer anderen Kammer gebrannt wurde. Diese Erfindung kam Anfang des 19. Jahrhunderts einer Revolution gleich, da damit kontinuierlich Kalk gebrannt werden konnte, ohne dass der Ofen durch den Brennstoff verunreinigt wurde. Die Schachtofenbatterie selbst wurde trotz – oder dank – mehrerer Umbauten noch bis 1967 für die Branntkalkherstellung genutzt. Das Herzstück der Anlage ist jedoch die Feuerungshalle, die auch »Kathedrale des Kalks« genannt wird und ihrem Namen alle Ehre macht. Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser Stelle, dass in den 1970er- und 1980er-Jahren mehrere Straßenzüge dem Tagebau weichen mussten. Auch das gab es nicht nur im Ruhrpott. Grundstücke wurden geräumt und abgerissen, die Bewohner in Neubaugebiete umgesiedelt, der Heinitzsee – ein gefluteter Tagebau – verschwand ebenso. Damit war das Ende des Bergmannsdorfs Kalkberge besiegelt.
Schachtofenbatterie
Alter Hafen
»Kunst am DDR-Bau«
Das alles und noch viel mehr Im Museumspark kann man nicht nur Interessantes über die Geschichte des Kalkabbaus erfahren, man kann noch ganz andere Entdeckungen machen. Aufgrund der besonderen Geologie ist die Gegend reich an Mineralien und Fossilien. Beispielsweise fand man hier das Skelett eines Nothosaurus. Die Gebeine dieses ottergroßen Schwimmsauriers können nun im Berliner Naturkundemuseum bewundert werden. In Rüdersdorf haben interessierte Besucher die Möglichkeit, dank einer thematischen Führung selbst zum Geologen oder Paläontologen zu werden.
Das besondere Erlebnis
Das historische Kalk- und Bergwerk kann heutzutage als Freilichtmuseum besichtigt werden. Der 17 Hektar große Museumspark Rüdersdorf kann entweder auf eigene Faust oder im Rahmen einer Führung erkundet werden. Öffnungszeiten: April–Oktober tägl. 10–18 Uhr, sonst Di–So 10:30–16 Uhr. Eintritt: Erwachsene 6 Euro, Kinder (6–16 Jahre) 3 Euro. Weitere Informationen unter www.ruedersdorf-kultur.de
Bülow-Kanal-Portal
4 Handgeschöpftes Büttenpapier aus der DDR
Papierfabrik Wolfswinkel
Was einem bei diesem technischen Denkmal als Erstes ins Auge sticht, ist der Wasserturm. Schon aus der Ferne weist er darauf hin, dass hier ein besonderer Gebäudekomplex zu finden ist.
Eberswalde, Landkreis Barnim, Brandenburg Ort Eberswalder Straße 27–31, 16227 Eberswalde GPS 52.840134, 13.761418 Anfahrt Am einfachsten ist die Anreise mit dem Pkw über den östlichen Berliner Ring A10. Am Dreieck Barnim auf die A11 in Richtung Stettin abfahren und dann die Ausfahrt 12 Finowfurt nehmen. Von dort die B167 in Richtung Eberswalde, an der auch das Gelände liegt. Ein großer Parkplatz befindet sich in der Nähe. Bei Anreise mit der Bahn in Eberswalde Hauptbahnhof aussteigen und von dort den Bus bis zum Halt Finow, Eisenspalterei nehmen.
Früher Papierkunst, heute Wandkunst
Juwel am Wasser Das bereits vor Jahrzehnten verlassene Gelände der Papierfabrik Wolfswinkel liegt nahezu romantisch am Finowkanal, der ältesten künstlichen Wasserstraße Deutschlands, die noch heute in Benutzung ist. Die Zeit hat jedoch ihre Spuren hinterlassen. Bei einigen der Gebäude muss man leider schon von Ruinen sprechen, so stark sind sie verfallen. Idyllisch und morbide zugleich ist die Stimmung, die einen unweigerlich umgibt. Und dennoch kommt man nicht umhin, Ideen und Konzepte für diesen Ort zu entwickeln. Allzu gern würde man die alten Backsteinbauten zu neuem Leben erwecken, doch ist es dafür wohl bereits zu spät.
Abwechslungsreiche Geschichte Alles begann mit der Königlichen Papiermühle bei Heegermühle, die bereits 1728 entstand, jedoch im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) zerstört und dann auf das heutige Gelände nahe der Wolfswinkler Schleuse verlegt wurde. Der Prenzlauer Daniel Gottlieb Schottler pachtete das Areal am Finowkanal und baute hier eine neue Papiermühle. Zu jener Zeit entstand auch der heute noch sichtbare Mühlengraben. 1765 begann die Produktion, die jedoch erst mit der Übernahme durch Johann Friedrich Nitsche und seine Söhne im Jahr 1812 wirtschaftlich erfolgreich war. Mit dem Kauf einer englischen Papiermaschine in den 1830er-Jahren war der Grundstein