Lothar Schmidt

Secret Places Mallorca


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      In früheren Zeiten orientierte man sich nicht an den Kreuzfahrtschiffen, sondern am ältesten Leuchtturm der Insel. Er soll sogar der drittälteste in ganz Europa sein, errichtet im Jahr 1300. Oberhalb des Turms duckt sich die Festung Sant Carles auf der Landzunge. Darin ist ein etwas angestaubtes Militärmuseum untergebracht, obwohl es mit seiner Eröffnung im Jahr 1991 noch gar nicht so alt ist, jedenfalls nicht für ein Museum. Die Festung hat schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Sie wurde im 17. Jahrhundert errichtet und ist ein guter Platz, um über den Lauf der Dinge nachzudenken.

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      PALMA HAT AUCH ABSEITS DES ZENTRUMS EINIGES ZU BIETEN, WIE DAS MUSEUM DER MIRÓ-STIFTUNG MIT EINEM ATELIER, DAS SELBST EIN ARCHITEKTONISCHES KUNSTWERK IST.

      Zum Beispiel wann die Insel zum letzten Mal angegriffen wurde, wie die Bucht vor 100, 200 oder 500 Jahren aussah und wohin sich diese Insel entwickeln wird? Den meisten Mallorquinern ist Porto Pi eher wegen des großen gleichnamigen Einkaufszentrums ein Begriff. Andere verbinden damit Bilder royaler Sommerfrische, schließlich erholt sich traditionell die königliche Familie im Marivent-Palast von ihren repräsentativen Aufgaben. Schon nicht mehr ganz in Porto Pi, aber nicht weit entfernt, liegt die sehenswerte Miró-Stiftung. Die Anlage ist nun sicherlich kein »Secret Place« mehr, andererseits ist sie es doch, denn gemessen an dem, was geboten wird, ist der Andrang selbst in der Hochsaison überschaubar.

      Graffiti im Landhaus

      1956, als Joan Miró überall außer in Spanien als großer Künstler gefeiert wurde, zog er mit seiner Frau Pilar nach Mallorca. Auf dem Grundstück der Finca Son Abrines im höher gelegenen Teil von Cala Major, das es als Urlaubsort so noch gar nicht gab, ließ er sich von seinem Freund, dem Architekten Josep Lluis Sert, ein Atelierhaus bauen – und wer heute dort hineinschaut, glaubt, dass der Meister nur mal kurz zum Mittagessen gegangen ist. Das angrenzende Landhaus Son Boter kaufte der Künstler später hinzu. Ja, auch da sollte man hineinschauen. Der Künstler hat die trutzige Masia als Skulpturenwerkstatt genutzt und an den Wänden einige Graffiti hinterlassen.

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       DIE GÄRTEN DES MARIVENT-PALASTS

      Zu einer königlichen Sommerresidenz gehört unbedingt auch ein Garten, besser gesagt ein Park. So ist es auch im Palast Marivent, den die Königsfamilie im Sommer traditionell bezieht, zumindest für einige Wochen. In der Gartenanlage dürfen seit 2017 alle Urlauber lustwandeln – und natürlich die Mallorquiner, denen die Anlage im Prinzip gehört. Im Areal mit seinen rund 9000 Quadratmetern wird das gepflegte Grün von Bronzeskulpturen des Künstlers Joan Miró aufgelockert, die er in den Jahren zwischen 1969 und 1981 geschaffen hat. Der 1925 erbaute Marivent-Palast, der in früheren Zeiten als Museum und Hotel genutzt wurde, ist leider nicht zugänglich.

       WEITERE INFORMATIONEN

      Fundació Pilar i Joan Miró, C/Joan de Saridakis 29, Sommer Di–Sa 10–19, im Winter bis 18 Uhr, So ganzjährig 10–15 Uhr, www.miro.palmademallorca.es

      Museu Militar Sant Carles, Crta. Dic de l’Oest, Tel. 0034 971 40 21 45, Di–So 10–14 Uhr, www.castillomuseosancarlos.com

      Jardins de Marivent, Avinguda de Joan Miró 229, tägl. Mai–Sept. 9–20, Okt.–April bis 16.30 Uhr

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       LA PORCIÚNCULA – BUNTES LEUCHTEN

      EINE MODERNE KIRCHE ALS GLASKUNSTWERK

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      Wer behauptet, moderne Architektur sei nicht emotional, kann sich an der Platja de Palma vom Gegenteil überzeugen. Je nach Sonneneinstrahlung verwandelt sich der runde Kirchenraum der »Kristallkirche« La Porciúncula in ein Fest aus Licht und Farbe. Zum Gebäudekomplex gehört auch ein kleines Museum zur Archäologie und Tourismusgeschichte.

      Es heißt ja immer, die Hotelklötze aus den 1960er- und 70er-Jahren seien hässlich. Sie verschandelten die Küsten, sie seien unpersönlich und ragten unsensibel aus einer Landschaft empor, auf die sie keine Rücksicht nähmen. Mag sein, dass das so ist, es lohnt sich trotzdem, die Augen zu öffnen und sich diese Betonriesen einfach mal so anzuschauen, als wären sie bedeutende Bauwerke. Auf Mallorca gibt es zahllose Gemeinden, wo man diesen Selbstversuch durchführen kann. Das gilt erst recht für die Keimzelle des Massentourismus, die Platja de Palma.

      Warum also nicht den Besuch der Kirche La Porciúncula mit einem Spaziergang durch die Tourismusgeschichte in Form von Hotelbauten verbinden? Los geht es an der Küste, von der Plaça Sant Ferran aus. In der gleichnamigen Kirche, die an einer Ecke des Platzes steht, trifft sich übrigens sonntags die deutsche Gemeinde zum Gottesdienst.

      Apropos deutsche Gemeinde: Der berühmt-berüchtigte »Ballermann« liegt gleich um die Ecke. Man spaziert einfach den Carrer del Pare Bartomeu Salvà – besser bekannt als Schinkenstraße – landeinwärts, vorbei am »Bierkönig« und dem Imbiss »Grillkönig«. Die Vergnügungsmeile ist, wenn man es aus der Distanz betrachtet, auch ein Stück Tourismusgeschichte. Aber zurück zu den Hotelbauten, deren Balkone versuchen, einen Blick aufs Meer zu erlauben. Wenn man einmal damit anfängt, auf die Fassaden zu achten, entdeckt man, wie vielfältig diese Hotelblöcke sein können, ja man kann an ihnen auch eine Art Ideologie des Massentourismus ablesen, denn diese Bauten sagen: »Jeder hat das gleiche Anrecht auf ein bisschen Meer und Sonne. Wo kämen wir hin, wenn jeder seine eigene Finca wollte? Genießt die Tage und schaltet einfach ab!«

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      DIE PLATJA DE PALMA IST VOR ALLEM FÜR DIE PARTYZONE AM »BALLERMANN« BEKANNT.

      Vom »Ballermann« ins Kloster

      Diese Gedanken über den Tourismus, wie er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand und zum Teil noch lebendig ist, kann man gut in der Kirche La Porciúncula fortsetzen. Zu dem 1968 fertiggestellten Gotteshaus gehört auch ein Kloster, in dem auf mehreren Stellwänden die Tourismusgeschichte der Insel nachgezeichnet wird. Das Kloster wird vom Regulierten Dritten Orden des heiligen Franziskus unterhalten. In der Anlage befindet sich auch die Deutsche Schule Mallorcas.

      In den Räumen ist auch ein kleines Archäologiemuseum untergebracht, womit die fünf Euro Eintrittsgeld für eine Kirche zumindest ein wenig begründeter erscheinen. Trotz der liebevoll arrangierten Ausstellung ist das Highlight die moderne Kirche selbst. Der mallorquinische Architekt Josep Ferragut Pou (1912–1968) hat unter einem Betondach, das sowohl an ein Zelt erinnert als auch an einen Mix aus Kernreaktor, James-Bond-Kulisse und New Age, eine umlaufende Fensterfront mit Glasmalereien gesetzt. Die Wirkung ist grandios.

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      DIE SOGENANNTE KRISTALLKIRCHE LIEGT NUR WENIGE HUNDERT METER DAVON ENTFERNT.

      Die Glas- oder Kristallkirche, wie das Gotteshaus Mare de Dèu dels Angels de la Porciúncula oft genannt wird, spannt sich über einer ovalen Grundfläche von 23 mal 33 Metern. Die 39 Glasfenster, die den Raum umfassen, brechen das Licht des Südens durch die farblich intensiven Darstellungen, die Szenen aus dem Leben des heiligen Franziskus darstellen. Ebenfalls sehenswert ist ein Betonplatz, der im Stil der Kirche von Ferragut auf dem Gelände angelegt wurde und dem mallorquinischen Gelehrten Ramon Llull gewidmet ist.

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