Tomos Forrest

Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 8: Gottes Fluch über Cornwall


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Hände zerstört hatte.

      Eine der etwas älteren Hofdamen kreischt auf und fiel ihrem Mann in die Arme. Andere eilten zurück in die Kirche, weil sie der Bettlerschar entgehen wollten.

      „Widerlich, diese Lepra-Kranken!“, schrie Sir Struan wütend und wich zurück, als im allgemeinen Durcheinander ein weiterer, in Lumpen gehüllter Bettler versuchte, ihn am Fuß festzuhalten.

      „Denn fürwahr, Jahwe wird im Feuer daherkommen, und dem Sturmwinde gleichen seine Wagen, dass er in Glut seinen Zorn heimzahle und sein Schelten in Feuerflammen, schreibt der Prophet Jesaja!“, sagte bedeutungsschwer Abt Dhorie, der Beichtvater, der eben aus der Kirche trat und auf die Aussätzigen sah. „Sie haben schwer gesündigt und büßen mit dem Feuer der Krankheit, dass die Menschen lebend verzehrt! Wir sollten gnädig mit ihnen sein, sind wir doch alle Sünder vor dem Herrn!“

      Als Beispiel für die anderen warf er eine Handvoll Münzen zwischen die Bettlerschar, während Sir Struan sich angewidert zu ihm herumdrehte.

      „Ein ekelhafter Anblick! Wir haben hier noch nie so viele Aussätzige wie in den letzten Monaten erlebt. Sorgt künftig dafür, Vater Dhorie, dass sie sich auf der anderen Seite der Kirche sammeln, wenn wir sie verlassen. Dort soll man ihnen etwas Geld geben, aber diejenigen, die uns hier vor dem Portal weiterhin belästigen, soll man erschlagen wie tolle Hunde!“

      „Aber, Sir Struan – wir ...“

      Doch die Worte des Abtes prallten vom Sherriff von Cornwall ab. Der Mann hatte sich brüsk abgewandt und stapfte ein paar Schritte über den Platz, wo ein Knappe bereits sein Pferd am Zaum hielt.

      ***

      1.

      Ein leichter Windhauch strich über das Lager der Rebellen im Sumpf von Dartmoor, wirbelte etwas Asche vom großen Feuerplatz auf und zerzauste die Haare der Männer, die gerade ihre Bundhauben aufsetzten und unter dem Kinn verknoteten, um dann die Helme überzustülpen.

      „Aber warum ist denn Jory einfach davongeritten? Vielleicht hätte ich ihn ein Stück begleiten können, wir haben doch für einen Tagesritt dieselbe Strecke vor uns!“

      Morgan sah verwundert in die Richtung, in der Jory den Sumpf durchquert hatte. Der Mann war ihm in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft ans Herz gewachsen, denn der Unterführer des Roten hatte sich bereits mehrfach ausgezeichnet. Am Vorabend verkündete er, dass ein neuer Waffentransport bei Myghal, dem Schmied eingetroffen wäre, und er sich darum kümmern wolle.

      Morgan war noch immer ohne Nachricht von Boyd, den er als Knappen nach dem unerwarteten Tod Jagos angenommen hatte (vgl. Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter # Band 3: Blutmond über Cornwall). Nachdem er sich von Shawn und Boyd getrennt hatte, wollte jeder von ihnen, auf der Suche nach dem Verbleib Morgans Familie, eine der in Betracht kommenden Burgen aufsuchen. Durch Erkundigungen in verschiedenen größeren Dörfern aus der Nachbarschaft von Launceston Castle war erkennbar, dass mehrere Gefangenentransporte nach der Einnahme der Familienburg Morgans unterwegs waren. Eine Abteilung war zweifellos in Richtung Trewen Castle aufgebrochen, und Morgan zudem inzwischen davon überzeugt, dass seine Schwester Marg dort gefangen gehalten wurde.

      Er hatte es in einer gut gewählten Verkleidung geschafft, eine Botschaft in das Gefängnis zu schmuggeln, mit dem er ihr seine Rückkehr ankündigte (vgl. Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter # Band 7: Rückkehr eines Toten). Ausfindig gemacht hatte sie sein getreuer Helfer, der Zwerg Shawn.

      Boyd war unterwegs nach Burg Lahnydrock, die südwestlich von Launceston Castle lag. Wer dorthin gebracht wurde, war nicht zu klären, aber einer der berüchtigten Kastenwagen, die der Sheriff von Cornwall zum Transport von Gefangenen benutzte, wurde in der Gegend gesichtet.

      „Und in fünf Tagen wolltet ihr euch am Römerturm beim Fowey-River treffen, sagst du?“ Morgan ging im Zelt des Roten Jägers unruhig auf und ab, und Shawn hatte Mühe, seinen Gedankensprüngen zu folgen. Der Zwerg mit dem Mut eines Riesen und seinem verschlagen wirkenden, naturbraunen Gesicht saß auf dem Stuhl des Roten Jägers und naschte etwas von dessen Weintrauben, die er von einem vorüberziehenden Händler gekauft hatte.

      „Ja, so hatten wir das vereinbart. Genauer gesagt, bei Vollmond, Sir Morgan. Ich war davon überzeugt, dass Boyd nicht auffallen würde, wenn er sich in der Burg als Stallknecht verdingen konnte.“

      „Lass mich mal kurz nachdenken.“

      Morgan setzte seinen Gang im Zelt des Freundes, den er zu seiner großen Überraschung als Anführer der Aufständischen wieder gefunden hatte, fort. Der Rote musterte ihn dabei, und als er endlich die Unentschlossenheit Morgans bemerkte, schlug er mit der flachen Faust auf den Tisch.

      „Komm, wir brechen auf, Morgan!“

      Der Rote war schon auf dem Weg zu seinem Pferd, als ihn Morgan einholte. Die Pferde der Aufständischen hatten auf der Wiese mitten im Sumpf von Dartmoor hervorragende Weidemöglichkeiten, und das Gatter wurde besonders scharf bewacht, denn die Tiere waren für eine rasche Bewegung im Lande unersetzlich.

      Während Morgan im Gehen sein Schwert noch gurtete, hatte der Rote seines noch umbehalten und stülpte nun den einfachen Nasalhelm über die Bundhaube und zurrte den Riemen unter dem Kinn fest.

      „Was ist das?“, fragte Morgan erstaunt und deutete auf zwei Männer, die eben aus dem Bereich des Waldes herüberkamen, der unmittelbar in den Sumpf überging.

      Das Pferd, das sie an einem Riemen mit sich führten, machte einen guten und wohlgenährten Eindruck. Es war noch gesattelt und verriet dadurch seine Herkunft von einer der Burgen des Umlandes, denn die Aufständischen hatten aus bestimmten Gründen ihre Sättel alle abgeändert.

      Der hintere Zwiesel, in den sich ein Ritter beim Kampf mit Lanzen gut stemmen konnte, war bei den Aufständischen heruntergeschnitten worden, weil es sich als unpraktisch für ihre Kampfformen erwiesen hatte.

      Die Männer des Roten Jägers führten nur sehr selten einen Angriff mit den Lanzen durch. Ihre nahezu unschlagbaren Waffen waren die Langbogen, mit denen ein geübter Schütze durchaus fünf bis sieben Pfeile zugleich in der Luft haben konnte – und das mussten die Soldaten des Sheriffs von Cornwall oft genug zu ihrem Schaden erleben.

      Außerdem erleichterte das Entfernen des hohen Zwiesels das rasche Abspringen vom Pferd, oftmals während des Laufes nach hinten. Dabei entgingen die Männer den schlagenden Hufen auf geschickte Weise, indem sie aus den Steigbügeln stiegen, sich im vollen Galopp in die Hocke auf der Kruppe hielten und dann mit einer Seitenrolle abtauchten. Auch diese Kampftechnik hatte der Rote Jäger bei seinen Männern täglich trainieren lassen, um den erfahrenen Schergen des Sheriffs in jeder Situation überlegen zu sein.

      Baldwin und Morgan traten zu den Männern und bewunderten das schöne Tier, das keinerlei Wappen oder Zeichen aufwies, an dem man es einer Burg hätte zuordnen können.

      „Der Reiter hat es uns hinterlassen“, erklärte einer der beiden Männer, „als er es vorzog, sein irdisches Jammerleben in unserem Sumpf zu beenden.“

      Bei dieser Rede lachten beide schallend los, und Baldwin hob kurz die Hand, um ihren Heiterkeitsausbruch zu unterbrechen.

      „Ihr habt also jemand in eurem Bereich