Barbara Rusch

Robert Koch


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ausgeben müssen«, schrieb er im selben Brief. Der junge Student versuchte deshalb, so weit wie möglich an den Lebenskosten zu sparen.

      Abgehärtet durch das raue Oberharzer Klima, fand er neben seiner finanziellen Lage auch das Wetter in Göttingen bemerkenswert unangenehm: »Hier ist es wie im August so heiß; kaum kann man noch des Mittags aus dem Hause gehen vor Hitze. Diese Hitze ist aber auch das Einzige, was mich plagt, sonst habe ich mich recht schnell an alles gewöhnt, als: schlechtes Wasser, ein Bett, in dem man vor vielen Decken verschwindet, Wirthshausessen und was sonst noch für Kleinigkeiten sind. Mein Essen habe ich so billig, als nur irgend möglich ist, eingerichtet. Morgens trinke ich Milch und esse ein Stück Brod dazu, Mittags den sogenannten Aschanti und zwar dreiviertel Portion von der schlechtesten Sorte und Abends ein Schmalzbrod. An Frühstück und Nachmittagsbrod darf ich nicht denken, weil sonst mein Brod nicht ausreicht.« Der »Aschanti« war ein billiges Mittagessen für die Studenten, das in einer schmuddeligen Garküche verkauft wurde. Es muss – vor allem im Sommer – so grauenhaft gewesen sein, dass es selbst der genügsame Robert Koch irgendwann nicht mehr ertragen konnte. Um sich keine Vergiftung zu holen, abonnierte er für sechs Taler im Monat Mittagessen in einem Wirtshaus.

       »Leider können wir in Göttingen uns nicht rühmen, in der von ihm eingeschlagenen Richtung seine Lehrer gewesen zu sein.«

      KARL EWALD HASSE

      Größere Begeisterung als die Verpflegung löste das Studium aus. Nach einem Semester hatte Robert Koch die Lehrerausbildung aufgegeben und sich der Medizin zugewandt, die ihm erst als vernünftiger Kompromiss erschienen war und ihn nun immer mehr faszinierte. Chemie belegte er bei Friedrich Wöhler, der seit 1836 als Professor für Medizin, Chemie und Pharmazie an der Universität lehrte. Des Weiteren besuchte er Kurse bei dem bekannten pathologischen Anatom Wilhelm Krause und hörte Psychologie bei Hermann Lotze. Besonders tief beeindruckten ihn die Lehrveranstaltungen von Georg Meissner, Karl Ewald Hasse und Jakob Henle. Hasse, der sich in seinen Memoiren an Koch an einen »blassen, jungen Menschen von stillem, sinnig beobachtendem Wesen« erinnerte, der sich nicht »der Aufmerksamkeit des Lehrers entgegen« drängte, gab 1893 jedoch freimütig zu, dass weder er noch ein anderer Dozent Robert Koch damals zu seinen späteren innovativen Forschungen anleitete: »Ich selbst stand … der Lehre von der Bedeutung der Mikroorganismen noch ziemlich skeptisch gegenüber. Zwar hatte ich von Anfang meiner Lehrtätigkeit an die Forderung einer wohlbegründeten Ätiologie betont die Überzeugung ausgesprochen, daß die bekannten scharf gezeichneten Krankheiten, insbesondere die ansteckenden, nicht anders als durch ganz eigenartige (spezifische) Ursachen entstehen können. Es schien mir jedoch vorschnell, überall die Bakterien so ohne weiteres als das Wesentliche der Entstehung der Krankheiten hinzustellen.«

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      Der bedeutende Anatom und Pathologe Jakob Henle zählte zu Robert Kochs wichtigsten Lehrern an der Universität in Göttingen.

      Es bleibt die Frage, welchen Einfluss Jakob Henle auf Robert Koch hatte. Henle hatte schon 1840 in seiner theoretischen Abhandlung »Von den Miasmen und Contagien und von den mismatisch-kontagiösen Krankheiten« die Idee lebender, parasitärer Erreger von Infektionskrankheiten behandelt. Sie gilt heute als Anfang der Erforschung bakterieller Infektionen, da darin bereits bestimmte Anforderungen an den Nachweis mikrobiologischer Krankheitserreger formuliert wurden. Diese mündeten letztendlich Jahrzehnte später in den sogenannten Henle-Koch-Postulaten, die heute jeder Anfänger in der Mikrobiologie lernen muss: Erreger müssen im erkrankten Organismus nachgewiesen und außerhalb des Organismus in Reinkultur gezüchtet werden können und in ihrer Reinkultur die Krankheit – im Tierexperiment – wieder erzeugen.

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      Siegel der 1737 gegründeten Georg-August-Universität in Göttingen, an der Robert Koch in den 1860er-Jahren Medizin studierte. Dort lernten und lehrten bislang über 40 Nobelpreisträger.

      Jakob Henle war damit ein theoretischer Wegbereiter der Bakteriologie, doch galt der Verfasser des 1855 veröffentlichten berühmten »Handbuchs der systematischen Anatomie des Menschen« in den 1860er-Jahren vor allem als führender Anatom. Man kann heute nur mehr spekulieren – und tatsächlich wird auch in Fachkreisen gerne darüber gestritten –, inwieweit Henle seine Ideen von lebenden Krankheitserregern in der damaligen Zeit in der Lehre behandelte, ob und in welchem Maß dies Robert Koch, der ab 1864 bei Henle studierte, beeinflusste und warum er dies später nicht erwähnte. Ganz sicher lernte der junge Student bei Jakob Henle, dem Begründer der Histologie und mikroskopischen Anatomie, akribisch zu mikroskopieren und zu präparieren, streng wissenschaftlichrational vorzugehen und im Kleinsten nach den Ursachen zu forschen.

      Das Medizinstudium machte Robert Koch Spaß, offensichtlich hatte er endlich eine Fachrichtung gefunden, die seinen Interessen und Begabungen gut entsprach. Er kniete sich in den Lehrstoff, und im Sommer 1864 konnte er seiner Familie in Clausthal schon erste Beweise seiner neu erlernten Kunst zeigen. »Robert ist seit etwa 4 Wochen hier und ist sehr vergnügt und lieb zu allen. Er ist unser Hausarzt und hat Mariens Fuß, den sie vertreten, und Ajaxs Hundefuß, der kläglich überfahren war, wieder kuriert und mich zu verschiedenen Malen, denn ich bin öfters etwas piepelig gewesen.«, schrieb Mathilde Koch erfreut über die Fortschritte ihres Sohnes in einem Brief.

       »Auf der Universität habe ich keine unmittelbare Anregung für meine spätere wissenschaftliche Richtung empfangen, einfach aus dem Grunde, weil es damals noch keine Bakteriologie gab. «

      ROBERT KOCH

      Im darauffolgenden Jahr überraschte Robert seinen Vater, der zu seinem eigenen Missvergnügen zugenommen hatte, mit dem Ratschlag, weniger Kartoffeln zu essen. Dieser Tipp scheint bei den Kochs eher auf verblüfften Unglauben gestoßen zu sein, denn Robert Koch nahm später darauf Bezug – in einem Brief, in dem er zudem gute Neuigkeiten berichten konnte: »Obgleich du bei unserem letzten Zusammensein keine allzu hohe Meinung zu haben schienst, von meinem medicinischen Wissen im allgemeinen und von der merkwürdigen Eigenschaft der Kartoffeln, magere Leute fett zu machen, insbesonders, so ereignet es sich doch bisweilen, daß auch eine blinde Taube ein Korn findet, wie es mir jetzt z.B. ergangen ist. Nämlich bei der diesmaligen Preisvertheilung ist mir für meine Arbeit der Preis zuerkannt.«

      Besagter Preis war 1864 von der Georg-August-Universität ausgeschrieben worden und beinhaltete folgende Aufgabenstellung: durch »eine genügende Reihe von Untersuchungen festzustellen, ob und in welcher Verbreitung die Nerven des Uterus Ganglien enthalten«. Robert Koch hatte sich zur Teilnahme entschlossen, und vielleicht schürte dabei auch eine persönliche Konkurrenz seinen Ehrgeiz: Adolf Polle, mit dem er zusammen in Clausthal sein Abitur abgelegt hatte, nahm die gestellte Aufgabe ebenfalls ziemlich zielstrebig in Angriff. Während Polle seine Wettbewerbsarbeit vor allem am Institut des Anatomen Wilhelm Krause ausführte, war Koch wahrscheinlich hauptsächlich im Institut von Jakob Henle tätig.

      Im Juni 1865 erwarteten beide bei der jährlichen Universitätsfeier mit gespannter Erwartung die Verkündigung der Preisträger – und beide konnten nach einer quälend langen und fantastisch langweiligen Preisrede jubeln: Sowohl Adolf Polle als auch Robert Koch hatten den ersten Preis gewonnen, und die Arbeiten der beiden Studenten wurden von der Universität als Preisschriften veröffentlicht. Kochs Abhandlung, »Über das Vorkommen von Ganglienzellen an den Nerven des Uterus« trug das Motto »Numquam otiosus«, »Niemals müßig«, und die Widmung: »Dem geliebten Vater widmet als Ausdruck seiner Zuneigung und Dankbarkeit diese erste Frucht seiner Studien der Verfasser.« Roberts Eltern waren sehr stolz auf den Erfolg ihres Sohnes. »Robert hat uns wieder eine große Freude gemacht«, schrieb Hermann Koch in einem Brief an seinen ältesten Sohn Adolf. »In unserer Freude haben Mama und ich Robert in Göttingen besucht und einen recht vergnügten Tag mit ihm verlebt.«

       »Auf meinen Wanderungen durch das medizinische Gebiet stieß ich auf Strecken, wo das Gold noch auf dem Wege lag.«

      ROBERT KOCH

      Die Begeisterung war umso größer, da es offensichtlich seit Jahresbeginn wieder Auseinandersetzungen um die berufliche Karriere Roberts gegeben