Dietrich Schulze-Marmeling

Reds


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des Teams war ein Torwart aus Belfast: Elisha „Lish“ Scott. Der irische Protestant hütete 1913 bis 1915 sowie 1919 bis 1934 das Tor der „Reds“. Die Jahre dazwischen, 1916 bis 1919, verbrachte er bei Belfast Celtic, dem Fußballklub des katholischen/irisch-nationalistischen Westens der nordirischen Industriemetropole. Ein Journalist attestierte ihm „das Auge eines Adlers und die Bewegungen eines Panthers“. Dabei war Scott mit einer Körpergröße von nur 1,75 Metern alles andere als ein Hüne. Scott war das erste Idol in der Geschichte des Kops – vielleicht auch, weil viele der Arbeiter auf der Stehtribüne irische Wurzeln hatten. Seine Duelle mit Evertons Star William Ralph „Dixie“ Dean, einem der berühmtesten Mittelstürmer der englischen Fußballgeschichte, waren ein Highlight in jedem Derby. „Dixie“ wurde Dean wegen seiner dunklen Gesichtsfarbe und seinem gekräuselten Haar genannt, weshalb er mit Afroamerikanern aus den Südstaaten der USA verglichen wurde. Er selber mochte den Spitznamen nicht und wollte „Bill“ genannt werden.

      Für Dean, der in 433 Spielen für Everton 383-mal traf, war Scott noch viele Jahre später der „größte Torwart, den ich jemals gesehen habe. Auch wenn ich Frank Swift, Bert Trautmann oder Gordon Banks im Tor haben könnte – ich würde Elisha nehmen.“

      Dean schickte seinem Kontrahenten vor jedem Aufeinandertreffen eine Packung Aspirin und eine schriftliche Warnung. Die beiden Idole des Liverpooler Fußballs maßen sich in acht Derbys, in denen Dean Scott neunmal überwinden konnte. Am 19. September 1931 gelang ihm innerhalb von neun Minuten ein Hattrick in Anfield. Anschließend verbeugte er sich dreimal vor dem „Kop“, während Schmähungen auf ihn niederprasselten. Nach den Derbys suchten Scott und Dean gemeinsam die Lisbon Bar in der Victoria Street auf. Dean starb am 1. März 1980 während eines Derbys im Goodison Park an einem Herzinfarkt.

      Scott war auch irischer Nationaltorhüter und hütete 31-mal den Kasten der Auswahl der Irish Football Association (IFA), für die „Reds“ bestritt er insgesamt 468 Pflichtspiele. Erstmalig stand er am 1. Januar 1913 zwischen deren Pfosten, letztmals am 21. Februar 1934 gegen Chelsea. Da war er schon 40. Bis heute hat kein Liverpool-Akteur länger für den Klub gespielt als Scott. Als 1939 unter den Liverpool-Fans eine Umfrage nach dem größten Spieler aller Zeiten durchgeführt wurde, nannten die meisten von ihnen Elisha Scott.

      Einige Monate nach seinem letzten Auftritt für die „Reds“ war Scott zurück in Belfast, wo er noch zwei Jahre für Belfast Celtic spielte, das letzte als Spielertrainer. Mit Scott als Trainer begann die erfolgreichste Zeit des Klubs, er führte ihn von 1935 bis 1949 zu sechs Meistertiteln (davon fünf in Folge) und sechs Pokalsiegen. Während seiner Amtszeit gewann Belfast Celtic insgesamt 31 bedeutende Trophäen. Was Jock Stein später für den großen CFC aus Glasgow wurde, war Scott für Belfast Celtic – in beiden Fällen war der erfolgreichste und verehrteste Trainer eines „katholischen“ Klubs ein Protestant.

      Elisha Scott, der am 16. Mai 1959 in Belfast starb, liegt auf dem City Cemetery in Belfast begraben, einem vornehmlich protestantischen Friedhof an der katholischen/republikanischen Falls Road. (Der obere Teil des Friedhofs ist katholisch und wird durch eine unterirdische Mauer vom protestantischen Teil getrennt.) Nach dem Ausbruch der nordirischen „Troubles“ Ende der 1960er blieben Protestanten dem Friedhof fern, der daraufhin vergammelte und auch immer wieder verwüstet wurde. Dies änderte sich nach dem Karfreitagsabkommen von 1998. Zu den seither „renovierten“ Gräbern gehört auch das von Elisha Scott.

      Hilfe aus Südafrika

      Scotts Nachfolger im Tor war der Südafrikaner Arthur Riley. 1924 war eine ausschließlich aus Weißen bestehende südafrikanische Auswahl unterwegs auf Tournee durch Europa. Die erste Partie fand am 30. August in Dublin statt, anschließend bestritt man einige Begegnungen in London. Am 1. Oktober gaben die südafrikanischen Amateure ihre Visitenkarte in Anfield ab und schlugen ein LFC-Team, bei dem einige Spieler aus der Reserve mitwirkten, mit 5:2. Die Liverpooler Bosse und die Presse waren von zwei Spielern besonders beeindruckt: Keeper Arthur Riley und Stürmer Gordon Hodgson. Nach dem Stopp an der Anfield Road spielten die Südafrikaner noch in Wales, Schottland, den Niederlanden und in Belgien. Vor der Rückreise in die Heimat schaute man ein weiteres Mal in Liverpool vorbei, wo am 5. Dezember 1924 auch noch der FC Everton mit 3:1 besiegt wurde. Es war der 15. Sieg im 25. Spiel der dreimonatigen Tournee.

      Zur Saison 1925/26 wurden Riley und Hodgson vom FC Liverpool verpflichtet. Riley lieferte sich nun mit Scott einen Kampf um die Nummer eins. Dabei hatte der Südafrikaner zeitweise die Nase vorn – ansonsten wäre Scott wohl auf über 500 Pflichtspiele für die „Reds“ gekommen. Riley war größer als Scott, sehr fangsicher und antizipierte exzellent. Als er seine Karriere nach der Saison 1938/39 und im Alter von gut 35 Jahren beendete, hatte er 338 Pflichtspiele für die „Reds“ absolviert.

      Auch Gordon Hodgson schlug in Liverpool voll ein. Der Sohn englischer Eltern aus Johannesburg war Liverpools Antwort auf Evertons „Dixie“ Dean und avancierte zu einem der bedeutendsten LFC-Akteure der Zwischenkriegszeit. In der Saison 1930/31 erzielte Hodgson 36 Tore und brach damit den Rekord von Sam Raybould aus der Saison 1902/03. Hodgsons Rekord wiederum wurde erst 1960/61 gebrochen, als mit Roger Hunt ein Liverpool-Spieler noch häufiger traf. Die 17 Dreierpacks von Hodgson im Trikot der „Reds“ hingegen sind bis heute unerreicht. In sieben Spielzeiten war er Liverpools erfolgreichster Torschütze. Er absolvierte in allen Wettbewerben 377 Spiele für den Klub, in denen er 241 Tore erzielte.

      Bevor Hodgson in Liverpool anheuerte, hatte er zwei Länderspiele für Südafrika bestritten. Da seine Eltern aus England stammten, war er auch für die englische Nationalelf spielberechtigt, für die er zwischen 1930 und 1934 dreimal auflief und ein Tor erzielte.

      Fußball allein reichte Hodgson jedoch nicht: Neben seinem Job als Torjäger des FC Liverpool spielte er auch noch für die Grafschaft Lancashire First Class Cricket und kam hier auf 56 Spiele. Eine weitere Leidenschaft Hodgsons war Baseball. Im Januar 1936 wurde der nun 31-Jährige an Aston Villa verkauft, konnte Villas Abstieg aber nicht verhindern. Hodgson blieb der First Division aber erhalten, denn zur Saison 1937/38 verpflichtete ihn Leeds United. Beim Yorkshire-Klub war er in den Spielzeiten 1937/38 und 1938/39 mit insgesamt 53 Toren in 85 Pflichtspielen deren Top-Torjäger.

      Riley und Hodgson blieben nicht die einzigen südafrikanischen Importe der „Reds“: In der Saison 1933/34 standen mindestens sechs Südafrikaner im Kader, darunter die im Sommer 1933 verpflichteten Flügelstürmer Lance Carr und Berry Nieuwenhuys.

      Im Schatten von Everton und Arsenal

      Mit Beginn der Great Depression 1929 rutschten 30 % der Liverpooler unter die Armutsgrenze, ca. 14 % lebten nur knapp darüber. In den Docks dominierte die Gelegenheitsarbeit. Jeden Morgen versammelten sich 60.000 Menschen an den 239 Stands – in der Hoffnung, Arbeit zu bekommen. Während der 1930er Jahre betrug die Arbeitslosigkeit in Liverpool über 18 % und war damit doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt.

      Dies hatte Auswirkungen auf den Zuschauerzuspruch. In der Saison 1927/28 konnte Liverpool noch knapp 30.000 bei jedem Heimspiel begrüßen, obwohl die Spielzeit sportlich gesehen kein Erfolg war und man auf dem 16. Platz endete. Zu Meister Everton kamen im Schnitt 37.461 in den Goodison Park. 1930/31 sank Liverpools Zuspruch auf 26.000. Einen ähnlichen Zuschauerschnitt verzeichnete auch Everton, das in dieser Saison zum ersten Mal nur zweitklassig war, aber nach nur einem Jahr in die First Division zurückkehrte. (Der zweite – und bis heute letzte – Abstieg ereignete sich 1951. 1954 wurde Everton wieder erstklassig.) 1931/32 kamen durchschnittlich nur noch 22.742 Zuschauer zum FC Liverpool, was der niedrigste Wert seit dem Ersten Weltkrieg war. Everton wurde in dieser Spielzeit zum vierten Mal Meister und mobilisierte 35.451.

      Nach der vierten Meisterschaft von 1923 griffder FC Liverpool bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nur noch zweimal in den Titelkampf ein: 1924/25 wurde man Vierter und 1928/29 Fünfter. 1933/34, 1935/36 und 1936/37 kämpfte man gegen den Abstieg. Die durchschnittliche Platzierung für die 16 Spielzeiten 1923/24 bis 1938/39: Platz elf. Ein Grund dafür war, dass die „Reds“ mit der taktischen Modernisierung des Spiels nicht mithalten konnten. Diese wurde vom FC Arsenal mit seinem visionären Manager Herbert Chapman angetrieben.

      Im Juni 1925 war die Abseitsregel neu formuliert worden. Bis dahin mussten sich zwischen dem angreifenden Spieler und dem Tor mindestens