Jan-Rolf Janowski

Fettnäpfchenführer Korea


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      »Nein, No.«

      »Wie No? Wie yes or no?«

      »Ja, No.«

      »Also, dein Nachname wird Roh geschrieben, aber No ausgesprochen?«

      »Ja, No.«

      »Ach so.«

      Jetzt müssen beide lachen.

      »Du kannst mich ruhig auch duzen, wenn du magst.«

      »Ja, also wenn Sie unbedingt wollen … ich meine, also wenn du willst, dann mache ich das.«

      »Und mein Name? Wird der so geschrieben, wie er gesprochen wird? Schreib mir bitte mal meinen Namen auf Koreanisch!«

      »Ganz einfach, schau: Ni-ko«, tippt Yunhee jetzt in ihr Smartphone ein, wobei aus dem c in Nicos Namen ein k wird – im koreanischen Alphabet sind beide zu einem Buchstaben zusammengefasst.

      »Und was bedeuten die Zeichen?«

      »Ähm, na ja, Ni-ko, wie man es spricht …«

      »Nein, ich meine die asiatischen Zeichen haben doch immer so eine besondere Bedeutung … so wie Sommersushi.«

      Yunhee verdreht die Augen und seufzt leicht genervt, offenbar hat Nico etwas Falsches gesagt. Seltsam, vorhin fand sie den Sommersushi-Scherz doch selbst lustig. Frauen …

      »Nein, wir schreiben ganz normal wie im Alphabet, N und i sind eine Silbe, k und o sind die nächste, zwei Silben, Ni-ko. Fertig«, antwortet Yunhee mechanisch, als hätte sie diese Erklärung schon tausend Mal geben müssen.

      »Und das bedeutet jetzt gar nichts?«, fragt Nico recht enttäuscht über die simple Auflösung.

      »Nun ja, wenn man es wörtlich übersetzt, heißt dein Name ›deine Nase‹.« Jetzt muss Yunhee doch ein wenig lächeln.

      »Das ist ja ähnlich doof wie roher Fisch«, gibt Nico schmunzelnd zurück.

      »Ja, wenn ich Frau Sommersushi bin, bist du jetzt Herr Nase.« Yunhee kichert.

      »Übrigens, unser Großkönig Sejong, der hat das Alphabet damals 1443 erfunden, und er meinte, dass ein dummer Mensch es in zehn Tagen schafft, Hangeul zu lernen, ein weiser Mann an nur einem Morgen. Wie lange wirst du wohl brauchen?«

      »Puh, also heute Morgen schaffe ich es gerade noch, einen Kaffee zu halten. Aber lass uns das mit dem Lernen mal im Auge behalten. Vielleicht kannst du mir ja helfen.«

       SOUL OF ASIA

      Obwohl der beliebte, progressive Bürgermeister Seouls, Park Wonsoon, der bei den Kommunalwahlen 2018 als erster Amtsinhaber überhaupt zum zweiten Mal wiedergewählt wurde, inzwischen in einer seiner umstritteneren Entscheidungen das vielseitig interpretierbare »I Seoul U« zum offiziellen Slogan hat machen lassen, ist »Soul of Asia« weiterhin bekannt. Wer länger in Korea ist, wird merken, dass sich Stadtväter landauf und landab für keinen noch so üblen englischen Wortwitz zu schade sind. Kreativ ist man auch bei der Bezeichnung der Bewohner Seouls; diese nennen sich auf Englisch nämlich gerne »seoulites«, um zu unterstreichen, dass sie die Elite sind.

       Aigu! – Oh weh!

      Im Gespräch mit Yunhee ist Nico mit Anlauf in eines der größtmöglichen Fettnäpfchen schlechthin gelaufen. Nichts können Koreaner so wenig ab, wie mit China und Japan in einen Topf geworfen zu werden. Und auf wenig ist das koreanische Volk so stolz wie auf sein eigenes Alphabet Hangeul, das eben zu Silben und nicht zu Zeichen zusammengesetzt wird und eine ganz normale Lautschrift ist, von links nach rechts geschrieben, wie bei uns. Glücklicherweise ist Yunhee nicht besonders nachtragend und hat Verständnis für den ahnungslosen Westler. Vermutlich wird sie Nico noch einige Tipps zum Koreanischlernen geben, zum Beispiel zur Aussprache der garstigen Doppelkonsonanten am Wortanfang; bb, gg, dd. Und sie wird ihm sicher auch noch erklären, dass es keine Laute für v und f gibt, was auch aufklärt, warum aus dem Frappuccino puraputschino wurde und Vanilla zu banilla.

      Aber lassen Sie sich nicht entmutigen: Beim Koreanischlernen hat man zu Anfang gleich ein paar Erfolgserlebnisse, denn im Gegensatz zum Chinesischen ist es keine Tonsprache, das heißt, auch bei ungenauer Aussprache wird man meist verstanden. Und zumindest Lesenlernen ist bei nur 24 Buchstaben wirklich ein Kinderspiel, da hatte Großkönig Sejong schon recht. Schwierig wird es erst, wenn die ganzen Höflichkeitsformen, -suffixe und -infixe hinzukommen. Aber da Nico ja gleich im Deutschen geblieben und mit Yunhee zum Duzen übergegangen ist, erübrigt sich dieses Problem wohl für ihn. Hätte er Yunhee übrigens im Koreanischen beim ersten Treffen geduzt, obwohl er nicht einmal ihr Alter oder ihre Position wusste, wäre das ebenfalls ein ziemlicher Fauxpas gewesen. Auch seine vermeintlich charmante Begrüßung kommt bei Koreanerinnen vermutlich nicht gut an, da sie als aufdringlich empfunden wird.

      6

       ZU GAST

       HARTE LANDUNG IM BAROCK VON ANUSVILLE

       Der Reiskuchen des anderen sieht immer größer aus

      Julia ist die ersten Tage bei den Verwandten einer Studienkollegin aus Deutschland untergekommen, Sonya mit Namen. Deren Mutter war in den 70er-Jahren als Krankenschwester nach Deutschland gekommen, um durch Gastarbeit Devisen für ihre arme Familie zu verdienen. Im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs in Korea war die Familie bald mindestens genauso wohlhabend wie Sonyas Mutter, aber deshalb zurückzugehen, fand sie dann auch nicht mehr attraktiv. In Deutschland hatte sie inzwischen Wurzeln geschlagen. Die Verbindung nach Korea blieb aber immer bestehen und die Verwandten sind bis heute dankbar für die Unterstützung in schwierigen Zeiten. So ist es auch gar kein Problem, dass Julia bei ihnen wohnt.

      Eigentlich wollten alle ihren Gast gleich vom Flughafen abholen, aber Julia hatte darauf bestanden, dass sie den Weg zumindest vom Flughafen bis zur Endstation des Seouler U-Bahn-Netzes allein findet, auch wenn die Familie noch weiter östlich in einer der großen Vorstädte wohnt. Am U-Bahnhof angekommen, ist sie überwältigt: Die ganze Familie ist angerückt, begutachtet die Ausländerin gründlich und probiert, die vorhandenen zwei Brocken Englisch anzubringen. Allzu viel Kommunikation ist damit zwar nicht möglich, aber das wird schon werden.

      Von der Endstation aus geht es mit dem Auto weiter. Julia hatte erwartet, dass dort dann auch die Stadt zu Ende sein würde, doch weit gefehlt. Es geht weiter, viele Kilometer vorbei an schier endlosen Hochhaussiedlungen – Hochhäuser und zwischendrin immer wieder Hügelchen und drumherum die Berge, Julia ist gleich ganz euphorisch. Schließlich biegen sie in eine der Apartmentsiedlungen ein und stehen vor einem riesigen Glaspalast. Ein Pförtner grüßt freundlich, leitet den Geländewagen ins sechste Untergeschoss der Tiefgarage, von wo aus der Aufzug die Familie in den Stock »FF« bringt.

      Viel hat Julia bereits über die beengten Wohnverhältnisse der Asiaten gelernt; in Hongkong wohnen die Leute bekanntlich sogar in Käfigen. Ganz anders das, was sie hier erwartet: Nach dem Entree ein Schuhschrank, so groß wie anderswo die ganze Wohnung, und schließlich ein Wohnzimmer, in dem man auch Rockkonzerte veranstalten könnte. Und erst der Ausblick; von hier oben sieht man in der Ferne sogar den N Seoul Tower, das Wahrzeichen Seouls auf dem Berg Namsan. So schweift ihr Blick über die Unendlichkeit der Stadt. Genau genommen ist sie selbst schon wieder außerhalb, denn Sonyas Verwandte wohnen in einer der großen Satellitenstädte um Seoul, wenn auch in einer der schöneren. Doch da muss sie kurz lachen. Das baugleiche Apartment nebenan trägt doch tatsächlich den Namen »Anusville«. Es liegt ihr auf der Zunge, nach dem Ursprung dieses merkwürdigen Namens zu fragen, aber sie verkneift es sich dann doch lieber.

       UNGLÜCK BRINGENDE UND VERUNGLÜCKTE NAMEN

      Wie in anderen asiatischen Ländern auch gilt der vierte Stock in Korea als Unheil bringend, weil er ausgesprochen genauso klingt wie die Aussprache