ja, natürlich«, antwortet Steffen. Etwas ungelenk kommt sein Englisch noch daher, aber schließlich ist er neu im Land.
»Du bist nicht von hier, oder?«, fragt ihn die Frau, als sie sich ihm gegenüber hinsetzt. Irritiert stellt Steffen fest, dass es sich nicht nur um eine äußerst hübsche Frau handelt, sondern dass sie mit ihm plaudern möchte – und nicht umgekehrt.
»Nein. Ich komme aus Deutschland – aber woher wusstest du …«
»Der Akzent verrät dich!«, sagt sie und lacht. »Aber mach dir nichts draus. No worries!«
Und schon ist Steffen verloren in der Wunderwelt des australischen Small Talks. Für die nächste Stunde fragt ihn seine Mitreisende über seine Pläne aus und gibt ihm im Gegenzug ein paar Tipps. Katoomba, ja, das sei nett, aber so touristisch … da gebe es wirklich noch ein paar einsamere Fleckchen. Und überhaupt gebe es in Sydney so viel zu sehen und zu tun … Steffen erzählt noch ein bisschen über seine Arbeit, sie plaudert von ihrem Literaturstudium.
»Huch, ich muss gleich aussteigen!«, stellt sie dann überrascht fest. »Da haben wir uns wohl festgequatscht.« Hastig verabschiedet sie sich und lässt Steffen wieder allein – und der wundert sich über das, was gerade passiert ist. Ob alle Australier so drauf sind?
In Katoomba angekommen ist es kurz nach Mittag – aber dem Jetlag sei Dank ist Steffen bereits wieder äußerst hungrig. Sein Appetit treibt ihn in einen unscheinbaren Imbissladen, wo ihn die Bedienung mit einem begeisterten »Hello!« empfängt.
Steffen entscheidet sich für ein belegtes Brötchen, zum Mitnehmen. Kaum ist die Bestellung aufgegeben, fragt ihn die Bedienung, wie denn sein Tag so verlaufen sei.
»Hm?«
»Na, haben Sie einen guten Tag?«
Für einen Moment muss Steffen nachdenken. Dann wird ihm klar: Ja. Gut. Sehr gut sogar. Er kann gar nicht klagen. Auch hier wird er nun nach seinen Plänen für den Tag gefragt und bekommt ein paar Tipps mit auf den Weg – und zum Schluss sein belegtes Brötchen. Zwar bleibt das hinter den Erwartungen zurück, aber spätestens bei der Aussicht auf die Blue Mountains ist das vergessen. Steffens erster Eindruck von Australien ist: ziemlich gut.
That’s a beaut! Was ist da richtig gelaufen?
In diesem Fall: fast alles. Denn Steffen hat die beste Seite der Australier kennengelernt: ihre freundliche, aufgeschlossene und unkomplizierte Art.
Das Fettnäpfchen lauert an dieser Stelle eher dort, wo diese Freundlichkeit missinterpretiert wird. Überraschend oft hört man Nonsens à la »Ich habe mal gehört, australische Frauen fänden deutsche Männer toll«, auch mit vertauschten Geschlechterrollen. Da ist natürlich der Wunsch Vater des Gedankens (man schätzt Mitteleuropa für vieles, aber ein sexy Image hat keine der Nationen nirgendwo, erst recht nicht in Australien), doch ist dieses Missverständnis verzeihlich. Denn wie Steffen wird es den meisten Reisenden irgendwann passieren, dass sie in eine Konversation verwickelt werden, die freundlich ist und unaufdringlich – und das kennt man aus heimischen Gefilden eher dann, wenn der andere Hintergedanken hat. Doch in Australien ist es Bestandteil der Kultur. Plaudern, auch mit Wildfremden, gehört einfach dazu.
Was können Sie noch besser machen?
Fleißig mitmischen! Anfangs ist es ein wenig schwer, sich daran zu gewöhnen, dass die meisten Aussies einem Schwätzchen nicht abgeneigt sind, sei es – wie hier – im Zug oder auf dem Campingplatz oder in der Bank oder beim Metzger.
Zwar bleibt die Unterhaltung oft oberflächlich, aber wer sich an Land und Leuten interessiert zeigt, gewinnt hier die besten Einsichten. Von der Sprachbarriere sollte man sich keinesfalls abhalten lassen, auch wenn viele Australier schnell genervt sind, wenn es denn mit dem Englischen nicht so hinhaut (siehe Episode 15).
Doch bleibt es nicht nur bei der Unterhaltung. Schnell wird man feststellen, dass die meisten Australier auch hilfsbereit sind. Keine Hemmungen also, wenn man sich verlaufen hat – oder gar Schlimmeres passiert. Auch wenn es unangenehm ist: In kaum einem anderen Land der Welt muss man sich so wenig Sorgen machen, wenn man an einem einsamen Highway liegen bleibt. Dass man anderen hilft, ist in so einer Situation für Australier selbstverständlich. Die Hilfsbereitschaft und Offenheit, die manche dabei an den Tag legen, ist wirklich erstaunlich. Jeder Australienreisende kennt so eine Geschichte, in der etwa ein paar Leute nachts keine Unterkunft mehr finden – und dann von einem Australier in seinem Haus aufgenommen werden, einfach so, ohne Gegenleistung.
Es gilt also: Übung macht den Meister. Und auch Small Talk will gelernt sein. Wer aber an dieser Stelle über seinen Schatten springt, wird nicht nur sein Englisch verbessern, sondern auch die besten Tipps für seine Reise mit auf den Weg bekommen. Und zu guter Letzt gilt es, die Gastfreundschaft auch zu genießen!
7
ZUR FALSCHEN ZEIT
LENA STEHT AUF UND ENTWICKELTEINEN PLAN
Drei Tage und drei Nächte sind vergangen, seitdem Lena in Cairns aus dem Flugzeug gestiegen ist. Damals dachte sie, sie sei endlich angekommen. Mittlerweile hat sie eher das Gefühl, dass das doch noch nicht der Fall ist.
Die erste Nacht war noch ziemlich erholsam – zumindest die erste Hälfte. Ihre Mitbewohner waren es, die sie zu einer (australischen) Unzeit unsanft geweckt haben, als sie sturzbetrunken im Zimmer umherstolperten. Dummerweise aber lief Lenas innere Uhr immer noch auf deutscher Zeit, sodass es ihr nicht mehr gelang, wieder einzuschlafen. Stattdessen lag sie wach, lauschte dem Schnarchen ihrer Zimmergenossen und inhalierte die schweiß- und alkoholgeschwängerte Luft. Ein Traum!
Nach drei solchen Nächten beschließt Lena, dass sich etwas ändern muss. Doch so einfach ist das gar nicht: Irgendwie fühlt es sich viel natürlicher an, morgens lange auszuschlafen und erst mitten in der Nacht ins Bett zu gehen, wenn – zumindest gefühlt – die Hitze des Tages ein wenig abgeflaut ist. Außerdem ist Cairns nachts viel spannender als tagsüber …
Viel zu sehen, findet Lena, gibt es nämlich nicht. Im Norden der Stadt soll es ein paar bilderbuchschöne Strände geben – aber es ist Quallensaison, sagte man ihr, also dürfe man ohnehin nicht ins Wasser. Und selbst wenn man schwimmen gehen würde, weiß man nie, ob sich nicht vielleicht auch Krokodile in der Nähe aufhalten. Der Ausflug ins Hinterland war toll, aber auch sehr auf Massentourismus ausgelegt. Perfekt organisiert, sehenswert, aber eben nicht sonderlich individuell.
Während Lena also an ihrem vierten Tag gegen halb elf morgens immer noch im Bett liegt und darüber sinniert, wie sie diesen Tag am besten angehen soll, platzt die Tür ihres Hostelzimmers auf und herein tritt eine junge Frau, die ungefähr Lenas Alter haben müsste. Innerlich ist Lena dankbar, dass sie jetzt nicht mehr als einzige Frau im Zimmer dem Team aus England gegenübertreten muss.
»Hello, how are you?«, stellt sich die Fremde vor. »I’m Jenny.« Ihr Akzent verrät, dass sie aus Deutschland stammen muss.
»Wir können auch deutsch reden. Ich bin Lena«, kommt die Antwort mit noch leicht beschlagener Stimme.
»Überall Deutsche hier – ist ja schlimmer als auf Ibiza«, stellt Jenny augenzwinkernd fest.
Die beiden tauschen die wichtigsten Infos aus, auch bekannt als »Wie lange bist du schon hier?«, »Wo möchtest du als nächstes hin?« und »Was gibt es hier zu sehen?«.
Es stellt sich heraus, dass Jenny schon ein paar Wochen in Australien ist und sich daher bereits bestens akklimatisiert hat. Lena hängt hingegen immer noch in den Seilen. Als sie auf ihren Jetlag zu sprechen kommt, schlägt Jenny eine intensive Koffeintherapie vor.
»Wie wär’s – ich packe