nach Nord. Von dorther stürmte es sehr heftig, auch setzte in der Nacht vom 15. auf den 16. starker Regen ein. Am 17., gegen Mittag, erhob sich ein gelinder Südwestwind, mit dem ich unter Segel ging; er war aber so schwach, dass er uns nur zwei Meilen aus der Bucht führte, dann kamen wir, da völlige Windstille eintrat, nicht mehr von der Stelle. Die ganze Nacht tummelten sich rings um uns her mehrere Wale, die unseren Fregatten bisweilen so nahe kamen, dass sie das Wasser aus ihren Nasenlöchern über Bord spritzten.
Am 19. gelang es mir mithilfe des Südwindes, mich von der Küste zu entfernen. Ich nahm Kurs auf die Juan-Fernández-Insel7, an der wir östlich vorbeisegelten. Am 3. April, als wir uns unter der südlichen Breite von 27 Grad 5 Minuten und unter der westlichen Länge von 101 Grad befanden, bekamen wir Wind, der von Nordost nach Nordwest drehte. Wir sahen jetzt einige Vögel, und zwar die ersten, die uns begegneten, seitdem wir Juan Fernández hinter uns gelassen hatten. Ich zähle nicht eine oder zwei Seemöwen, die uns auf einer Fahrt von sechshundert Meilen kurze Zeit begleitet hatten. Windwechsel ist das sicherste Zeichen für nahes Land; aber die Naturforscher werden vielleicht einige Mühe haben, zu erklären, wie es zugeht, dass sich der Einfluss einer kleinen Insel mitten im unermesslichen Ozean auf hundert Meilen im Umkreis bemerkbar macht. Überdies genügt es nicht, dass ein Seefahrer den Abstand zu einer Insel richtig schätzt; er muss auch die Windverhältnisse in ihrem Bereich erraten. Der Flug der Vögel nach Sonnenuntergang sagt über Windverhältnisse nichts aus, ihre Beobachtung war mir nie hilfreich. Ich bin davon überzeugt, dass die Flugrichtung der Vögel stets nur von dem Appetit auf Beute bestimmt wird. Oft sah ich Seevögel bei Einbruch der Nacht so häufig die Richtung wechseln, dass auch der enthusiastischste Augur nicht imstande gewesen wäre, hieraus bestimmte Folgerungen zu ziehen.
Am 4. April war ich nur noch sechzig Meilen von der Osterinsel entfernt; es kamen mir keine Vögel zu Gesicht, der Wind blies aus Nordnordwest, und wenn mir die Lage der Insel nicht so genau bekannt gewesen wäre, hätte ich höchstwahrscheinlich in der sicheren Annahme, sie verfehlt zu haben, einen anderen Kurs eingeschlagen. Dies waren meine Gedanken an Ort und Stelle. Ich sehe mich gezwungen zuzugeben, dass die Entdeckung von Inseln bloß auf Zufall beruht. Sehr häufig steuern die Seefahrer gerade aufgrund scharfsinniger Berechnungen an ihnen vorbei.
In der Nacht vom 8. auf den 9. April segelten wir an der Küste der Osterinsel in einer Entfernung von drei Meilen vorüber. Es herrschte klares Wetter, und der Wind hatte in weniger als drei Stunden von Nord auf Südost gedreht. Als es Tag wurde, steuerte ich auf die Cook Bay zu; von allen Buchten der Insel bietet sie den meisten Schutz gegen Winde aus Nord, Ost und Süd, nur der Westwind hat Zugang. Das Wetter war so schön, dass ich annahm, dieser Wind werde vielleicht mehrere Tage nicht wehen. Gegen elf Uhr morgens befand ich mich nur noch eine Meile vom Ankerplatz; die Astrolabe hatte bereits ihren Anker geworfen, und ich legte mich dicht neben sie; die Meeresströmung war aber so stark, dass die Anker beider Schiffe keinen Grund fanden und wir genötigt waren, sie wieder zu lichten und unsere Fahrzeuge zwei Mal zu wenden, bevor wir einen günstigeren Platz fanden.
Diese Widrigkeiten schreckten die Indianer nicht davon ab, uns ihren Besuch abzustatten. Sie schwammen uns wohl eine Meile in die offene See nach, kletterten zu uns an Bord, lachten und zeigten so viel Selbstbewusstsein, dass sie mir eine sehr vorteilhafte Meinung von ihrem Charakter beibrachten. Wären sie argwöhnisch gewesen, so würden sie, als wir wieder unter Segel gehen mussten, unfehlbar befürchtet haben, dass wir sie vielleicht entführen und aus ihrem Vaterland fortschleppen wollten. Allein die Idee einer solchen Perfidie lag ihnen gänzlich fern. Sie kamen nackt und ohne Waffen zu uns, ohne mehr auf dem Leib zu haben als eine um die Lenden gebundene Schnur, an welcher sie ein Büschel Kräuter befestigt hatten, um ihre Blöße zu verhüllen.
Der Maler Hodges, der Kapitän Cook auf seiner zweiten Reise begleitet hat, hat die Physiognomie der Insulaner ganz falsch wiedergegeben. Sie ist durchweg angenehm, aber verschiedenartig. Sie bilden keine Rasse mit charakteristischen Merkmalen wie die Malaien, die Chinesen oder die Chilenen.
Ich beschenkte diese Indianer mit allerlei Dingen. Kleine Stückchen bunter Leinwand, die ungefähr eine halbe Elle lang waren, schienen ihnen lieber zu sein als Nägel, Messer und Glasperlen. Noch weit begieriger waren sie nach Hüten, von denen wir leider eine zu geringe Anzahl an Bord hatten, als dass wir viele davon hätten abgeben können. Abends um acht Uhr nahm ich von meinen neuen Gästen Abschied, indem ich ihnen durch allerlei Zeichen zu verstehen gab, dass ich am folgenden Morgen in aller Frühe an Land kommen würde. Unter Hüpfen und Tanzen stiegen sie darauf wieder in ihr Kanu und setzten ab. Als sie noch etwa zwei Büchsenschuss vom Ufer entfernt waren, an welches die Brandung mit dem größten Ungestüm anschlug, sprangen sie in die See. Vorher hatten sie vorsichtigerweise aus meinen Geschenken kleine Bündel gemacht und sich auf den Kopf gebunden, damit sie nicht nass würden.
7Heute Isla Robinson Crusoe.
VIERTES KAPITEL
Die Cook Bay auf der Osterinsel liegt unter 27 Grad 11 Minuten südlicher Breite und 111 Grad 55 Minuten 30 Sekunden westlicher Länge. Gleich mit Anbruch des Tages ließ ich alles für unsere Landung vorbereiten. Ich durfte hoffen, auf der Insel Freunde zu finden, weil ich alle diejenigen, die tags zuvor an Bord gekommen waren, reichlich beschenkt hatte. Indes war mir aus den Berichten anderer Seefahrer sattsam bekannt, dass man diese Indianer als große Kinder ansehen muss, in denen beim Anblick europäischer Gerätschaften so heftige Begierden entstehen, dass sie sich alles Mögliche einfallen lassen, um ihrer habhaft zu werden. Ich hielt es daher für ratsam, mir rechtzeitig bei ihnen Respekt zu verschaffen, und traf deshalb die Anordnung, unsere Landung mit kriegerischem Pomp zu inszenieren. Diese Wirkung erreichten wir dadurch, dass wir mit vier Booten unter einer Bedeckung von zwölf bewaffneten Soldaten an Land gingen. Herr de Langle und ich hatten ein Gefolge von ungefähr siebzig Personen: Es begleiteten uns alle an Bord befindlichen Wissenschaftler, alle Offiziere außer den diensttuenden sowie die Mannschaften unserer Ruderboote. Am Ufer erwarteten uns vierhundert oder fünfhundert Indianer; sie waren unbewaffnet, einige hatten sich mit einzelnen Stücken gelben oder weißen Stoffs geschmückt, die meisten aber waren vollständig nackt. Mehrere dieser Leute trugen Tätowierungen und hatten ihre Gesichter mit roter Farbe bemalt. Ihr Geschrei und ihr Mienenspiel bekundeten Freude. Sie kamen uns bis ins Wasser entgegen und reichten uns die Hand, um uns beim Aussteigen aus den Booten zu helfen.
Die Höhe der Insel beträgt in dieser Gegend ungefähr zwanzig Fuß; die Berge liegen sieben- bis achthundert Klafter landeinwärts; vom Fuß dieser Berge an fällt das Land sanft zum Meer ab. Diese Fläche ist von einer Grasart bedeckt, die, wie ich glaube, ein gutes Rinderfutter abgäbe. Im Gras liegen obenauf große Wackersteine, die mit denjenigen absolut identisch sind, die man auf Île-de-France8 Giraumons oder Flaschenkürbisse nennt, weil sie in Form und Umfang an diese erinnern. Diese Steine hinderten uns zwar am Gehen, sind aber eine Wohltat der Natur; sie erhalten nämlich den Boden immer feucht und kühl und ersetzen auf diese Weise erquickenden Schatten der Bäume, die die Inselbewohner unbedachterweise schon vor undenklichen Zeiten gefällt haben, mit dem Resultat, dass ihr Land von der heißen Sonne ausgedörrt wird und sie ohne Wassergräben, Bäche und Quellen auskommen müssen. Diese unwissenden Leute hatten nicht herausgefunden, dass es auf kleinen, in einem unermesslichen Ozean liegenden Inseln die Vegetation ist, die die Wolken anzieht und in bergigen Gegenden jene starken Regenfälle hervorruft, die dann in der Form von Quellen und Bächen ein ganzes Eiland bewässern. Darum herrscht auf Inseln ohne hohe, schattenspendende Bäume eine fürchterliche Dürre. Herr de Langle war ganz meiner Meinung, dass dieses Volk seine jetzige traurige Lage bloß der Unwissenheit seiner Vorfahren zuzumessen hat. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass es anderen Südseeinseln nur darum nicht an Wasser gebricht, weil sie glücklicherweise sehr hohe und unzugängliche Gebirge besitzen, in denen es schlechterdings nicht möglich war, alle Bäume abzuholzen. Während meines langen Aufenthalts auf Île-de-France, einer Insel, die mit der Osterinsel eine auffällige Ähnlichkeit aufweist, konnte ich beobachten, dass Bäume, die nicht durch andere Bäume oder durch steinerne Mauern gegen die Seewinde geschützt sind, nicht wachsen können; diese Erfahrung gilt auch für die Osterinsel und erklärt deren Verwüstung. Die Bewohner der Insel sollten sich, statt über ihre längst erloschenen