ich beobachtete, als ich denselben Landstrich ein Jahr zuvor bereiste. Alle Vorschläge zum Anbau der Staatsländereien, zur Errichtung von landwirtschaftlichen und sonstigen Instituten, zum Straßenbau, sind entmutigt oder verworfen von der Regierung, die jedes Unternehmen selbst durch Einschüchterung und Drohungen hemmt und aus ihren Endabsichten und Maßregeln ein Geheimnis macht. Schon die bloße Tatsache, dass überhaupt eine Regierung vorhanden war, hatte während des Jahres vorher Leben und Tätigkeit über das ganze Land verbreitet, und die Wirkung war wirklich wundergleich. Aber diese Kraft wurde gelähmt, als das von der Regierung gewählte System in Vollzug gesetzt wurde, und jetzt ist keine einzige Hütte neu entstanden, nicht ein Baum gepflanzt, nicht ein Feld eingehegt, nicht eine Brücke wieder gebaut, nicht ein Weg ausgebessert. Aber das ist noch nicht alles.
Von den öffentlichen Ländereien, wozu die ergiebigsten und ebensten Striche gehören, erhebt die Regierung drei Zehntel vom Ertrage. Die Bauern wirtschaften größtenteils mit Geld, das sie gegen 2 ½ Prozent monatlicher Zinsen borgen oder sie erhalten das Saatkorn unter der Verpflichtung, die Hälfte des reinen Ertrages wieder abzuliefern. Zur Saatzeit war wegen der Blockade der Dardanellen der Kornpreis sehr hoch, während das Saatkorn noch höher stand, wegen des allgemein herrschenden Vorurteils, nur das im Land gewachsene Saatkorn könne eine gute Ernte geben -und davon gab es nur einen sehr geringen Vorrat. Zur Erntezeit, als die Blockade aufgehoben war, fiel der Preis um die Hälfte, ein merkwürdiger Beweis des Einflusses der Dardanellen auf die umliegenden Länder.
Die Kosten des Landbaues sind in Griechenland höher als in England. Das Verfahren und die Geräte sind roh und kümmerlich; jeder Transport geschieht auf dem Rücken der Maulesel; das Land muss vor der Saat dreimal gepflügt werden; der Pflug wirft die Erde von der Stelle, ohne die Schollen umzukehren und zu zerschlagen; das Land wird nicht gedüngt und bringt in der Regel nur zwei Ernten in drei Jahren, und dann wird ein großer Teil Saatkorn mehr gebraucht, als nötig wäre. Nach allen diesen Kosten und Nachteilen fällt ein Dritteil der Ernte an die Regierung (ausser 12 Prozent Abgabe von allen verschifften oder nicht verschifften Produkten und Gütern); die Hälfte des Restes fällt an den, der Vieh und Saatkorn hergegeben hat, so dass der Bauer drei und ein halb Zehnteile vom reinen Ertrage erhält, und damit soll er die Zinsen von den Vorschüssen abtragen, die Kosten des Landbaues bestreiten, seine Familie erhalten und somit die Erwartungen erfüllt sehen, die er fasste, in eine neue und glücklichere Lage zu kommen.
Dennoch geht es den eigentlichen Bauern noch viel besser als den Landbesitzern. Manche von diesen hatten durch alle Wechselfälle der Revolution noch etwas als einen letzten Notpfennig gerettet und ergriffen eifrig den Augenblick, wo sie in den friedlichen Besitz ihres Eigentums gesetzt wurden, um alles noch vorhandene Wertvolle zu Geld zu machen. Sie verwendeten diesen Erlös, mit etwaigen Vorschüssen, die sie erhalten konnten, auf die Wiederherstellung ihrer Ländereien. Gewöhnlich waren aber ihre Mittel unzulänglich und immer waren ihre Erwartungen übertrieben. Nachdem sie Häuser und Scheunen gebaut, Vieh gekauft, Land aufgebrochen und bearbeitet hatten, fehlten ihnen die Mittel, Saatkorn zu kaufen.
Die Ölbäume und besonders die Maulbeerbäume, die ihre Ernte ohne Auslage und Mühe tragen, und die sichersten Hilfsquellen eines noch nicht geordneten Landes sind, wurden während des Krieges in großen Massen zum Feuerholz niedergehauen; die Weinberge und Korinthen-Anpflanzungen konnten nur mit bedeutenden Kosten und dem Verluste mehrerer Ernten hergestellt werden.
Es war also innerhalb eines kurzen Jahres ein panischer Schrecken an die Stelle des Spekulierens getreten. Die Blockade der Dardanellen und später deren Aufhören brachten ein verderbliches Schwanken im Preis hervor, was in Verbindung mit dem Mangel an Kapital (Dank sei es Kapodistria’s Verfahren3) jetzt die Landbesitzer in einen Zustand des Bankrotts und der Erbitterung versetzt hat, der für die künftige Ruhe des Landes eben kein günstiges Vorzeichen ist. Auch muss man ihre Aufregung der Einführung von Gesetzen zuschreiben, deren Nutzen noch sehr in Frage steht, die aber ohne alle Frage wegen ihrer Unpopularität tadelnswert sind, geschweige dessen, was das Volk als den Verlust von Rechten und Vorteilen betrachtet, mit deren Hilfe sie unter der alten Verwaltung die vorhandene Ruhe hätten benutzen oder die augenblicklichen Übel überwinden können, welche aus Zufällen der Witterung oder Schwankungen im Handel entstehen.
Argos ist nur acht Stunden entfernt von Korinth. So erblickten wir am Vormittag des zweiten Reisetages unser am Tag zuvor vorausgeschicktes Zelt, wie es in Korinth im Sonnenschein glänzte, mitten zwischen den Trümmern des Serails des Kiamil Bey4.
Der Felsen und die Trümmer haben die Federn und Pinsel der Dichter, Ortsbeschreiber und Maler schon hinlänglich beschäftigt; ich brauche also meine Leser nicht mitzuführen, um mit uns den Untergang und Wiederaufgang der Sonne vom unsterblichen Gipfel herab zu bewundern. Was ich in Betreff der Landenge und des durch dieselbe begonnenen Kanals zu sagen habe, soll in einem besonderen Anhang der Benutzung des wissbegierigen Geologen und Antiquars vorgelegt werden, wie nicht minder Bemerkungen über das intermittierende Fieber, welches die Küstenbewohner des Meerbusens plagt.
Von Korinth wendeten wir unseren Weg nach Patras, längs der schönen Küste der Bucht von Korinth. Der Weg läuft fast immer dicht am Ufer mit der seegleichen Bucht zur Rechten. Ein schmaler, korinthenbüschetragender Küstenstrich vom allerergiebigsten Land auf Erden liegt zwischen dem Ufer und niedrigen Hügeln von fleischfarbenem Ton, die sich in langen, parallelen Zügen hinziehen und mit dunkelgrünem Gesträuch bewachsen sind.
Dahinter erheben sich Berge, größtenteils Felsen, mit rechtwinkligen Umrissen, senkrechten Seiten und gleichlaufenden Gipfeln, mit Fichten gesäumt; ihre dunklen Farben und mächtigen Gestalten erscheinen noch um so düsterer und ernster bei den lebhaften Farben und den phantastischen Wellenlinien des Vordergrundes. Zuerst bemerkte ich diese Berggruppen vom Mittelpunkt des Golfs aus im dunklen Morgennebel. Sie sahen aus wie höchst fleißig und künstlich gearbeitete Riesenfestungen; die Hand der Natur hatte sie gebildet, um die Kinder ihres Bodens zu beschirmen. Noch ein Jahr vorher lagen die Gebeine feindlicher Tataren auf dem Rasen und bleichten am Gestade von Akrata; jetzt konnte ich keine Spur mehr davon entdecken.
Der Golf wird an seinem schmalen Eingang durch die Festungen gedeckt, die man die kleinen Dardanellen nennt. Seit der Erfindung des Schießpulvers ist er für die militärische Behauptung Griechenlands von großer Bedeutung gewesen und wird es immer bleiben. Seine Wichtigkeit war den Osmanen selbst im Frieden nicht weniger fühlbar als sie es für andere Nationen im Krieg gewesen wäre, wenn man Rücksicht nimmt auf die diplomatische Beschaffenheit der Bande, welche ihre Herrschaft zusammenhalten und auf die abgesonderte und oft feindliche Bewegung, welche dieses Reich durch sein eigentümliches Gleichgewicht ohne Zersplitterung aushalten kann. Örtlich starke oder schwache Punkte, Gebirgspässe, Sümpfe geben oft den Maßstab ab für Bedingungen, die eine Partei vorschreiben kann, oder bestimmen die Privilegien, auf welche eine Gemeinde Anspruch erheben darf. Solche Umstände werden also täglich in Betracht gezogen, und in Dorf-Zusammenkünften werden oft allen ernstes Staatsgründe und strategische Kombinationen erwogen und beraten, die in Europa nur in ein Staatskabinett oder vor einen Generalstab gehört würden. Die Türkei hat in ihren europäischen Provinzen lange Zeit die Herren der Gebirge, die Arnauten (Albanesen) benutzt, bedroht und bestraft. Der Golf von Lepanto versperrt ihnen den Weg zu den fruchtbaren Tälern Griechenlands; dreimal sind sie hingezogen, um den Aufstand zu unterdrücken, und jedesmal haben sie sich der wildesten Ausschweifungen schuldig gemacht; ihr einziger Zaum war die Gewissheit, ein Rückzug sei ohne Einwilligung der Pforte untunlich, da die Türken die Schlösser besetzt hielten und eine griechische Miliz die Landenge von Korinth.5 Deshalb ist jedes Kind vertraut mit der politischen Wichtigkeit, den Golf besetzt zu halten.
Man braucht nur einen Blick auf die Karte von Griechenland zu werfen, um den Wert dieses Seearmes zu würdigen. Die Gegend im Norden von Lepanto bis an die Grenze von Attika ist so durchschnitten von Bergen und eingezähnt von Meerbuchten, dass sie für einen Reisenden schwer zugänglich und für ein Heer ganz unzugänglich ist. Wer die Schlösser der kleinen Dardanellen im Besitz hat, beherrscht alle Verbindung zu Land und zur See zwischen dem westlichen Griechenland, Arta, Albanien und der Morea.6
Es war also kein Wunder, dass die Osmanen diesen Grenzpass als die Fassung ansehen, womit sie den kostbarsten Edelstein des europäischen Turbans festhielten.7 Die drohenden Batterien der Doppelschlösser