Tomos Forrest

Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 8: Gottes Fluch über Cornwall


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einer Holztür, die Vater Alun noch offen hielt. Kühle Luft schlug ihm aus diesem tiefen Keller entgegen, der offenbar vor langer Zeit hier in den festen, teilweise lehmigen Boden geschlagen wurde. Der Mönch hatte eine Öllampe entzündet und ging den beiden Männern voraus. Unterwegs drehte er sich noch einmal um und erkundigte sich:

      „Ihr habt von den zahlreichen Erkrankungen gehört? Noch nie haben wir so viele Lepra-Kranke gehabt wie in den letzten Wochen. Die Gesunden fürchten sich vor jedem, der auch nur den Anschein einer Krankheit erweckt. Man sagt, dass diese Krankheit durch Prinz John über das Land gekommen ist. Wir werden mit dem Kreuz unseres Herrn ein Zeichen setzen. Alle sollen sich unter dem Kreuz versammeln, und zu diesem Zweck werden wir auch alle Leprakranken aufnehmen.“

      „Aber – Vater Alun!“, rief Morgan erschrocken aus. „Denkt an die Gefahr der Ansteckung!“

      Der alte Mönch drehte sich zu ihm um und nickte nur mit ernster Miene.

      „Genau daran denke ich. Wenn wir gegen John ohne Land marschieren, werden die Leprakranken vorausgehen. Sie werden gewappnet sein und die erste Begegnung mit dem Feind anführen.“

      „Aber, Vater Alun, das ist vollkommen unmöglich! Ein Leprakranker soll auf dem Schlachtfeld für uns kämpfen? Er verliert möglicherweise noch vor dem ersten Schwertstreich seine Finger! Es ist gar nicht denkbar ...“

      Eine Handbewegung stoppte Morgans Rede.

      „Ihr wisst es also nicht, das verstehe ich natürlich. Also, Sir Morgan, so vernehmt nun, warum ich daran denke, diese Kranken auf das Schlachtfeld unter dem Zeichen des Kreuzes zu versammeln. Wer an dieser Krankheit leidet, ist schmerzunempfindlich. Wisst Ihr, was das bedeutet? Könnt Ihr Euch das Entsetzen ausmalen, wenn die Kranken Schwerthiebe erleiden müssen, und trotzdem weiterkämpfen, als wäre nichts geschehen? Könnt Ihr Euch vorstellen, dass ein Soldat da auf dem Schlachtfeld lange ausharren wird, wenn er solche Gegner vor sich sieht?“

      Morgan schwieg von Grauen erfüllt, als er sich dieses Bild ausmalte. Dann öffnete der Mönch eine weitere Tür im unterirdischen Gang und zeigte ihnen den dahinter befindlichen Raum. Auf der einen Seite lagen zahlreiche Waffen, auf der anderen standen Truhen voller Geschmeide, Silber und Gold.

      2.

      „Baldwin, ich werde zuversichtlicher mit jedem Tag, den ich an deiner Seite reite!“, rief Morgan übermütig aus, als die beiden Ritter über die Landstraße galoppierten. „Du hast es verstanden, ein gutes Netz zu knüpfen. Aber die Idee mit dem Grossi ist einfach unübertroffen. Wie bist du nur auf die Idee gekommen, eine venezianische Münze als Erkennungszeichen zu nehmen?“

      „Das erzähle ich dir später einmal, Morgan. Jetzt wird es Zeit – Moment, schau mal nach dort drüben. Wenn mich nicht alles täuscht, wird diese Staubwolke nicht durch ein Ochsengespann verursacht!“

      Der Rote deutete in östliche Richtung, und Morgan folgte sofort seinem ausgestreckten Arm. Die Landstraße wand sich in der Ferne um einige Erhebungen und lief dann inmitten sehr grüner Hügel bis auf einen Wald zu. Und aus dieser Richtung näherte sich rasch die Staubwolke.

      „Soldaten!“, sagte Morgan ruhig und zog das Schwert aus der Scheide.

      „Keine voreilige Tat!“, antwortete aber Baldwin sofort und deutete nach Westen. „Dort drüben ist ein kleines Waldstück, wo wir uns von der Straße unsichtbar verbergen können. Ich habe nichts gegen einen guten Kampf, aber dieser wäre unsinnig und zudem gefährlich. Da kommen gut und gern zwanzig Reiter, und wir haben keinen Bogen dabei.“

      „Ich fürchte mich vor keinem Soldaten des Sheriffs!“, erwiderte Morgan mit grimmigem Blick zur bald erkennbaren Reitergruppe.

      „Denkst du, ich habe Angst vor den Burschen? Doch auch ein dummer Soldat kann mal einen Hieb landen, zumal, wenn es sich um eine solche starke Gruppe handelt. Ich denke, es ist klüger, wenn wir uns zurückziehen und die Soldaten vorbeireiten lassen.“

      Mit diesen Worten trieb er sein Pferd schon von der Landstraße herunter und hielt auf das kleine Wäldchen zu. Nur widerwillig folgte ihm Morgan, noch immer das Schwert in der Faust. Im Schatten der Bäume gab es ausreichend Unterholz, und die beiden stiegen ab und banden die Pferde nur leicht mit einem Strick an einen Baumstamm, sodass er sich sofort lösen ließ, sollte es darauf ankommen.

      Ein Blick zurück zeigte die im Galopp heranpreschenden Soldaten. Die Gruppe kam dadurch schnell näher und war schon einzeln zu unterscheiden. Alle trugen ihr Schwert in der Hand, jedoch keine Lanzen, und dieser Anblick zeigte den beiden Freunden, dass man sie wohl auch wahrgenommen hatte.

      Es dauerte nicht lange, da waren die Soldaten vorüber, keiner von ihnen hatte auch nur einen Blick zum Waldrand geworfen, und Morgan wollte seinen Weg fortsetzen, als ein leiser Zuruf des Roten ihn verharren ließ.

      „Warte noch. Sie erreichen gleich die Anhöhe, die wir gerade passiert haben. Von dort können sie weit in das Land blicken, und wenn sie uns dann nicht mehr vor sich sehen, werden sie möglicherweise umkehren und nach uns suchen!“

      Der Hufschlag war jedoch in der Ferne verklungen, und endlich hielt es Morgan nicht länger aus. Er drückte die Schenkel in Blanes Weichen, um ihn anzutreiben, lenkte ihn aber nicht wieder auf die Landstraße zurück, sondern seitlich durch das Wäldchen auf die andere Seite. Der Rote folgte ihm langsam, sah sich dabei jedoch immer wieder um und war schließlich überzeugt, dass sie die Soldaten nicht mehr zu fürchten hatten.

      Wenige Meilen später erreichten sie einen kleinen Bach, dessen vollkommen klares Wasser leise rauschend am Straßenrand vorüber floss. Hier ließen sie die Pferde saufen, stiegen selbst ab und erfrischten sich etwas abseits von den Tieren mit dem kalten Wasser.

      Gerade griff Morgan an den vorderen Zwiesel des Sattels, um sich mit Schwung hinaufzuziehen, als ein Zischen dicht über ihn hinweg den Flug eines Pfeiles verkündete, der gleich darauf mit einem sanften „Plopp“-Geräusch in den Stamm einer schlanken Birke fuhr, um dort zitternd stecken zu bleiben.

      Morgan hatte sich sofort tiefer gebückt und musterte unter dem Bauch seines Pferdes die Umgebung. Zunächst war gar nichts zu entdecken, schließlich tauchten die Reiter aus einer Senke auf, und ein weiterer Pfeil schlug unmittelbar vor der rechten Hinterhand seines Pferdes in den Boden.

      Im Nu waren Baldwin und er im Sattel, schmiegten sich an die Hälse ihrer Tiere und preschten davon. Jubelndes Geschrei wurde hinter ihnen laut, weil die Soldaten annahmen, dass die beiden Männer ihr Heil in der Flucht suchten. Augenblicklich folgten sie ihnen, ohne zu ahnen, dass Sir Baldwin, der Rote Jäger, sich hier in seinem heimatlichen Revier tummelte und jeden Hügel, jedes Dorf und jedes Wäldchen genau kannte.

      Als die Soldaten über den nächsten Hügel kamen, blickten sie sich verwundert um.

      Weit und breit war von den fremden Rittern nichts zu sehen. Gerade wollte einer von ihnen sein Pferd wieder antreiben und an dem großen Gebüsch vorüberreiten, das hier neben der Straße stand, als es von dort plötzlich mächtig rauschte. Der Mann fuhr herum, das Schwert kampfbereit, aber mit dieser Begegnung hatte er nicht gerechnet.

      Mit einem gewaltigen Sprung setzte ein Rappe über ihn hinweg, die Hufe trafen ihn am Kopf und am Körper, und in weitem Bogen flog der Mann aus dem Sattel und stürzte schwer auf die Straße, wo er still liegen blieb.

      Keiner der anderen hatte bislang reagiert, und das wurde den fünf