USA seit 2020 keine Seekarten in Papierformat mehr gedruckt oder vertrieben. Erfahrungsgemäß schwappen mit einigen Jahren Verzögerung solche Entwicklungen aus den USA in der Regel über den Atlantik nach Europa. Auch das BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) in Deutschland druckt Papierseekarten nur noch auf Anforderung in Papierform. Ein privater deutscher Seekartenverlag hat diese Marktlücke allerdings inzwischen erkannt und bietet regional ausgewählte Seekartensätze in Papierform als Folio zu einem erstaunlich günstigen Preis an.
Auf Yachten mit zwei Steuerständen im Cockpit sieht man immer häufiger auch zwei Kartenplotter. Das erscheint nur konsequent, wenn denn der Rudergänger auf jedem Bug immer einen Bildschirm vor sich haben soll. Aber ist das sinnvoll? Oder gar notwendig? Heutzutage hat fast jedes Auto ein »Navi« eingebaut. Sinnvollerweise befindet sich dessen Bildschirm nahe an der Windschutzscheibe, also in Fahrtrichtung, grob im Blick nach vorn. Da die meisten Segler gezwungenermaßen erheblich mehr Stunden in ihrem Auto verbringen als an Bord, haben sie sich daran so gewöhnt, dass es ihnen selbstverständlich erscheint, an Bord diese Gewohnheit fortzusetzen. Dafür gibt es aber keine Notwendigkeit, denn eine Segelyacht bewegt sich in der Regel mit weniger als einem Fünftel der Geschwindigkeit eines Autos. Der Segler hat somit sehr viel Zeit, seinen visuellen Eindruck der Realität mit der virtuellen Darstellung auf dem Kartenplotter zu vergleichen. Wenn man ferner bedenkt, dass ein Kartenplotter am Steuerstand ständig in der Gefahr steht, mechanisch beschädigt zu werden und seine Kabelkontakte auch nicht unbegrenzt im Salzwassermilieu überleben werden, ist es nur sinnvoll, das Gerät unter Deck am Kartentisch einzubauen. Das einzige mir einsichtige Argument für einen Kartenplotter am Steuerstand ist der für Seekrankheit anfällige Rudergänger, der in bewegter See nicht hinunter zum Kartentisch gehen möchte. Doch welcher Skipper wird sein Schiff in bewegter See und navigatorisch schwieriger Umgebung einem solchen Crewmitglied längere Zeit das Ruder überlassen? So sind dann die beiden Kartenplotter im Cockpit möglicherweise in erster Linie ein Statussymbol … Ohne Zweifel ist der Kartenplotter in engen Fahrwassern, insbesondere wenn nahe an Untiefen navigiert werden muss, sicherheitstechnisch von Vorteil gegenüber einer Papierseekarte. Ein vieljährig erfahrener und regelmäßig segelnder Skipper wird zwar den Plotter nicht benötigen, solange ihm eine aktuelle Papierseekarte mit passendem Maßstab zur Verfügung steht, aber dem wenig segelnden Novizen gibt der Plotter zusätzliche Sicherheit (mehr dazu in Kapitel 3).
Äußerst fragwürdig ist hingegen die Tendenz, mehrere Funktionen auf nur einem Bildschirm darzustellen. Seekartendarstellung, Navigationsprogramm, Tidenkalender, AIS-Infos, Radar, Echolot, Logge, selbst die Tankanzeige, alles wird auf ein und demselben Display abrufbar. Manche Skipper bevorzugen dies wegen Platzmangels (nicht vorhandener Kartentisch, s.o.), aber mit dieser Funktions-Konzentrierung geht man ein nicht akzeptables Risiko ein: Fällt der Bildschirm aus, sind sämtliche Navigationsinformationen gemeinsam verschwunden. Keine Karte, keine Position, keine AIS-Infos, kein Echolot, kein Radar, keine Logge. Aus diesem Grunde ist es unbedingt wünschenswert, die wichtigen Navigationsgeräte (GPS, Kartenplotter, AIS, Radar, Logge und Echolot) möglichst auf getrennten Bildschirmen separat darzustellen oder redundant auszulegen.
Übersichtlicher, großer Kartentisch mit bewusst voneinander getrennten Geräten und Platz für Papierseekarten.
Eine diskutable Frage ist es, ob ein Tablet-Computer wie beispielsweise ein iPad mit einer Navigationsapp als Plotter nicht ausreicht? Sofern parallel dazu gute Papierseekarten zur Verfügung stehen, ist nichts dagegen einzuwenden. Insbesondere wenn das iPad nur am Kartentisch eingesetzt wird. Zwar gibt es gute wasserdichte Schutzhüllen für Tablet-Computer, doch bleibt das Risiko, dass in bewegter See vielleicht dummerweise die abgerutschte Winschkurbel darauf fällt. Hinzu kommt die begrenzte Betriebsdauer im Batteriebetrieb (mehr dazu in den Kapiteln 3, 4 und 6).
Computer an Bord: Der Laptop an Bord gibt uns Seglern an Bord unter verschiedenen Gesichtspunkten ohne Frage eine Freiheit, von der wir vor 30 Jahren nur träumen konnten. Manch eine Segelreise wird überhaupt erst möglich dank des Laptops an Bord (mobiles Arbeiten, Kommunikation mit der Familie etc.). Für Wetterdaten ist der Laptop eine umfassendere Informationsquelle als das Seefunkgerät. Aber: Brauchen wir wirklich beispielsweise eine Törnplanungsapp? Und vor allem: Vermittelt etwa die Törnplanung mit einer vorgefertigten App-Struktur mehr Freude bei der Planung? Ist nicht das Schmökern in einem Hafenhandbuch für den erträumten Törn abends im Bett für jeden Segler ein höherer Genuss als das Ausfüllen von Leerstellen in einer App?
Seekarten auf dem Laptop sind ebenfalls zweifelsohne eine gute Grundlage für die Törnplanung. Hingegen überflüssig, ja manchmal sogar gefährlich ist eine »Dock-to-Dock-Autorouting-App«, also eine fertig präsentierte, automatisch ablaufende Folge der verschiedenen Kurse, die uns – vielleicht sogar mit dem Autopiloten vernetzt – von Wegpunkt zu Wegpunkt bis hin zum Ziel steuert. Quasi das Segel-Videospiel an Bord. Aber gehen wir dafür segeln? Der Berufsfischer, der seine an verschiedenen Orten platzierten Netze schnell wiederfinden will, ist dankbar für eine solche Funktion, aber beim Segeln geht es doch in erster Linie um Spaß! Steigert die elektronische Seekarte tatsächlich den Spaß am Segeln in der Freizeit? Nur am Rande und mit einem Lächeln möchte ich eine Beobachtung erwähnen, die man in letzter Zeit abends in manch einer Schönwetter-Ankerbucht oder auch in vielen Häfen machen kann: Es gibt einige Yachten, die abends und manche auch die ganze Nacht hindurch eine ganz spezielle Beleuchtung besitzen: Blau, rot, grün oder lila leuchtend verwandeln in das Unterwasserschiff eingebaute Spots das Wasser um die Yacht in eine spektakuläre Lightshow. Na wer’s denn braucht …
Crewprobleme auf großen Yachten
Unter dem Begriff »große Yacht« soll im Folgenden von Segelyachten gesprochen werden, die 45 Fuß (etwa 13,5 m) und länger sind.
Nicht nur Charteryachten, auch Eigneryachten sind im Mittelmeer und in der Karibik inzwischen im Mittel um die 13 m lang und viele auch größer. Bei Charteryachten erklärt sich dies leicht durch die verständliche Forderung nach möglichst geringen Charterkosten pro Person. In der Tat ist eine mit acht Leuten belegte 15-m-Yacht pro Kopf billiger zu chartern, als eine mit vier Besatzungsmitgliedern belegte 12-m-Yacht. Doch ist es auch unmittelbar einsichtig, dass es umso mehr Interessenkonflikte geben muss, je größer die Crew ist. Manche möchten in der Kürze der Segelwoche möglichst viele verschiedene Häfen und Ankerbuchten kennen lernen, während andere entspanntes Badesegeln bevorzugen. Einige Crewmitglieder möchten ständig den Segeltrimm optimieren, während andere sich lieber an Deck lang machen und sich durch die ständige Aktivität an den Schoten, Fallen und Trimmleinen beim Anbeten ihres Sonnengottes gestört fühlen. Die Liste der möglichen Konflikte ist endlos. Wer schon häufiger mit unterschiedlicher Crewgröße auf verschiedenen Yachten unterwegs war, wird zustimmen, dass in der Regel die Bordatmosphäre auf den Yachten mit kleinerer Crew besser war. Es sei denn, dass der Törn von vornherein mit einem klar definierten Profil gesegelt und die Crew dementsprechend ausgesucht wird.
Neben menschlichen Problemen im Bordleben ist bei großer Crew natürlich auch der Koordinierungsbedarf an Deck für den Skipper erheblich größer. Wer macht was beim Ablegen, bei Segelmanövern, beim Anlegen? Nicht selten kommt es zu Konflikten bei der Frage, wer das Ruder übernimmt. In kitzligen Situationen wird der Skipper einen möglichst erfahrenen Rudergänger wollen. Möglicherweise ist dann aber ein anderes, hochmotiviertes, jedoch weniger kompetentes Crewmitglied beleidigt, dass der Skipper den Rudergänger wechseln lässt.
Ärger in der Crew.
Verwirrungen gibt es insbesondere bei Anlegemanövern, wenn mehr Leute an Deck sind, als Aufgaben verteilt werden können. Auf einem 16-m-Schiff mit 7-Leute-Crew kann nicht jedem eine sinnvolle Aufgabe beim Anlegen gegeben werden. Manche stehen dann einfach störend im Weg