David Urquhart

Reisen unter Osmanen und Griechen


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ich selbst bei dem nun folgenden Auftritt an dessen Gefahren und am Erfolg Anteil nahm, will ich ihn doch lieber erzählen, wie er mir von einem der bei dem General Church angestellten Offizier beschrieben wurde. Das griechische Heer marschierte längs der Südküste, die Bewegungen der Schiffe beobachtend. Es macht Halt in Vóstizza, der Bucht von Salona gerade gegenüber, und ging daran sich, dem Angriffe mit der Aufregung zuzusehen, die ein ruhendes Heer fühlen muss, wenn es die Entscheidung seines Geschickes von dem glücklichen oder unglücklichen Ausgang eines Zweikampfes erwartet.

      Die beiden Schiffe mussten in eine enge, landumschlossene Bucht hinein, in die man nur mit Hilfe eines günstigen Windes gelangen konnte, der dann aber die Umkehr verhinderte; dort mussten sie Schiffe angreifen, die viermal so viel Kanonen hatten, dicht am Ufer lagerten und ihre Flanken gleich festen Batterien darboten, mit Batterien am Ufer und ein paar tausend Soldaten am Land, und das alles in einem Krieg, wo von beiden Seiten nicht auf Pardon gerechnet wurde.

      Es war ein merkwürdiger Anblick, wie ein frischer Wind die schwarze Rauchwolke eines Dampfschiffes von Achaia gegen die Höhen von Delphi und den Parnaß trieb. Es war seltsam anzuhören, wie das Geräusch der Dampfräder weithin tönte über die korinthische Flut. So wie die griechischen Schiffe die Spitze umsegelten, erblickten sie plötzlich die türkische Flotte, die in der Tiefe der Bucht aufgestellt war, und wie zur Parade mit breiten, blutroten Flaggen prangte, und weithin flatternden Wimpeln. Auch an der Küste wehten drohende Flaggen, überall wo frische Erdbatterien aufgeworfen worden waren; eine tüchtige Anzahl grüner Zelte, und das Blitzen der Waffen belebte die Hügel in der Runde und gewährte einen weniger anlockenden als malerischen Anblick. „Erst dann,“ sagte mein Berichterstatter, „als wir sie um die Spitze fahren sahen, fühlten wir wirklich, mit dem Angriff sei es ernst gemeint; jetzt erst fühlten wir die ganze Gefahr des Unternehmens und die Folgen eines Fehlschlages.

      Mit welcher Angst blickten wir nach den weißen Segeln und dem schwarzen Rauch, als sie hinter der niedrigen Landspitze verschwanden! Unter welcher sorgenvollen Ungewissheit verlief die halbe Stunde zwischen diesem Augenblick und dem ersten fernen Kanonenschuss, der über das Wasser dröhnte und der grauen Dampfwolke, die langsam aufstieg aus der Bucht längs der Seite des Parnaß. Nach einem viertelstündigen ununterbrochenen Kanonenfeuer schwellte plötzlich eine schwarze Rauchmasse gen Himmel! War es Freund oder Feind, der gen Himmel oder zur Hölle gefahren? Unsere Ungewissheit dauerte nicht lange; eine zweite Masse folgte, schwärzer, höher als die erste. „Sie sind verloren, sie sind verloren!“ quoll es aus den zusammengepressten Lippen der bestürzten Griechen, als eine dritte Explosion bewies, dass Schiffe der Feinde brannten. Da erschollen die wilden Töne dieses übermenschlichen Kriegsrufes; Phantasie und Lungen erschöpften sich in Übertreibungen und Jubelgeschrei.

      Ungeachtet dieses Erfolges, der für den Tag entscheidend schien, hörte man doch noch bis Sonnenuntergang ein unregelmässiges Kanonenfeuer mit geringen Unterbrechungen. Der Wind hatte sich gelegt und ein Vorhang von Rauch verhüllte den Schauplatz, auf den alle Aufmerksamkeit gewendet war. Aber als die Sonne sank, als die Nacht ihren dunklen Mantel ausbreitete, da glänzte hell die Flamme von elf brennenden Schiffen durch das Leichentuch der Wolken und spiegelte sich in den Wellen, „die Lepanto’s Seeschlacht sahen“. Das war ein denkwürdiger Tag für Griechenland, ja für Europa. Ibrahim Pascha15 hatte sein Wort verpfändet, den Hafen von Navarino nicht zu verlassen, nun aber steuerte er nach der Bucht von Lepanto, um die Schmach zu rächen. Admiral Codrington16 zwang ihn zur Rückkehr. Die für den Winter zerstreuten Geschwader der Verbündeten wurden nach Navarino zurückgerufen und was nun folgte, brauche ich nicht zu wiederholen.

      1Eine der wichtigen Schlachten im griechischen Unabhängigkeitskampf (26.-28. Juli 1822), in deren Verlauf das osmanische Heer besiegt wurde (Red.).

      2Bewohner des heutigen Nordgriechenland und Albanien, die als Wanderhirten (darauf spielt Urquhart hier an), aber auch als Händler lebten (Red.).

      3Ioannis Kapodistrias aus Korfu wurde im April 1828 zum ersten Präsidenten Griechenlands gewählt. Er scheiterte jedoch mit seiner Politik, die den veramten Bauern helfen sollte. Außerdem sahen die Briten in ihm den verlängerten Arm des russischen Zaren, weswegen man ihn in London ablehnte (Red.).

      4Siehe oben zu Dervenákia (Red.).

      5Der berühmte Hassan Pascha vertilgte ein Korps Albanesen nach dem Aufstand von 1780, indem er ihnen den Rückzug bei der Landenge und den kleinen Dardanellen abschnitt.

      6Arta liegt etwa 80 km südlich von Jannena in Nordwestgriechenland; die Morea - so genannt nach dem für die Seidenproduktion notwendigen Maulbeerbaum - umfaßt den gesamten Peloponnes (Red.).

      7Früher wurden dem Sultan zwei Turbane vorgetragen; einer bedeutete Asien, der andere Europa.

      8Selbst in den beiden früheren griechischen Revolutionen waren die Kanonen dieser Festungen niemals gebraucht worden

      9Der Londoner Vertrag vom Juli 1827 zwischen Russland, Frankreich und England sah für Griechenland eine innenpolitische Autonomie vor, außenpolitisch sollte es jedoch unter osmanischer Oberhoheit bleiben (Red.).

      10Das entspricht auch der heutigen Grenze zwischen Griechenland und Albanien (Red.).

      11Gegenüber von Patras auf dem Festland gelegene Hafenstadt, seinerzeit ein bedeutender Flottenstützpunkt (Red.).

      12Richard Church (1784-1873), der im April 1827 zum griechischen General ernannt wurde (Red.).

      13Lord Thomas Cochrane (1775-1860) hatte nach seiner Entlassung im Jahr 1815 eine Reihe ausländischer Flottenkommandos inne, so kurzzeitig auch das griechische. 1832 wurde er wieder in den Dienst der Royal Navy aufgenommen (Red.).

      14Granaten, acht Zoll im Durchmesser, die aus waagerechten Kanonen geschossen wurden und zuweilen glühten; es waren eigentlich Hohlkugeln, die wegen ihrer verhältnismäßigen Leichtigkeit von der Oberfläche des Wassers in unzählbaren Prellschüssen abwippten. Auf diese Weise war es bei ruhiger See unmöglich zu fehlen, und diese Masse glühenden Eisens, diese Granate oder Hohlkugel mit einer Mischung von Holz, Leinwand, Pech und Pulver, welche ein unauslöschliches Feuer aussprühte, war ein Geist, der auch geschicktere Seeleute als die Türken erschreckt haben würde. Diese neue Erfindung in der Artilleriewissenschaft wird ohne Zweifel den Seekrieg und die Schiffsbaukunst in Zukunft bedeutend verändern, und dieser erste Versuch mit der Kraft der Erfindung, einem Feinde gegenüber, gibt dem von mir zu erzählenden Ereignis noch ein Interesse mehr. (Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Neuentwicklung, sondern um das sogenannte Griechische Feuer, mit dem bereits die byzantinische Flotte erfolgreich operierte und dessen Zubereitung nur einem sehr kleinen Kreis bekannt war; Anm. d. Red.)

      15Muhammad Ibrahim Pascha (ca.1769-1849), Befehlshaber der ägyptischen Flotte, die vor Navarino vollständig aufgerieben wurde (Red.).

      16Sir Edward Codrington (1770-1851), englischer Admiral und Sieger der Schlacht von Navarino (Red.).

      DRITTES KAPITEL

      PATRAS - TÜRKISCHE UND

      GRIECHISCHE FLAGGEN

      Wir reisten gemächlich. Es gibt keine Post in Griechenland. Ich habe es zweckmässiger gefunden, in diesem Land mit eigenen Pferden zu reisen. Lebensmittel sind überall zu bekommen, ein Zelt ist überall aufzuschlagen und man ist gänzlich unabhängig von den Launen der Maultiertreiber, dem Mangel an Vieh und wahrlich fast von allen Zufälligkeiten, die in diesen Gegenden dem Reisenden zuteil werden. Drei Tage reisten wir längs des Meerbusens und würden gerne noch längere Zeit auf diesen Teil unserer Reise verwendet haben, die überall das Bild eines neuerdings geordneten Landes darbot, aber unsere ferneren Reisezwecke verboten jeden Aufschub. Es fehlte uns nicht an Gelegenheiten, die uns mit Entrüstung über die Einführung eines Polizeisystems erfüllten, mit all seinen verderblichen Folgen. Ich kann die Unruhe nicht beschreiben, womit ich begann, jetzt auf das künftige Geschick dieses Landes hinzublicken. Wir erfuhren später, dass all unsere Schritte beobachtet, all unsere Worte und Werke ausgespäht wurden,