ihnen, dass alles in Ordnung mit ihnen sei. Diese Patienten befinden sich gewöhnlich im dritten und vierten Stadium, wo die Symptome sich manifestieren, doch keine Diagnose erfolgen kann. Dies gilt besonders für Schilddrüsenstörungen – man kann alle Symptome einer Schilddrüsenerkrankung haben, doch die Hormonwerte im Blutbild liegen im normalen Rahmen. Sobald die Schilddrüsenerkrankung das fünfte und sechste Stadium erreicht hat, in der sie durch ein Blutbild diagnostiziert werden kann, hat der Patient leider schon einen Schaden davongetragen. Doch selbst in dieser Phase kann es noch möglich sein, die Schilddrüse ohne den Einsatz einer pharmazeutischen Intervention zu reparieren.
Im Gegensatz dazu entwickelten die Heiler im alten Indien ein ausgeklügeltes System der Pulsdiagnose, um die frühesten Anzeichen eines Erkrankungsprozesses zu erkennen. Diese Methode ist für Patienten und Ärzte gleichermaßen unbezahlbar, denn es ist wesentlich einfacher, die Entwicklung eines Leidens zu verhindern als eines rückgängig zu machen, das schon in vollem Gange ist.
Sehen wir uns nun die neun Stadien an, die man Samprapti Chakra oder „Rad“ der Pathogenese nennt. Dabei nutzen wir weiterhin das Beispiel des unausgewogenen Pitta-Dosha, das sich in seiner frühesten Ausprägung einfach als Hunger zeigt. Die folgende Erklärung stammt aus der Charaka Samhita.
Phase 1: Ansammlung oder Sanchaya
In diesem ersten Stadium beruhigen wir die Ansammlung von Pitta-Dosha, wenn wir hungrig sind und essen.
Phase 2: Verschlimmerung oder Prakopa
Doch wenn wir nicht essen, verschlimmert sich das verstärkte Pitta-Dosha. Falls wir jetzt essen, können wir dieses Dosha noch immer besänftigen.
Phase 3: Ausbreitung oder Prasara
Wenn wir nicht essen und regelmäßig Mahlzeiten auslassen oder zu spät essen, beginnt das verschlimmerte Pitta-Dosha sich auszubreiten und geht in die Dhatus (die Gewebe) und Malas (Ausscheidungsprodukte) über.
Phase 4: Ablagerung bzw. örtliche Fixierung von Toxinen oder Sthana Samshraya
Falls die Pitta-Unausgewogenheit anhält, werden die Toxine in den Dhatus und Malas abgelagert oder örtlich fixiert. In diesem dritten und vierten Stadium beginnt der Patient, Symptome auszubilden, also Sodbrennen, Brennen beim Wasserlassen oder Afterjucken.
Phase 5: Manifestierung oder Vyakti
In der fünften Phase der Pathogenese manifestiert sich das verschlimmerte Dosha als Blockaden in den Körperkanälen und in den Zwischenräumen zwischen den Zellen und Geweben und stört das Fließen, die Verteilung, Umwandlung und Abgabe von Prana.
Phase 6: Differenzierung von Krankheit oder Bheda
Jetzt sehen wir Zerstörung in den Organen und Systemen im Körper, die strukturelle Veränderungen in der Physiologie zur Folge haben. Im Falle von verschärftem Pitta kann das Pitta-Dosha die Magenwand angreifen und ein Magengeschwür hervorrufen, das nun anfängt zu bluten oder zu perforieren.
Phase 7 bis 9: Verformung, finale Krankheitssymptome und -komplikationen oder Virupaka, Rogalakshana, Paribhaashaa und Kledu
Von hier aus richtet das unausgewogene Dosha weiteren Schaden im Körper an und sorgt für unterschiedliche Arten von Verformung (Phase 7), die Endsymptome der Erkrankung (Phase 8) und Komplikationen (Phase 9) dieser Krankheit. In unserem Beispiel von aggraviertem Pitta wird dieses perforierte oder blutende Geschwür jetzt vielleicht eine Bauchfellentzündung, eine potenziell tödliche Infektion der Bauchdecke oder ein Magenkrebs, der in andere Organe und Systeme metastasiert.
DIE SIEBEN DHATUS (GEWEBE)
Wenn wir etwas essen, bewegt sich die Nahrung durch den Verdauungstrakt und wird dann in die Blutbahn resorbiert. Von dort aus gelangt sie nach und nach in die Dhatus oder sieben Gewebe:
1. Blutplasma (Rasa)
2. Blut (Rakta)
3. Muskeln (Mamsa)
4. Fett (Meda)
5. Knochen (Asthi)
6. Knochenmark (Majja)
7. Reproduktive Flüssigkeiten (Shukra)
Diese Reihenfolge ist aus vielen Gründen wichtig. Zuerst wandelt sich jedes Gewebe in das nachfolgende, was bedeutet, dass das vorherige Gewebe gut genährt sein muss, damit das nachfolgende Gewebe voll ausgebildet und stark ist. Wenn man also eine Diät befolgt, die sehr wenig Fett enthält, ist nicht nur das Fettgewebe unterernährt. Auch das Knochengewebe wird darunter leiden, denn das Fettgewebe liefert Rohstoffe zur Bildung des Knochengewebes. Dieser wichtige Faktor muss berücksichtigt werden, wenn wir über zwei Symptome von Hypothyreose sprechen: Haarausfall und Osteoporose. Haargesundheit und -wachstum sind von der Nährung des Knochengewebes abhängig. Tatsächlich ist Haarausfall ein Symptom für schwache Knochen. Damit das Knochengewebe genährt wird, braucht man eine ordentliche Portion hochwertiges Fett auf seinem Speiseplan (mehr dazu später).
Wenn Toxine in den Körper gelangen, bewegen sie sich in der Regel auf der gleichen Route, angefangen beim Blutplasma, und von dort allmählich in die anderen sechs Gewebe. Falls sich Toxine im Blutplasma und Blut befinden, versucht der Körper, sie über den Stuhlgang und Urin auszuscheiden. Ist der Körper allerdings nicht in der Lage, sich ihrer zu entledigen, bewegen sie sich schließlich tief ins Knochenmark. Das Knochenmark ist ein lebenswichtiger Teil des Immunsystems und Toxine können hier autoimmune Tendenzen hervorrufen, die bespielsweise bei Hashimoto-Thyreoiditis eine Rolle spielen.
Wenn alle sieben Gewebe gut genährt sind, bildet der Körper Ojas, d. h. Neurotransmitter und Hormone. Falls die Gewebe jedoch nicht gut genährt sind, sei es durch schlechte Ernährung, schwache Verdauung oder aus einem anderen Grund, sind die sieben Gewebe mangelernährt und der Körper stellt nicht genügend Ojas her – ein weiterer wichtiger Faktor bei der Diskussion von Problemen mit Schilddrüsenhormonen.
Dies bringt uns erneut zu den Defiziten der westlichen Medizin. Wenn moderne diagnostische Tests auf einen niedrigen Hormonspiegel deuten, verschreiben die Ärzte gemeinhin Hormonbehandlungen, ohne andere Faktoren zu berücksichtigen. Falls die Ursache für die niedrigen Hormonspiegel eines Patienten eine schwache Verdauung oder unzureichende Ernährungsweise ist, können die Hormonbehandlungen vielleicht die Hormonwerte ausgleichen, doch der Patient wird weiterhin leiden, denn die Grundursache der Unausgewogenheit schwärt weiter. Eine umfassendere und ganzheitlichere Diagnose und Behandlung ist erforderlich, um den Gesundheitszustand des Patienten wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
OJAS: NEUROTRANSMITTER UND HORMONE
Ojas, die unverzichtbare Lebensenergie, die den Hormonhaushalt steuert, gilt als Essenz der sieben Dhatus. Als Endprodukt unserer reproduktiven Flüssigkeiten (Shukra) ist es auch das erste Element unseres Körpers. Wie es in der Charaka Samhita heißt, ist „Ojas das Erste im Körper, das entwickelt wird, da es während der Befruchtung zusammen mit Samen und Eizelle an den Embryo weitergegeben wird. Es hat die Farbe von Ghee, schmeckt wie Honig und riecht wie Puffreis.“
Ojas verleiht unserem Körper Kraft und stärkt unsere Immunität gegenüber Krankheiten. Falls wir ein ausreichendes Maß an Ojas haben (was man im Puls fühlen kann), ist das Auftreten chronischer und akuter Leiden weniger wahrscheinlich. Muttermilch fördert Ojas. Daher sollten Babys gestillt werden, denn die Milch verleiht eine starke Immunität gegen Erkrankungen. Der Verzehr von Ghee (geklärter Butter) fördert ebenfalls die Bildung von Ojas. Verwenden wir westliche Begriffe, so bestehen alle Steroidhormone