Sarah Skitschak

Die Rose im Staub


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geschehen, da sich gerade noch der dritte Wasserdieb aus seiner Schockstarre in den Gräsern erhob – bloß, um von der Brust eines galoppierenden Pferdes erfasst und unter die Hufe geschleudert zu werden.

      Wieder fand ich mich in einem Moment der Reglosigkeit.

      Ich hörte den Schädel des Wasserdiebs knacken, als der Eisenbeschlag des Tieres durch den Knochen drang und das Gesicht in eine verzerrte Schreckensversion des einst bekannten Mannes verwandelte. Ich hörte den Schrei des stürzenden Stadtpferdes, das über den offenen Körper des Wasserdiebs rutschte und sich samt Reiter auf dem harten Erdboden überschlug. Das Knacken von Knochen, das Bersten von Rüstungsteilen, das Klirren von eisernen Waffen auf trockenem Grund. Erstickende Schreie eines Städters unter dem toten Leib seines Tieres. Das Gurgeln eines sterbenden Mannes mit durchstoßenem Brustkorb.

      Blutregen spritzte aus seiner Kehle über den Sand, als handelte es sich dabei um sanfte Sommerergüsse am Rande einer Schlechtwetterfront. Dunkelrote Sprenkel benetzten den verdrehten Leib des gestürzten Pferdes, rannen über das schwarze Fell jenes Rappen und sammelten sich zu einer versickernden Lache.

      Wie in Trance drehte ich mich um die eigene Achse und verfolgte die erste Welle der berittenen Städter, die bei unserem Anblick in Überraschung die Schwerter zückten, die mit ihren Schilden und Lanzen weiter auf uns zudonnerten und einem anderen Teil der Gruppe die Verfolgung unserer Reiter überließen. Aus den Mündern der Männer stieg ein bedrohlicher Chor gebrüllter Befehle, der die Pferde in Panik voranstürmen ließ, der mit den Galoppsprüngen lauter und lauter wurde, der sich sekündlich steigerte und zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen anschwoll. Weißer Schaum stob aus den Mäulern der Tiere, bedeckte die schwitzenden Muskeln mit Speichel und flog durch die flirrende Wüstenluft.

      Schneller und schneller wurde die Hatz.

      Ich wandte mich um. Plötzlich in Panik. Mein Blick traf auf den des Wassermeisters, der endlich wieder zu klaren Gedanken kam und indessen sein Krummschwert aus der Halterung löste. Seine Füße stellten sich in Kampfposition, während seine Hände die gebogene Klinge vor den Körper führten und dem Sturm der Städter zu trotzen gedachten.

      »Nakhara …«, schienen seine Lippen in sanftem Tonfall zu formen, doch Jharrns Blick blieb in eiserner Härte versteinert. »Lauf! Lauf, so schnell dich die Füße nur tragen! Lauf nach Hause!«

      In diesen Sekunden blieben Demütigungsgefühle gleichgültig.

      Ich zog meinen Dolch und stürzte davon.

      Mit zitternden Gliedern rannte ich über die sandüberwehten Flächen der stadtnahen Steppe, schlug mich durch die hüfthohen Steppengräser in die Flucht vor den Soldaten Gwerdhylls und wagte keinen Blick mehr über die Schulter zurück. In meinen Ohren verhallten die klirrenden Laute der aufeinanderprallenden Klingen und mischten sich mit dem Geräusch meines eigenen Herzschlags, der in den rasenden Rhythmen meines Laufs bis in die Halsschlagader spürbar blieb. Der rudernde Kreislauf jagte Schwindelgefühle durch meinen Körper, als bewegte ich mich nicht mehr aus eigenen Kräften voran, als flöge ich durch die Steppengräser und würde von unsichtbaren Mächten getragen.

      Das Gefühl für meine Extremitäten ertaubte.

      Lediglich die harten Schläge der aufkommenden Sohlen auf heißem Sand … lediglich jene Erschütterungen schien mein Verstand noch eben erfassen zu können.

      Vor meinen Augen vibrierte das Sichtfeld und verformte die Weiten der Wüste zu einem schwankenden Gebilde ohne Himmel und Erde. Farben zerflossen in ihren ureigenen Formen, wirbelten wie Sturmaugen durch die fliehenden Sandpartikel und täuschten meine Sinne, bis keine Orientierung mehr für mich blieb. Mein innerer Kompass zerschellte an den Felsen der Panik.

      Schon verloren meine Füße den Halt auf den versandeten Flächen, schlidderten unkontrolliert über einen Dünenhang und verkanteten sich mit ledernen Fesseln ineinander, sodass mein Körper auf den Boden geworfen wurde. Ich reckte meine Hände vor das Gesicht, um meine Augen vor den Sandpartikeln zu schützen und den Städtern nicht gänzlich ohne Wehr ausgeliefert zu werden.

      Dann fühlte ich, wie sich mein Leib überschlug … wie sich die dicken Lederfetzen meines Schutzpanzers zwischen die Rippen bohrten und die Luft aus meinen Lungen pressten, wie die Arme aus ihrer Position gerissen wurden und ohne Funktion im Fall ruderten, wie ich auf harte Steinbrocken geworfen wurde, wie sich meine Welt im Nichts der Ohnmacht auflösen wollte.

      Ich landete hart auf dem Bauch, ohne mich weiter rühren zu können.

      Das Donnern der Pferdehufe rückte näher und ich wollte schreien, wollte brüllen, wollte kämpfen, aufstehen, mich wehren … Mein eigener Körper versagte den Dienst, sodass ich reglos auf dem heißen Sand liegenblieb.

      »Steh auf, Wasserdiebin! Steh auf!«, brüllte Krusadhs Stimme von Nahem.

      Meine Lungen blähten sich bei den Atemversuchen und füllten sich brennend mit Wüstensand. Mit einem Male spürte ich starke Hände im Nacken, als der junge Reiterkrieger meinen Körper zu fassen bekam und panisch mit sich zu schleifen begann.

      »Lauf! Lauf, lauf, lauf!«

      Ich verlor mich im Farbengewirr der Wüste, die sich allmählich zu Sanddünen ohne Untergrund formte und tiefe Furchen unter meinen nahezu leblosen Beinen bildete. Meine Füße paddelten kraftlos über die Fläche, während Krusadh seinen Zug an meinem Nacken verstärkte und mich in den Stand zu ziehen versuchte. Schmerz durchzuckte mein Nervensystem.

      Unter den pulsierenden Empfindungen meines Körpers fühlte ich mich wie gelähmt.

      Noch niemals zuvor hatte ich solch einen starken Schmerz empfunden, niemals zuvor so wehrlos in den Armen eines Stammesmitgliedes gelegen und mich selbst nicht der Situation zu erwehren vermocht. Meine Lungen schienen sich mit purem Feuer zu füllen, als hätte man die Wüstenluft in Brand gesetzt, als hätte die Sonne nun sämtliche Energie in das blaue Band über unseren Köpfen geleitet und eine vernichtende Flammenwand entfacht.

      Ich versuchte, die Hand an meinen Brustkorb zu legen.

      Die Knochen darunter schienen der Berührung zu weichen … einfach nachzugeben … als wären sie nicht existent.

      »Ich glaube, meine Rippen sind gebrochen, Krusadh!«, artikulierte ich mit pfeifender Lunge und geriet im Schock der Erkenntnis in vollkommene Apathie. »Ich kann die Knochen …«

      »Halt dein Maul, verfluchtes Weibsbild, und lauf!«

      Die Hand des Kriegers versetzte mir einen letzten Stoß, sodass ich einige Meter über den Sand stolperte und erneut über eine der Dünen rutschte. Ich stürzte hart auf die betroffene Seite, schlidderte kurz und krümmte mich dann zusammen. Ein unerträgliches Gefühl explodierte in meiner Brust, als wollte es die Bedeutung des Wortes Schmerz für alle Zeit von den Landen tilgen. Als der Atemreflex meine Lungen von innen gegen die Knochen blähte, da reagierte mein Körper gänzlich ohne mein Zutun.

      Ich übergab mich.

      Mein Magen schien sich mehrfach um die eigene Achse zu drehen, um einen Schwall säurehaltiger Flüssigkeit durch meine Kehle zu zwängen und schließlich auf den Wüstenboden zu entlassen. Zwar spürte ich die körpereigenen Prozesse, doch war mir, als sähe ich von außen auf die würgende Wasserdiebin hernieder … als beobachtete ich ihre letzten Momente.

      Ich ahnte: Krusadh hatte mich nicht absichtlich in den Sand gestoßen … Trotz seines Verhaltens – ein solches Unrecht hätte er nicht begangen.

      Als ich meinen Kopf zu den Verfolgern wandte, da sah ich seinen lanzendurchschlagenen Körper im Staub und verfolgte mit Schrecken …

      … wie sich nun eine Walze der Stadtreiter ihren Weg über die Leiche des Kriegers bahnte.

      ***

      »Nakhara! Nakhara, hörst du mich?«

      Jharrns Stimme durchbrach die Schwärze der Bewusstlosigkeit, doch hallte ihr Echo in weiter Ferne. Ein Kribbeln durchlief meine Extremitäten, schwappte in Wellen durch meinen Organismus und drohte, mich in das süße Vergessen des Schlafs zu wiegen. Hitze brannte auf