halben Meile entlangfuhr. Als ich bemerkte, dass uns der Wind weiterhin günstig blieb, gab ich meinen früheren Vorsatz auf, in der Bucht von Bon Succès anzulegen, und setzte meinen Weg schnurgerade fort. Meine Absicht war nun, das Kap Hoorn möglichst ohne Zeitverlust zu umsegeln. Als wir durch die Le-Maire-Straße fuhren, zündeten die Wilden, ihrer Gewohnheit nach, große Feuer an, um uns dadurch einzuladen, an ihrer Küste zu ankern. Eins dieser Feuer sahen wir an der Nordspitze der Bucht von Bon Succès, ein anderes an der Nordspitze der Valentinsbucht. Mit Kapitän Cook bin ich der Meinung, dass es ziemlich einerlei ist, ob man in dieser oder jener Bucht Anker wirft, denn man erhält daselbst überall Holz und Wasser, wahrscheinlich aber weniger Jagdbeute als in Weihnachtshafen, wo sich die Wilden einen großen Teil des Jahres aufhalten.
Während wir nun so durch die Meerenge schifften und nicht mehr als eine halbe Meile von Feuerland entfernt waren, tauchten rings um uns mehrere Wale auf. Man merkte wohl, dass ihnen hier noch niemand nach dem Leben trachtete, denn anstatt vor unseren Schiffen zu fliehen, schwammen sie majestätisch einher und näherten sich uns auf Pistolenschussweite. Unfehlbar werden sie in den dortigen Gewässern nur so lange ihre Herrschaft behaupten, bis die Walfänger, wie an der Küste von Grönland und Spitzbergen, Jagd auf sie machen.
Am 22. umsegelten wir das Jungfrauenkap in einer Entfernung von vier Meilen gegen Westen. Es hat eine sehr niedrige Lage und ist ohne Vegetation. Die Abbildung des Kaps in Ansons Reise5 schien mir sehr richtig zu sein; auch fand ich, dass die Lage dieses Vorgebirges auf der Karte von Cooks zweiter Reise genau angegeben ist. Sooft wir sondierten, fanden wir immer, bis an dieses Vorgebirge, dass der Grund entweder aus Sand oder aus kleinen, mit Sand vermischten Kieseln bestand, dergleichen man gewöhnlich an Flussmündungen findet; als wir uns aber der Küste von Feuerland näherten, trafen wir fast überall, und zwar in einer Tiefe von vierundzwanzig bis dreißig Klaftern, einen harten Felsengrund, wiewohl wir uns nicht über drei Meilen vom Land entfernt hielten. Hieraus folgerte ich, dass diese Küste für den Seefahrer bei Weitem weniger sicher als die patagonische ist.
Am 25., um zwei Uhr, umschiffte ich, und zwar eine Meile südwärts, das Vorgebirge San Diego, das die Westspitze der Le-Maire-Straße bildet. In ebendieser Entfernung war ich schon vom frühen Morgen an längs dieses Erdstrichs hingesegelt und hatte dabei immer die Augen auf die Karte des Kapitäns Cook gerichtet, um die Bucht zu finden, in der sich Herr Banks, um Pflanzen zu sammeln, dann an Land setzen ließ, indes die Resolution so lange unter Segel blieb, bis er wieder an Bord kam. Uns war die Witterung so ungemein günstig, dass ich es nicht über das Herz brachte, unseren Naturforschern nicht eine ähnliche Gefälligkeit zu erweisen. Um drei Uhr lief ich in den Meerbusen ein, nachdem ich zuvor bis auf drei Viertelmeilen um Kap San Diego herumgefahren war, wo es mehrere Klippen gibt, die sich aber, wie es mir vorkam, nicht über eine Meile weit erstrecken. Da ich jedoch wahrnahm, dass die Wogen vor mir mit großem Ungestüm in die See schlugen, steuerte ich gegen Südosten, um davon abzukommen. Gleich darauf machte ich die Entdeckung, dass jene Wasserwogen von Flüssen herrühren und dass die Klippen am Kap San Diego schon weit hinter mir lagen.
Die Umschiffung von Kap Hoorn war viel einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte, und ich weiß nun aus Erfahrung, dass die Schifffahrt in den dortigen Gewässern nicht problematischer ist als die unter einem hohen Breitengrad überhaupt. Die Schwierigkeiten, die man daselbst anzutreffen fürchtet, gründen sich auf ein verjährtes Vorurteil, das verschwinden muss. Die Reisebeschreibung von Admiral Anson hat zum unverdient schlechten Ruf von Kap Hoorn nicht wenig beigetragen.
Noch ein zweiter, triftiger Grund hatte mich bewogen, nicht in der Bucht von Bon Succès Anker zu werfen. Ich hatte mir nämlich schon seit geraumer Zeit einen neuen Reiseplan ausgedacht, über den ich aber erst mit mir selbst einig werden konnte, wenn ich Kap Hoorn hinter mir gelassen hatte.
Dieser Plan zielte auf nichts Geringeres ab, als im Lauf des Jahres an der Nordwestküste Amerikas zu landen. Man hatte mir diese Landung nicht ausdrücklich befohlen, weil man annahm, ich würde schwerlich imstande sein, eine so langwierige Strecke in weniger als einem Jahr zurückzulegen. Die Vorteile meines neuen Plans lagen auf der Hand. Erstens konnte ich einen noch unbekannten Weg einschlagen und Parallelkreise durchlaufen, in deren Bereich vielleicht noch unentdeckte Inseln lagen. Zweitens hatte ich, wenn ich je zwei Jahre in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre verbrachte, mehr Zeit, die Inseln, deren Untersuchung mir anbefohlen war, in genauen Augenschein zu nehmen. Da meine Instruktionen die ausdrückliche Weisung enthielten, ich solle die Befehle des Königs so ausführen, dass der Erfolg meiner Reise gewährleistet sei, wartete ich somit nur noch den Zeitpunkt ab, an dem das Südmeer6 vor mir lag, um zur Tat zu schreiten. Am 9. Februar lief ich, nachdem ich bei Kap Deseado die Magellan-Straße gekreuzt hatte, in das Südmeer ein und nahm Kurs auf die Juan-Fernández-Insel. Allem Vermuten nach war ich über die Gegend hinaus, in der das angebliche Drake-Land liegen soll. Ich hatte mich aber wenig darum gekümmert, weil ich schon im Voraus überzeugt war, dass es nicht existiere. Seitdem ich Europa verlassen hatte, war meine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Reiserouten der älteren Seefahrer gerichtet. Ihre Tagebücher sind so schlecht abgefasst, dass man ihren Inhalt gleichsam erraten muss. Diejenigen Geographen aber, die selber keine Seeleute sind, legen eine solche Unkenntnis der Hydrographie an den Tag, dass sie dergleichen Tagebücher, die doch so manche Berichtigung nötig haben, keiner vernünftigen Kritik zu unterziehen vermögen. So kommt es, dass sie oft Inseln in die Seekarten einzeichnen, die nirgends vorhanden sind und die sich, wenn man gründlicher nachforscht, wie Phantome in Luft auflösen.
Da der Wind jetzt aus Westsüdwest wehte und mir bei der Fahrt nach Norden ungemein günstig war, hielt ich mich nicht damit auf, die vermeintliche Drake-Insel ausfindig zu machen, die vermutlich mit Feuerland identisch ist, sondern setzte meinen Weg nach Juan Fernández fort. Als ich jedoch den an Bord befindlichen Proviant untersuchte, stellte sich heraus, dass nur noch wenig Mehl und Brot vorhanden waren; sowohl ich als auch Kapitän de Langle hatten beiderseits an hundert Zentner davon in Brest zurücklassen müssen, weil es uns an Raum fehlte, sie unterzubringen. Auch hatten sich die Würmer in unserem Schiffszwieback eingenistet. Dies bewog mich, als nächsten Landungsort anstelle von Juan Fernández La Concepción an der Küste von Chile zu wählen, da ich wusste, dass in diesem Teil der Neuen Welt sehr viel Getreide wächst und billiger zu haben ist als auf jedem Markt in Europa und dass man hier auch alle anderen Lebensmittel findet. Demzufolge richtete ich nunmehr meinen Kurs etwas weiter nach Osten. Am 22. Februar bekam ich die Insel Mocha zu Gesicht, die etwa fünfzig Meilen weit von La Concepción, und zwar gegen Süden, entfernt ist. Da ich befürchten musste, von der Strömung nach Norden getrieben zu werden, so steuerte ich immer in Richtung Land. Hat man Mocha hinter sich gebracht, so kann man getrost längs der Küste hinsegeln, denn von nun an ragen alle Klippen aus dem Meer heraus und sind auch vom Gestade nicht weit entfernt. Jetzt erblickt man die Mamelles de Bío Bío, zwei mäßig hohe Berge, deren Gestalt ihr Name Mamelles (Brüste) charakterisiert. Von hier aus muss man noch ein wenig nordwärts bis zur Landspitze von Dorf Talcahuana steuern. Diese Spitze bildet die westliche Einfahrt in die Bucht von La Concepción, die in westöstlicher Richtung einen Durchmesser von ungefähr drei Meilen hat und sich ebenso weit von Norden nach Süden erstreckt. Die Einfahrt wird jedoch durch die in ihrer Mitte liegende Insel Quiquirine verengt, die man auf zwei Wegen umschiffen kann; der gegen Osten ist der sicherste und der einzige, den die Seefahrer benutzen. Die Wasserstraße zwischen der Insel Quiquirine und der Landspitze von Talcahuana ist kaum eine Viertelmeile breit und so mit Klippen übersät, dass man sie ohne die Hilfe eines guten Lotsen unmöglich befahren kann.
Nachmittags um zwei Uhr umschifften wir die Spitze der Insel Quiquirine. Wir griffen nun zu unseren Ferngläsern und hielten nach der Stadt La Concepción Ausschau, die, wie wir der von Frézier gezeichneten Karte entnahmen, im Hintergrund der Bucht, und zwar in südöstlicher Richtung, liegen sollte; wir suchten sie aber vergebens. Abends um fünf Uhr kamen Lotsen an Bord, von denen wir erfuhren, dass die Stadt im Jahr 1751 durch ein Erdbeben zerstört wurde und nicht mehr das Geringste von ihr übrig war, dass man aber, drei Meilen von der Meeresküste entfernt, am Ufer des Bío Bío eine neue Stadt erbaut habe. Wir hörten auch von den Lotsen, dass man uns in La Concepción bereits erwartete, da Briefe vom spanischen Minister eingetroffen waren, die unseren Besuch ankündigten. Wir lavierten nun weiterhin, um tiefer in die Bucht zu kommen, und warfen abends um neun Uhr die Anker in neun Klafter Tiefe. Gegen