versuchte. Sein Gewehr mit Feuerschloss versagte aber auf beiden Läufen. Der Löwe verließ mich nun augenblicklich und griff Mebalwe an, den er in den Schenkel biss. Ein anderer Mann, dem ich früher einmal das Leben gerettet hatte, als er von einem Büffel in die Luft geschleudert worden war, versuchte nun, den Löwen mit dem Speer niederzustoßen, während er Mebalwe biss. Jetzt verließ das Tier Mebalwe und packte den anderen an der Schulter, allein in diesem Augenblick wirkten die beiden Kugeln, die er erhalten hatte, und er brach verendend zusammen. Das Ganze war eine Sache von wenigen Augenblicken und wohl eine Wirkung des Todeskampfes. Um nun den Zauberbann an ihm aufzuheben, machten die Bakatla am folgenden Tag ein großes Freudenfeuer über dem Körper des erlegten Löwen, der nach ihrer Aussage der größte gewesen sein sollte, welchen sie je gesehen hatten. Das Tier hatte mir nicht nur den Knochen zu Splittern zermalmt, sondern am Oberarm auch noch elf Zahnwunden hinterlassen.
»Sein Gewehr mit Feuerschloss versagte aber auf beiden Läufen«
Eine Wunde von den Zähnen dieses Tieres gleicht einer Schusswunde, hat gewöhnlich eine sehr starke Eiterung und Schorfbildung zur Folge und verursacht Schmerzen, welche man noch lange nachher periodisch in dem verletzten Körperteil fühlt. Ich trug bei jener Gelegenheit eine Jacke von gewürfeltem schottischem Wollzeug (Tartan), welche nach meinem Dafürhalten das ganze Gift von den Zähnen aufsaugte, die mir das Fleisch durchbohrten; denn meine beiden Kampfgenossen hatten die eigentümlichsten Schmerzen auszustehen, während ich nur mit der Unbequemlichkeit eines steifen Gelenkes im Oberarm davonkam. Der Mann, den der Löwe an der Schulter gepackt hatte, zeigte mir seine Wunde, die in demselben Monat des darauffolgenden Jahres in der Tat von Neuem aufgebrochen war – ein merkwürdiger Punkt, welcher die Aufmerksamkeit der Forscher gewiss verdient.
Ich schloss mich an den Stamm an, welcher Bakuena heißt, und dessen Häuptling, ein gewisser Setschele, damals mit seinen Leuten an einem Ort namens Schokuane wohnte. Mich überraschten schon von Anbeginn die Intelligenz dieses Mannes und die auffallende Art und Weise, wie wir beide uns gegenseitig voneinander angezogen fühlten. Da dieser merkwürdige Mann nicht allein das Christentum angenommen hat, sondern auch dessen Lehren seinem Volk auslegt, so will ich hier einen kurzen Abriss seiner Lebensgeschichte geben.
Sein Urgroßvater Motschoasele war ein großer Reisender und der Erste, von welchem die Bakuena je die Kunde von dem Dasein weißer Männer erhielten. Zu seines Vaters Lebzeiten passierten zwei weiße Reisende, die nach meinem Dafürhalten Dr. Cowan und Kapitän Donovan gewesen sein müssen (im Jahr 1808) das Land und fuhren den Limpopo-Fluss hinab, wo sie mit ihrer ganzen Reisegesellschaft vom Fieber aufgerieben wurden. Die Regenmacher jener Gegend fürchteten, ihre Wagen möchten den Regen vertreiben und ließen dieselben daher in den Fluss werfen. Dies ist die wahrheitsgetreue Schilderung des Ausgangs jener Expedition, wie sie mir von dem Sohn des Häuptlings erzählt wurde, in dessen Dorf sie umkamen. Er erinnerte sich, noch als Knabe von einem ihrer Pferde gegessen zu haben, und sagte, es schmecke wie Zebrafleisch.
Als Setschele noch ein Knabe war, wurde sein Vater, der ebenfalls Motschoasele hieß, von seinem eigenen Volk ermordet, weil er sich die Weiber seiner reichen Unterhäuptlinge angeeignet hatte. Die Kinder blieben verschont, und ihre Freunde luden Sebituane, den Häuptling der Makololo, welcher sich damals in dieser Gegend befand, ein, sie wieder in ihre Stelle als Häuptlinge einzusetzen. Sebituane umzingelte bei Nacht die Stadt der Bakuena, und morgens bei Tagesgrauen verkündigte sein Herold mit lauter Stimme, er sei gekommen, den Tod des Motschoasele zu rächen. Darauf schlugen alsbald Sebituanes Leute um die ganze Stadt herum laut auf ihre Schilde, was einen panischen Schrecken unter den Einwohnern verursachte. Diese stürzten wie aus einem brennenden Theater aus der Stadt hinaus, während die Makololo sich ihrer Wurfspeere gegen die erschrockenen Bakuena mit jener Geschicklichkeit bedienten, durch die sie berühmt sind. Sebituane hatte seinen Leuten die Weisung gegeben, die Söhne des Häuptlings zu schonen; und einer derselben traf den Setschele und brachte ihn dadurch in Gewahrsam, dass er ihn durch einen wuchtigen Schlag auf den Kopf mit einem Knüppel bewusstlos niederwarf. Der Usurpator wurde hingerichtet und Setschele, in seine Häuptlingswürde wieder eingesetzt, fühlte sich sehr zu Sebituane hingezogen. Die hier erwähnten Umstände führten mich endlich, wie späterhin allmählich sich zeigen wird, nach dem neuen wohlbewässerten Land, wohin eben dieser Sebituane mir vor vielen Jahren vorangezogen war.
Setschele heiratete die Töchter von dreien seiner Unterhäuptlinge, welche aus Anlass ihrer Blutsverwandtschaft ihm in seinem Unglück beigestanden hatten. Dies ist eine der üblichen Weisen, um sich der Lehnspflicht eines Stammes zu versichern. Die Regierungsform ist patriarchalisch, und jeder Mann ist kraft der Vaterschaft Häuptling über seine eigenen Kinder. Sie erbauen ihre Hütten um die seinige herum, und je höher die Zahl seiner Kinder steigt, desto mehr wächst auch sein Ansehen. Daher gelten Kinder als eine der größten Segnungen und werden immer liebevoll behandelt. Beinahe im Mittelpunkt eines jeden Hüttenkreises befindet sich ein Ort, eine sogenannte Kotla mit einer Feuerstelle; hier arbeiten, essen oder sitzen sie beisammen und plaudern über die Tagesneuigkeiten. Ein armer Mann schließt sich an die Kotla eines Reichen an und gilt als ein Kind des Letzteren. Ein Unterhäuptling hat eine Anzahl solcher Kreise um sich her, und die Ansammlung von Kotlas um die große, die sich im Mittelpunkt des Ganzen befindet und die des bedeutendsten Häuptlings ist, bildet die Stadt. Der Hüttenkreis unmittelbar um die Kotla des Häuptlings besteht aus den Hütten seiner Weiber und denjenigen seiner Blutsverwandten. Er fesselt die Unterhäuptlinge an sich und seine Regierung dadurch, dass er, wie wir es bei Setschele gesehen haben, ihre Töchter heiratet oder ihre Verheiratung mit seinen Brüdern veranlasst. Die Verwandtschaften mit angesehenen Familien sind unter ihnen sehr beliebt. Trifft man auf eine Gesellschaft von Fremden und wird die Verwandtschaft des Vornehmsten unter ihnen mit irgendeinem Oheim eines gewissen Häuptlings nicht von seinen Begleitern sogleich gebührend laut kundgegeben, so hört man ihn sicher denselben zuflüstern: »Sagt dem Fremden, wer ich bin.« Dies führt gewöhnlich dazu, dass man einem einen Teil seines Stammbaumes an den Fingern herzählt, und endet mit der wichtigen Ankündigung, dass der Anführer des Trupps ein entfernter Vetter irgendeines wohlbekannten Herrschers ist.
Setschele war auf diese Weise in seine Häuptlingswürde eingesetzt worden, als ich seine Bekanntschaft machte. Bei der ersten Gelegenheit, wo ich den Versuch machte, einen öffentlichen Gottesdienst zu halten, bemerkte er mir, es sei unter seinem Volk üblich, wenn demselben irgendein neuer Gegenstand vorgetragen werde, Fragen darüber zu stellen, und daher bat er mich um die Erlaubnis, mir in diesem Fall ebenfalls Fragen vorlegen zu dürfen. Als ich mich vollkommen bereit erklärte, ihm auf alle seine Fragen zu antworten, erkundigte er sich, ob meine Vorfahren auch schon etwas von einem künftigen Gericht gewusst hätten. Ich bejahte diese Frage und begann ihm das Schauspiel »des großen weißen Thrones und den Anblick dessen zu schildern, der darauf sitzen soll und vor dessen Antlitz Himmel und Erde vergehen werden usw.« Er sagte: »Du erschreckst mich – diese Worte machen alle meine Gebeine erbeben – ich habe gar keine Kraft mehr in mir; aber meine Vorfahren lebten ja zu derselben Zeit wie die deinigen, und wie kommt es, dass sie uns nicht früher Kunde von diesen entsetzlichen Dingen gebracht haben? Sie wanderten alle dahin in der Finsternis, ohne zu wissen, wohin sie gingen.« Ich zog mich aus der Verlegenheit, indem ich ihm die geografischen Schranken im Norden und die nur allmähliche Ausbreitung unserer Kunde vom Süden schilderte, zu dem wir erst durch Schiffe Zugang erhalten mussten; und ich drückte ihm meinen festen Glauben aus, dass, wie Christus verheißen habe, die ganze Welt noch einmal durch das Evangelium werde erleuchtet werden. Er deutete nach der großen Wüste Kalahari und sagte: »Du kannst nie durch dieses Land hindurch zu den Stämmen kommen, welche jenseits desselben wohnen; es ist dies – gewisse Jahreszeiten ausgenommen, wo eine ungewöhnliche Menge Regen fällt und Wassermelonen deshalb besonders gut gedeihen – sogar für uns Schwarze unmöglich. Selbst wir, die wir doch die Gegend kennen, würden ohne jene umkommen.« Ich versicherte ihn nochmals meines festen Glaubens an die Worte Christi, und so schieden wir.
Sobald Setschele eine Gelegenheit zum Lernen hatte, machte er sich mit einem solchen Fleiß ans Lesen, dass er, der wegen seiner Vorliebe für die Jagd zuvor verhältnismäßig hager gewesen war, nun aus Mangel an Leibesbewegung ganz korpulent wurde. Oswell erteilte ihm den ersten Unterricht in den Buchstaben, und er erlernte das Alphabet