Pete Hackett

Western Sammelband 4 Romane: Lady in Blei und andere Western


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Barn und Jed Dunn ritten hinter der Herde und versuchten, die träge dahintrottenden Tiere in Bewegung zu halten. Die Arme schmerzten die Cowboys. Sie hatten sich die Hüte bis dicht über die Augen gezogen, um das grelle Licht ertragen zu können.

      Nur einzelne Kakteen und wenige vertrocknete Büsche standen in der Endlosigkeit. In der Ferne wuchsen graue, skurril geformte Vulkanfelsen empor.

      »Wie weit kann es noch bis zum Red River sein?«, fragte Dunn.

      »Keine Ahnung. Vielleicht zwanzig Meilen, vielleicht hundert.«

      »Und wie lange ist es her, seit uns die Banditen überfallen haben?«

      »Drei Wochen vielleicht. Der Vormann müsste eigentlich bald wieder auf den Beinen sein.«

      »Zu Bob hat der Doc gesagt, es würde länger gehen.«

      »Ein Wahnsinn ist das alles!« Barn fluchte verdrossen. »Wir sind vielleicht Weihnachten in Abilene. Mit dem ersten Blizzard reiten wir dort ein. Bis dahin ist der letzte Zug längst abgefahren. Wenn wir Pech haben, ist im Winter kein Mensch mehr in der Präriestadt.«

      »Du meinst, die Kneipen könnten auch geschlossen und die Puppen abgehauen sein?«

      »Was weiß ich.«

      »Und das alles für dreißig Bucks im Monat!« Dunn schüttelte den Kopf. »Wie blöd muss man eigentlich sein, wenn man dafür Kopf und Kragen riskiert und einem alten Ekel wie diesem McLean zu Reichtum verhilft?«

      »Ziemlich bescheuert.« Barn nickte zustimmend, hob die Peitsche und ließ sie knallen.

      Ben tauchte westlich der Herde aus der Staubwand auf und ritt auf die beiden zu.

      »Die zwei gehen mir auf den Geist«, brummte Barn. »Wenn die nicht wären, würde ich mir was ganz Neues einfallen lassen.«

      »Was?«

      »Irgend was. Warum sollte ich jetzt darüber nachdenken? Die sind doch immer noch ganz traurig, dass wir den Küchenwagen verhökert haben. Jedenfalls so gut wie. Der Rest wird demnächst folgen.«

      »In der nächsten Stadt sind die Räder an der Reihe.« Dunn grinste breit.

      Ben ließ sein Pferd langsamer gehen. »Ihr müsst sie mehr austreiben, verdammt! Sie bleiben gleich stehen.«

      »Der Arm tut mir weh.« Barn hängte eine seiner beiden runden Flaschen vom Sattel ab, öffnete sie und blickte hinein. Dann hielt er sie verkehrt herum. »Hast du eine Ahnung, wo ich was zu trinken haben könnte?«

      »Ihr habt ja den Küchenwagen verkaufen müssen. Da standen zwei große Fässer voll Wasser drin!«

      Barn verkorkte die Flasche und hängte sie wieder ans Sattelhorn. »Und wer hätte die Herde abgetrieben und zusammengehalten?«

      »Ihr tut ja sowieso nichts!«, schimpfte Ben.

      Dunn glitt auf seine andere Seite, so dass sie ihn zwischen sich hatten. »Für dreißig Bucks riskieren wir unser Leben, mein Junge. Ist das nicht genug?«

      Ben blickte von einem der stoppelbärtigen, schmutzigen Cowboys zum anderen. Und als er wieder auf Jed Dunn schaute, schlug der völlig unerwartet zu.

      Der knallharte Schwinger warf Ben aus dem Sattel.

      »Nana, langsam, mein Junge!«, rief Barn.

      Mit einem Fluch sprang Ben auf und wollte Dunn angreifen, aber der trat ihm mit der Stiefelspitze gegen den Hals. Röchelnd taumelte Ben zurück und landete erneut auf dem Rücken.

      Schadenfroh grinsten die beiden zu ihm hinunter. Dunn zog den Revolver und spannte den Hammer. Die Mündung war auf Ben gerichtet.

      »Du solltest vorsichtiger sein, Amigo mio. Vor Allem, was Ratschläge angeht. Ich mag das gar nicht. Ein Boss ist mir eigentlich schon zu viel. Ich bin froh, dass er weit weg ist. – Kapiert?«

      Ben richtete sich ächzend auf, schleppte sich zu seinem Pferd und griff nach dem Sattelhorn, um sich daran festzuhalten. Er spürte die Blicke der beiden anderen, obwohl er auf das verstaubte Fell des Tieres blickte.

      »Deine Rinder laufen davon!« Dunn schnalzte mit der Zunge und folgte der trägen Herde.

      Auf der anderen Seite ritt Barn weiter.

      Ben schaute den beiden nach. Er kochte vor Wut. Am Liebsten hätte er den bulligen Kerl mit den schrankbreiten Schultern angerufen und den Colt gezogen. Doch alleine würden Bob und er nicht mit der Herde fertig werden. Sie waren auf die Hilfe der beiden Kerle angewiesen.

      Mühsam zog er sich aufs Pferd und ritt zur Westseite der Herde zurück.

      »Die beiden liegen mir quer im Magen«, sagte Barn durch die Zähne. »Aber wir brauchen sie. Jedenfalls vorläufig noch.«

      Bobs Peitsche knallte im Osten. Er schien sich jetzt ziemlich weit hinten bei den Longhorns zu befinden. Der Staub verbarg ihn.

      Plötzlich brüllte ein Rind. Ein Pferd wieherte scharf. Barn sah, wie ein Longhorn mit gesenktem Gehörn in die Staubwand lief. Noch einmal knallte die Peitsche. Dann tauchte ein reiterloses Pferd am Ende der Herde auf.

      Barn und Dunn trabten zu dem Tier hinüber. Dunn fing es ein. Barn ritt weiter und sah Bob im Staub liegen. Die Rinder trotteten davon. Ein einzelnes Tier entfernte sich mit trommelnden Hufen nach Osten.

      »He, was ist passiert?«

      Bob rührte sich nicht.

      Barn stieg ab. Das Hemd des Cowboys war hinten zerrissen und blutig. Das Rind musste ihn aufgespießt haben. Und das blutverschmierte Horn war danach abgebrochen; schmerzerfüllt war das Longhorn geflohen.

      Ben erreichte die anderen erst nach Dunn, der das ledige Pferd festhielt. Er sprang ab und wälzte den Kameraden herum.

      Barn stieg wieder auf. »Mist! Wir kommen vielleicht in der Hölle an, aber im Leben nicht an der Kansasbahn!«

      Ben drückte seinem langjährigen Sattelgefährten die Augen zu, ging zu seinem Pferd, schnallte den Feldspaten los und begann ein Loch zu graben.

      Ein paar Minuten später bot Barn ihm seine Hilfe an, aber Ben warf ihm einen zornigen Blick zu.

      »Verschwinde!«

      »Du bist ein Idiot, Cowboy.« Barn trat ein paar Schritte zurück. »Wir haben doch nichts gegen dich. Du musst nur endlich von dieser Wahnvorstellung ab kommen, McLean was zu schulden.«

      »Der hätte ja selbst mitreiten können«, schimpfte Dunn. »Oder wird er vielleicht auf dem verlassenen Rancho gebraucht?«

      »Haut ab. Kümmert euch um die Herde.«

      »Hör mal zu, Kleiner, wir sind keine ausgesprochenen Freunde. Darauf musst du uns nicht aufmerksam machen, das wissen wir selbst. Aber dafür, dass Bob von einem Rind aufgespießt wurde, das der Durst halb wahnsinnig gemacht hat, dafür können wir nichts.«

      »Haut ab!«, stieß Ben hervor. Er hob den kurzstieligen Spaten an und sah so wild aus, dass Barn Angst bekam.

      Ves ging rückwärts.

      »Mir macht die Sonne auch zu schaffen«, murmelte Dunn hinter dem Cowboy. Er zog den Colt und spannte den Hammer. »Aber wirf ihn nur, Ben, Amigo, dann hörst du den Knall nicht mehr!«

      Ben ließ den Spaten sinken.

      Barn stieg auf sein Pferd und winkte Dunn.

      Die beiden ritten weg und trieben die Herde so gut es ging zusammen.

      Ben schaute ihnen lange nach, bevor er weiter schaufelte. Er fühlte sich elend, müde und ausgebrannt und wäre am liebsten fortgeritten. Weg von dem Toten und weg von der Herde. Weg von diesen beiden verdorbenen Kerlen.

      Ben stieß den Spaten in den trockenen Sand. Immer wieder musste er auf den Toten blicken. Sie hatten beide gewusst, dass die Rinder um so gefährlicher wurden, je mehr die Trockenheit