Barbara Rusch

Robert Koch


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»Ursprünglich bildete die Bakteriologie einen winzigen Abschnitt der Botanik.«

      ROBERT KOCH

      Man kann davon ausgehen, dass bei den Kochs zu Hause über den Bergbau, die neuesten Technologien und chemischen Prozesse gefachsimpelt wurde, schließlich war auch der Großvater vom Fach, und einige Brüder von Robert Koch sowie sein Cousin Robert studierten später selbst Bergwissenschaften. Sicher ist, dass Hermann Koch Robert in dessen Studienzeit zu seinen Inspektionen der Hütten und Bergwerke mitnahm und ihn mit den technischen und chemischen Geräten der Montanindustrie aus erster Hand vertraut machte. Möglicherweise waren gerade diese Erfahrungen für Robert Kochs spätere Arbeit prägend: technische Neuerungen in der wissenschaftlichen Forschung praktisch anwenden und Forschungsergebnisse in der Bakteriologie in der allgemeinen Hygienepraxis umsetzen.

      Großen Einfluss übte auch Mathildes Bruder aus. Eduard Biewend wohnte mit seiner Familie in Hamburg, hielt sich aber oft in Clausthal bei seinem Sohn Robert auf, der aus Gesundheitsgründen bei den Kochs im Harz lebte. Er war der Lieblingsonkel von Robert Koch und für die Kinder eine enge Bezugsperson. Der promovierte Chemiker war von 1843 bis 1876 bei der Hamburger Bank als Münzwardein für die Prüfung der Münzlegierungen und -gewichte sowie für die Kontrolle des Münzmeisters zuständig.

      Es war wohl Eduard Biewend, der Robert Koch für die Mikroskopie begeisterte und ihm das Fotografieren beibrachte. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte er zu den Pionieren der Daguerreotypie, ziemlich sicher experimentierte er schon um 1846 mit der neuen Technologie. Lange Zeit unterschätzt, wird er heute zu den einflussreichen frühen Fotografen in Deutschland gezählt, der für die damalige Zeit erstaunlich ungezwungene, berührende Porträts – vor allem von seiner Familie und der seiner Schwester Mathilde – und ungewöhnliche Landschafts- und Architekturfotografien schuf. Daguerreotypien von Eduard Biewend, darunter Porträts von seiner Frau und seinen Kindern, werden heute unter anderem im Getty Trust in Los Angeles und in den Technischen Sammlungen der Stadt Dresden aufbewahrt. Auch ein berühmtes Familienfoto der Kochs aus dem Jahr 1854 stammt von ihm. Eduard Biewend unternahm mit Robert oft Erkundungen, sammelte mit ihm Pflanzen, Tiere und Mineralien, half ihm, sie zu bestimmen und unter der Lupe genau zu betrachten. Ganz sicher trug sein Einfluss auch dazu bei, dass Robert Koch später die Fotografie als technische Neuerung in seine Arbeit einbaute.

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      Der schwedische Erfinder Alfred Nobel unternahm in den 1860er-Jahren gemeinsam mit Robert Kochs Vater Hermann im Oberharz Testsprengungen mit Nitroglyzerin und blieb der Familie auch in späteren Jahren verbunden.

       Ein neuer Weg

      STUDIUM UND ERSTE FORSCHUNGSERFOLGE

       »Robert Koch hat erklärt, Philologie studieren zu wollen, während es bisher schien, als werde er sich dem Studium der Medizin oder der Mathematik und Naturwissenschaften widmen. Er hat eine Anlage, die ihm als Gymnasiallehrer allerdings zu statten kommen würde: die des mündlichen Vortrages, den ein sehr treues Gedächtnis unterstützt; wenigstens konnte man einzelne Leistungen dieser Art sehr gut nennen.«

      So lautete das Urteil eines der Lehrer von Robert Koch. Allerdings wünschte man sich generell die Vorbereitung gerade zum philologischen Fach doch etwas vollständiger. Es würde nun darauf ankommen, ob Koch seine Kraft konzentriert und konsequent auf das vorgesteckte Ziel richte; die Fähigkeit ließe sich nicht leugnen. Philologie? Man meint die fragend hochgezogene Braue des Schuldirektors sehen zu können, der diese Beurteilung des Schülers Robert Koch vor dem mündlichen Abitur der Prüfungskommission vorlegte. Angesichts seiner Zensuren und seiner offensichtlichen Begabungen schien dieser Berufsplan überhaupt nicht zu ihm zu passen. Was war geschehen?

       »Gerade bei meinen Brüdern habe ich die Überzeugung gewonnen, daß nicht die Schule, sondern das Leben den Kaufmann zu dem macht, was er sein soll.«

      ROBERT KOCH

      Was Roberts Berufsplanung anging, hing bei den Kochs wohl schon längere Zeit der Haussegen so schief, dass sogar der Familienrat in Hamburg bei Roberts Onkel Eduard Biewend tagte. Im April 1861 schrieb Mathilde Koch dazu besorgt an ihre Schwägerin: »Daß Hermann mit Robert kommt, geschieht in einer wichtigen Angelegenheit, daß Robert fest in der Wahl seines künftigen Berufes wird. Er spricht noch immer, daß er Kaufmann werden möchte, und das wünschen wir nicht und da soll nun Robert mit Euch und Wilhelm an Ort und Stelle in Hermanns Beisein Rücksprache nehmen.«

      Offensichtlich war Robert drauf und dran, die Schule aufzugeben, war sie doch um einiges langweiliger als der Weg, den seine Brüder einschlagen wollten: Der älteste Bruder, Adolf, war damals schon Landwirt und plante unumstößlich nach Amerika auszuwandern. Wilhelm, nur ein Jahr älter als Robert, hatte die Schule vor dem Abitur verlassen, absolvierte in Hamburg eine kaufmännische Lehre und war ebenso wie Adolf fest zur Emigration entschlossen. Auch die beiden jüngeren Brüder Arnold und Albert zeigten wenig Ehrgeiz, in der Schule, im Harz oder auch nur in Europa zu bleiben. Die Koch-Brüder lagen mit ihren Plänen ganz im Trend der Zeit: Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Auswanderungswelle mit jährlich über 100 000 Emigranten bislang unerreichte Dimensionen angenommen. Und 90 Prozent der Auswanderer zogen in die Vereinigten Staaten, wo deutsche Immigranten eine der größten Gruppen bildeten.

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      Der etwa 21-jährige Robert Koch als Student in Göttingen. Der angehende Arzt braucht nun schon eine Brille gegen seine starke Kurzsichtigkeit.

      Wie seine Brüder sehnte sich Robert danach, ferne Länder kennenzulernen, Abenteuer zu erleben. »Am liebsten«, schrieb sein Cousin Robert Biewend Jahre später, »hätte Robert Koch sich wohl ganz dem Studium der Naturwissenschaften gewidmet und bei seiner ausgesprochenen Neigung, fremde Länder zu bereisen und zu studieren, würde er wohl einen ausgezeichneten Forschungsreisenden abgegeben haben. Aber hierzu fehlten die Mittel.«

      Auswanderung bedeutete Mitte des 19. Jahrhunderts meist einen Abschied für immer, und es ist leicht nachzuvollziehen, dass Hermann und Mathilde Koch nicht alle ihrer älteren Söhne ziehen lassen wollten. Sie legten ihr entschiedenes Veto ein. Offensichtlich schien ihnen Robert, der sich mit seinen vielfältigen Interessen nicht sehr zielstrebig zeigte, auch nicht besonders geeignet für diesen Schritt. Angesichts der finanziellen Lage der Familie und Roberts Begabungen kristallisierten sich im Lauf der Auseinandersetzungen zwei mögliche Berufswege heraus: entweder Arzt oder Gymnasiallehrer für naturwissenschaftliche Fächer. Der Lehrerberuf schien schneller und sicherer zu einer Stellung zu führen, die Robert ernähren würde, und wurde deshalb als »Plan A« behandelt. Vielleicht war es ja eine Trotzreaktion, dass Robert in der Schule als Wunschstudium »Philologie« angab: Wenn einem der Traumberuf verwehrt bleibt, dann ist die Alternative auch egal …

       »Ich möchte einiger meiner damaligen Lehrer in Dankbarkeit gedenken, nämlich des Anatomen Henle, des Klinikers Hasse und besonders des Physiologen Meissner, welche den Sinn für wissenschaftliche Forschung in mir geweckt haben.«

      ROBERT KOCH

      Ostern 1862 verließ Robert Koch Clausthal zusammen mit seinem knapp vier Jahre jüngeren Bruder Arnold, der in Goslar eine kaufmännische Ausbildung begann. Der 18-jährige Robert schrieb sich am 23. April an der Georg-August-Universität in Göttingen in den Naturwissenschaften ein, noch verfolgte er das Berufsziel Lehrer. In einem Brief vom Mai 1862 berichtete er seinen Eltern von den von ihm belegten Fächern: »nämlich Trigonometrie und Stereometrie bei Ulrich, Physik bei Weber und Botanik bei Griesebach. Zusammen sind es 17 Stunden und doch habe ich für diese wenigen Kollegia so viel zu thun, daß mir nicht viel Zeit übrig bleibt. Selbst der Sonnabend und Sonntag sind durch botanische Excursionen in Anspruch genommen. Herr Professor Ulrich hat mir abgerathen, jetzt schon in das mathematisch-physikalische Seminar zu gehen und so habe ich es denn auch gelassen.«

      Das Studium war teuer und die Finanzierung bereitete ihm Kopfzerbrechen. »… Trotzdem ich so viel als möglich zu sparen suche, verschwindet das