Lothar Schmidt

Secret Places Mallorca


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      AM MORGEN DURCH DIE ALTSTADT

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      Ein Spaziergang durch die ältesten Stadtteile der Hauptstadt in der ersten Morgensonne. Kirchen- und Museumsbesuche kommen darin ebenso wenig vor wie Einkaufs- oder Ausgehtipps. Eigentlich geht es nur darum, dass es manchmal besser ist, früh aufzustehen.

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      OB AN DER STRANDPROMENADE

      Es ist kurz vor acht am Morgen, die Sonne bricht sich durch das Grün des S’Hort del Rei und legt sich auf die Schultern eines Parkpflegers. Der kleine Park unterhalb des mittelalterlichen Königspalasts Almudaina wirkt wie verzaubert. Ist es das Morgenlicht, das gleichmäßige Geräusch, mit dem der Mann den Reisigbesen über einen der Wege zieht, oder das leise Plätschern der Wasserspiele? Dieser Königsgarten hat etwas Verträumtes, Altmodisches und erinnert an die Gärten des Generalife in der Alhambra von Granada. Eigentlich passt er nicht so richtig in das neue Palma, das sich am urbanen Lifestyle internationaler Metropolen orientiert, aber gerade das macht ihn so liebenswert.

      Es ist ein Glück, durch eine schöne Stadt zu spazieren und so viel Zeit zum Schauen zu haben, wie man will. Sich nicht gedrängt zu fühlen von den Stationen und Fahrzeiten der beliebten Hop-on-Hop-off-Busse, nicht vom Strom der Touristen, der Stadtbewohner, der Autos, Radfahrer oder was auch immer. Auf all das braucht man keine Rücksicht zu nehmen, wenn man am frühen Morgen durch Palma spaziert und erlebt, wie die Hauptstadt der Balearen langsam erwacht.

      Links La Seu, rechts das Meer

      Im Spanischen gibt es die Redewendung: »Al quien madruga Dios lo ayuda.« Übersetzt heißt das: »Wer früh aufsteht, dem hilft Gott.« Man könnte es auch freier mit einem deutschen Sprichwort versuchen: »Morgenstund’ hat Gold im Mund.« Klingt sehr altmodisch – für dieses besondere Morgengefühl passt es aber.

      Am unteren Ende des Parks kommt man über einige Stufen hinauf zur Esplanade vor der Kathedrale. Noch ein, zwei Stunden, dann ist hier die Hölle los. Doch jetzt kann man sich einfach in die Zeiten fallen lassen: Der große Torbogen, den man von der Treppe aus vor dem Königspalast sieht, ist eines der wenigen Überbleibsel aus der Epoche der arabischen Herrschaft. Durch den Bogen fuhren vor rund 1000 Jahren Schiffe in den ummauerten Hafen der Almudaina. Sie war die Festungsanlage des Herrschers innerhalb der Medina Mayurca. So nannten die Araber die Stadt, als sie von 903 bis 1229 hier das Sagen hatten.

      Es ist noch zu früh für Besichtigungen, selbst die Kathedrale öffnet für Besucher erst um 10 Uhr. Auch gut, dann fühlt man sich nicht zu irgendeinem Kulturprogramm gedrängt, sondern kann sich weiter von der Morgensonne auf der alten Stadtmauer Dalt Murada anstrahlen lassen. Links diese großartige Kirche und rechts der Blick über die Bucht von Palma und das Meer – ein magischer Moment.

      Die Stadt erwacht

      Das finden auch andere. Vor der Kathedrale füllt sich langsam der Passeig Dalt Murada. Im Carrer de Sant Palau und in den Sträßchen im Rücken von La Seu (»Seu« steht für Bischofssitz) ist es zwar noch ruhig, in den Gassen der Viertel La Seu und Monti-Sion aber, den ältesten Teilen der 400 000-Einwohnerstadt, quetschen sich kleine Lastwagen, um Lokale zu beliefern oder die Baustelle eines ehrwürdigen Stadtpalasts mit Material zu versorgen. Zwei Frauen schieben ein grünes, verschlissenes Sofa zu einer Ecke, wo ein Lastwagen zur Entsorgung wartet. Nachbarn und Passanten bleiben stehen, kommentieren das willkommene Morgen-Happening.

      Man spaziert an den dunklen Toröffnungen riesiger Stadtpaläste vorbei, die einen Einblick in kühle Patios erlauben, und vorüber an den letzten Überbleibseln der muslimischen Jahrhunderte: den arabischen Bädern, die aber ebenso wie das Museu de Mallorca zu dieser Uhrzeit noch geschlossen haben.

      Auch tagsüber ein »Secret Place«

      Sich einfach weiter treiben lassen, weiter in Richtung des Calatrava-Viertels mit seinen schönen Plätzen Llorenç Villalonga und Sant Jeroni. Hier ist es auch tagsüber noch relativ ruhig, dies sind gewissermaßen die »Secret Places« der Altstadt. Dass aber auch hier die Zeit nicht stehen bleibt, sieht man am eigenartigen Gebäude am oberen Ende des Carrer del Temple. Das weiße, massiv wirkende Wohnhaus mit der Tordurchfahrt war ursprünglich mal eine Templerburg. Jetzt werden die Torres mit Geldern aus der Tourismussteuer saniert.

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      IM GARTEN DES BISCHOFS, DER VERSTECKT IM ÄLTESTEN TEIL PALMAS LIEGT: AM MORGEN WIRKT DIE INSEL-METROPOLE WIE VERZAUBERT.

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      IMMER WIEDER SCHIEBT SICH DIE KATHEDRALE IN DAS MORGENLICHT.

      Modern wie vor einhundert Jahren

      Die Straße des Ramon Llull führt am Archiv der Könige von Mallorca vorbei zu einem kleinen Platz, der von der Basilika Sant Francesc beherrscht wird. Die Kirche, in der der Philosoph und Mystiker Ramon Llull beigesetzt ist, hat einen wunderschönen Kreuzgang und verdient ein eigenes Kapitel (siehe S. 16).

      Mittlerweile ist Palma erwacht, die wenigen Geschäfte im ältesten Teil der Altstadt haben geöffnet. Aus den neuen Luxushotels, die in die alten Paläste eingezogen sind, kommen Gäste, bereit zur Shopping- oder Sightseeing-Tour. Der Zauber des Morgens geht langsam dahin, nur hier und da hält sich noch etwas von diesem besonderen Gefühl. So zum Beispiel in der Buchhandlung Literanta im Carrer del Call. Innen läuft klassische Musik. Im hauseigenen Café sind drei Tische besetzt. Dort sitzen zwei Männer und eine Frau und halten das geschriebene Wort in Ehren. Sie lesen, einfach nur, weil es schön ist zu lesen – zumindest sieht es so aus. Das Kontrastprogramm wartet auf der Plaça Santa Eulàlia und erst recht ein Stück weiter oben, beim Rathaus, wo mittlerweile ein kompakter Strom von Urlaubern vorbeifließt. Bevor man selbst wieder ein Teil der Massen wird – wie wäre es mit einem mallorquinischen Frühstück mit Milchkaffee und Ensaimada, zum Beispiel im Café Moderno an der Plaça Santa Eulàlia? Modern heißt hier: modern wie vor hundert Jahren. Das Café gibt es schon seit 1914, und die Gegenwart ist auch hier ein wenig entrückt.

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       ZEITREISE IM MUSEU DIOCESÀ

      Das Diözesanmuseum ist ein versteckter Schatz. Das fängt schon mit der Lage an: Im Rücken der Kathedrale La Seu steht der alte Bischofspalast direkt an der großen Esplanade. Im Inneren öffnen sich neben alten Gemälden und Objekten Ausblicke auf das Meer, das seit ewigen Zeiten unverändert aussieht. Hier ist es, als machte man eine Zeitreise und wäre selbst – ebenso wie das Meer da draußen – in jener Zeit, in der auch das Kunstwerk entstand, das man gerade anschaut. Zum Beispiel im 15. Jahrhundert, als Pere Nissart ein Tafelbild des heiligen Georg malte, vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Stadt Palma. Das Museum zeigt auch die Arbeit von Antoni Gaudí an der Kathedrale. Es ist ein Originalmodell von La Seu zu sehen, das Gaudí genutzt hat und das veranschaulicht, wie der Architekt bei der Gestaltung vorgegangen ist. Ein zweiter Themenbereich des schönen Museums stellt die Reisen und das Leben von Ramon Llull vor.

       WEITERE INFORMATIONEN

      Museu Diocesà, C/del Mirador 5, Tel. 0034 971 71 31 33, Juni–Sept. Mo–Fr 10–18.15, April, Mai, Okt. bis 17.15, Nov.–März bis 15.15, Sa ganzjährig bis 14.15 Uhr, www.catedraldemallorca.org

      Literanta, C/del Call 4, Tel. 0034971 42 53 35, www.literanta.com