Markus Lesweng

Fettnäpfchenführer Australien


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– sehr gut. Aber wie sieht es mit dem Festland aus? Wenn Sie Athen vermuten, liegen Sie (knapp) daneben. In der Tat ist es Helsinki, im hohen Norden!

      So gut es der enge Sitz zulässt, reckt und streckt sich Lena, bevor sie erleichtert feststellt, dass es keine zwei Stunden mehr bis nach Sydney sind. Als sie die Fensterblende nach oben schiebt, kann sie bereits den ersten Schimmer der Dämmerung erkennen.

      Noch ist es recht still im Flieger, vom Summen der Triebwerke und ein paar vereinzelten Schnarchern einmal abgesehen. Damit bleibt Lena nichts anderes übrig, als die bisherige Reise Revue passieren zu lassen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sie völlig verwirrt ist: Noch nie war sie auch nur annäherungsweise so weit weg von daheim; auch weiß sie nach zwei Nächten unterwegs nicht, ob sie sich gerade eher hungrig oder müde fühlen soll.

      Glücklicherweise wird ihr die Entscheidung abgenommen: Kurz darauf werden ihre Mitreisenden unsanft geweckt und vor der Landung noch einmal mit einem kleinen Frühstück versorgt.

      Als viel spannender entpuppt sich allerdings das, was sich draußen abspielt. Mit dem ersten Tageslicht kann Lena bereits die Küstenregion Australiens ausmachen – und von oben sieht das Land durchaus verlockend aus, wenn auch gar nicht so rot wie gedacht. Als es dann zur Landung nach Sydney geht, versperren dichte Wolken die Sicht. Wann immer es allerdings eine Lücke erlaubt, einen Blick auf den Boden zu erhaschen, sieht Lena ein Meer aus Häusern – scheinbar bis zum Horizont.

      Pünktlich landet die Maschine schließlich am internationalen Terminal in Sydney. Der Blick nach draußen ist ernüchternd, selbst nach der Ansage des Kapitäns, das Wetter sei heute »nicht besonders«. Am Himmel hängen dunkle Wolken, vereinzelte Tropfen schlagen ans Fenster. Da fühlt man sich direkt wie zu Hause, denkt Lena.

      Eigentlich hat sie mehr als genug Zeit, um ihren Anschlussflug zu erwischen. Eigentlich. Doch bis Lena endlich das Flugzeug verlassen kann, vergeht eine gefühlte Ewigkeit. Als Nächstes muss sie eine gewaltige Strecke zurücklegen, um das Gepäckband zu erreichen, doch zumindest fühlt es sich göttlich an, endlich wieder ein bisschen Bewegung zu bekommen. Lena lässt den Blick durchs Terminal schweifen; irgendwie schaut das alles noch ganz normal aus – das Ganze wirkt sehr viel vertrauter als gedacht.

      Als sie sich mit ihren Hunderten Mitreisenden am Kofferband einfindet, ist von ihrem Gepäck noch keine Spur. Eine weitere gefühlte Ewigkeit dauert es, bis sich das Band gemächlich in Bewegung setzt. Innerlich schließt Lena bereits eine Wette mit sich ab, dass ihr Backpack der letzte sein wird, der ausgeliefert wird – und fast hätte sie gewonnen, denn erst nach der dritten gefühlten Ewigkeit liefert das Band den riesigen Rucksack samt Camping-Equipment.

      Kaum hat sie ihr Gepäck vom Band gehievt, wartet die nächste Hürde auf Lena, dieses Mal eine auf vier Beinen. Ein zuckersüßer Beagle, der anscheinend seinen Beamten im Terminal ausführt, schaut sie mit großen Augen fragend an. Der Offizielle am anderen Ende der Leine deutet aufs Lenas Handgepäck und fragt:

      »Haben Sie noch Lebensmittel da drin? Wurstbrötchen vielleicht?«

      Nach kurzem Nachdenken muss Lena diese merkwürdige Frage bejahen. Sie stellt ihr Handgepäck ab. Der Beagle hüpft begeistert um es herum, als vermute er den besten Stock aller Zeiten darin. Lena fischt derweil ihre Notration aus dem Rucksack, darunter ein paar zerdrückte, angeschmolzene Schokoriegel und das letzte von ein paar Broten, die ihre Mutter ihr daheim noch aufgeschwatzt hatte. Doch die Stulle hat ihre Halbwertzeit schon lange überschritten.

      »Die müssen wir leider entsorgen, die dürfen Sie nicht einführen!«, stellt der Offizielle knapp fest. Als er Lenas leicht irritierten Blick bemerkt, erkundigt er sich noch, ob sie denn die Hinweise zur Quarantäne nicht mitbekommen habe. Langsam fällt auch bei Lena der Groschen; vage entsinnt sie sich an den im Flieger gezeigten Film, der die Gefahren eingeschleppter Arten äußerst dramatisch dargestellt hat. Aber da war der Blick aus dem Fenster bereits viel, viel spannender. Für das Wurstbrot ist die Reise allerdings an dieser Stelle vorbei.

      Woran sich Lena aber noch deutlich erinnern kann, ist die Einreisekarte. Auf der wurde nämlich auch gefragt, ob sie Essen dabeihabe – was Lena ordnungsgemäß mit »yes« beantwortet hat. Außerdem erkundigte sich der australische Staat bereits an dieser Stelle, ob sie vielleicht nicht auch Waffen, Steroide, Pornografie, Teile von Tieren oder Pflanzen, größere Summen von Bargeld oder etwa Honig einführen wolle. Das konnte nicht ernst gemeint gewesen sein – und doch studiert der zuständige Grenzbeamte nicht nur Lenas Pass kritisch, sondern auch besagte Einreisekarte. Offenbar gibt es nichts zu beanstanden, denn er stempelt Lenas Pass energisch ab und reicht ihn ihr mit einem Augenzwinkern zurück. »Welcome to Australia. Next!«

      Lena glaubt bereits naiv, damit alle Formalitäten erledigt zu haben. Doch bevor sie endgültig im Land angekommen ist, muss sie sich schon wieder einreihen. Einmal mehr muss das Gepäck kontrolliert werden, einmal mehr wirft jemand einen kritischen Blick auf Lenas Einreisekarte. Eine taffe Dame fragt sie mit schwerem Akzent, ob ihre Campingausrüstung neu sei. Lena verneint. Sie habe sie schon ein paarmal genutzt, daheim in Deutschland. Genau wie die Wanderstiefel, die sie schlauerweise bereits eingelaufen hat. Daraufhin wird Lena zur Vorzugsbehandlung aus der Reihe abkommandiert.

      Eigentlich hat Lena immer noch genug Zeit, ihren Anschlussflug zu erreichen. Eigentlich. Doch Lena wähnt sich im falschen Film, als sie zusehen muss, wie zwei Leute sich mit Inbrunst ihrem Zelt widmen, es akribisch auf Spuren von Dreck untersuchen und anschließend auch noch aussaugen. Prinzipiell ein guter Service, doch zum falschen Zeitpunkt. Nach gut zehn Minuten bekommt Lena ihr Zelt und ihre Wanderschuhe – mit blank geputzten Sohlen – zurück und weiß nicht so recht, ob sie sich bedanken soll. Die Zeit wird langsam knapp, und da hilft es nicht, dass sie nun erst einmal ihr Zelt wieder zusammenpacken darf, um dann – endlich! – als freier Mensch australischen Boden betreten zu dürfen.

       Crikey! Was ist da schiefgelaufen?

      Kurzum: Lena wähnte sich schon am Ziel, als es noch viel zu früh war. Sie hat die Rechnung ohne die australischen Behörden gemacht. Für die Einreise nach Australien gilt es, mindestens eine Stunde einzuplanen; lieber mehr als weniger.

      Wie bereits in der vorigen Episode erwähnt, kann man nicht einfach nach Australien einreisen – es bedarf eines Visums. Dass der Pass dahingehend gründlich geprüft wird, darf daher nicht überraschen.

      Sehr wohl überraschen dürften die Formalitäten, die darauf folgen. Die Regeln zur Quarantäne erscheinen dem Reisenden, der gerade einen ganzen Tag im Flugzeug gesessen hat, wie eine unnötige Schikane, doch haben sie eine ganz entscheidende Funktion: Sie sollen Tier- und Pflanzenarten, die nicht in Australien einheimisch sind, aus dem Land halten. Die australische Flora und Fauna sind einzigartig, aber auch empfindlich – und die Nation hat mehr als genug Erfahrung mit Plagegeistern gesammelt, die sich auf dem fünften Kontinent eingenistet haben, von Kaninchen bis hin zu Kröten (siehe Episode 21). Dass Lena die Quarantänevorschriften ignoriert – auch wenn sie es ohne böse Absicht tut –, stößt den Kontrolleuren natürlich sauer auf. Und dass sie nicht genug Zeit für die Einreise einplant, rächt sich fast damit, dass sie ihren Weiterflug verpasst.

       Was können Sie besser machen?

      Ganz einfach: die Quarantänebestimmungen lesen, allerspätestens im Flugzeug. Und nicht versuchen, die Beamten auszutricksen – da reagiert der Australier empfindlich!

      Relevant ist dieser Hinweis vor allem für diejenigen, die sich eine Mahlzeit von daheim mitbringen – und sei sie noch so harmlos wie ein Bio-Apfel oder das gemeine Wurstbrötchen. Und er ist relevant für diejenigen, die vielleicht ein Mitbringsel dabeihaben – ein schönes Stück echter Räucherspeck wäre ein fantastisches Geschenk für Australier, doch den Speck ins Land zu kriegen, ist schwieriger, als vor Ort ein australisches Schwein einzufangen und ihn selbst zu produzieren. Speziell trainierte Hunde beschnüffeln das Gepäck, zudem wird es noch von Fachpersonal durchleuchtet. Sollte man versuchen, die Regeln zur Quarantäne zu umgehen, fällt es spätestens hier auf