Springer« und schenkte ihm eine kleine Pension. Er lebte als letzter der Mamelukken noch lange in Kairo.
Von einer der Batterien genossen wir einen entzückenden Überblick Kairos und seiner Umgebung; wohl das schönste Panorama Ägyptens lag vor uns. Es liegt etwas Zaubervolles in der südlichen Beleuchtung; das Auge vermag den ganzen Reiz einer in ihr liegenden Landschaft gar nicht zu erfassen. Unter uns breitete sich das märchenhafte Kairo aus, die Stadt mit ihren mehr als drei Mal hunderttausend Einwohnern, mit tausend Kuppeln, Minaretts und Moscheen, mit Vorstädten, von denen jede an und für sich eine beträchtliche Stadt bildet, umgeben von einer in der Fülle des Pharaonenlandes schwelgenden, von einem Strom ersten Ranges durchzogenen Landschaft; in nächster Nähe sahen wir die Wächter des verderbenden Flugsandes der Wüste, eins der Wunder der Welt, die Pyramiden; den Horizont nahm die Wüste ein, jener einförmige, fahlgelbe, scheinbar unendliche, unermessliche Streifen, in dem sich das Auge verliert: das war das Bild, welches sich unseren trunkenen Blicken entrollte. Der Abend lag auf der paradiesischen Gegend, der Nil floss golden, so weit man ihn verfolgen konnte, durch die lachenden Fluren dahin, ein sanfter Westwind bewegte die Kronen der Palmen. Wir standen sprachlos, staunend vor dem erhabenen Anblick. Wie ferner Donner schallte das Getös der tief unten wogenden Menge zu uns hinauf; da – es ist die Zeit des Abendgebetes, denn die Sonne taucht in das ewige Sandmeer – ertönt hoch über uns vom schlanken Minarett der Moschee herab der sonore Gesang des »Muezzin«, des Verkündigers des Glaubens, er ruft sein »Hai aal el sallah!« zu der Menge hernieder; der fromme Mohammedaner eilt zum Gebet, und der Christ muss es fühlen, dass auch ihm die Mahnung des Sängers zum Herzen drängt: »Ja, rüste dich zum Gebet!«
Die Kalifengräber bei Kairo
Während unseres Aufenthaltes in Ägypten hatten wir erfahren, dass in Kürze eine Mission katholischer Geistlicher nach dem Innern Afrikas abgehen würde. Es war uns von Interesse, die kühnen Verkündiger des Evangeliums kennenzulernen. Ein Empfehlungsbrief vom Generalkonsul von Laurin verschaffte uns bei ihnen Zutritt. Die weitausgreifenden Pläne der Geistlichen erregten unsere Reiselust in so hohem Grade, dass der Baron die Bitte wagte, sich mit mir der Mission anschließen zu dürfen. Seine Bitte wurde ihm nicht nur gewährt, sondern die Herren waren sogar freundlich genug, uns einige Zimmer in einem großen Hause Bulahks, das sie bewohnten, anzubieten, wovon wir dankbar Gebrauch machten. Somit war uns die Möglichkeit gegeben, mit einer Gesellschaft gebildeter, landes- und sprachkundiger Landsleute in das Innere Afrikas dringen zu können. Khartum, die Tropenstadt der inner-afrikanischen, unter Ägyptens Zepter gepressten Länderstriche, erreichen zu können war damals unser höchster Wunsch.
Die Mission bestand aus fünf von der Propaganda in Rom gesandten Geistlichen und hatte den Zweck, die Heiden des Weißen Flusses zu bekehren. Ich will meiner Erzählung vorgreifen und unsere nachherigen Reisegefährten kurz zu schildern versuchen. Der Chef der Mission war der aus dem Aufstand der Drusen und Maroniten zur Zeit der Kriege Ibrahim-Paschhas mit der Pforte wohlbekannte Jesuit Ryllo3, ein Mann von seltenen Geistesgaben und wirklich furchtbarer Energie, aber Jesuit durch und durch. Zur Zeit unserer Bekanntschaft mit ihm litt er schon an einer sich mehr und mehr verschlimmernden Dysenterie. Die ihn behandelnden Ärzte rieten ihm, zur sicheren Genesung nur einige Wochen nach Europa zu gehen; aber der Befehl seiner Oberen lautete, sobald als möglich nach dem Inneren Afrikas aufzubrechen. Er gehorchte, verließ in der Voraussicht seines Todes Ägypten und eilte seinem Ziel zu. Nach einer Reise voller Mühseligkeiten und Beschwerden erreichte er Khartum und starb dort nach kurzem Aufenthalt. Das ist der Mut, welcher katholische und vorzugsweise jesuitische Geistliche so vorteilhaft vor manchen protestantischen Missionären auszeichnet; ich würde Ryllo bewundert haben, wäre er nicht Jesuit gewesen. Die Seele der Mission aber war der in Deutschland rühmlichst bekannte Pater Ignaz Knoblecher4 aus Laibach. Ich habe später Gelegenheit gefunden, diesen Mann bewundern zu lernen. Er war ebenso liebenswürdig als gelehrt; er war unermüdet in seinen Arbeiten, heiter im Umgang mit seinen Reisegefährten, bescheiden und streng sittlich. Im Besitz von seltenen und tiefen Sprachkenntnissen, war er gleichwohl auch in anderen Wissenschaften bewandert und hatte neben dem ihm von seinen Oberen gesteckten Ziel nur die wissenschaftliche Ausbeutung seiner großen Reisen, ohne Rücksicht auf jeden Gewinn, im Auge. Während seine Reisegefährten ihre Zeit mit nutzlosem oder herzlosem Gebetelesen verschwendeten, besorgte er nicht nur alle nötigen Tagesarbeiten, sondern führte noch nebenbei ein wirklich ausgezeichnetes wissenschaftliches und sehr mühsames Tagebuch. Seine Ausdauer glich seinen übrigen Eigenschaften; sie war großartig.
Padre Pedemonte5, von uns »Padre Muhsa« genannt, war der dritte Geistliche der Mission. Er stand, obgleich Jesuit, geistig weit hinter den Erwähnten zurück, liebte die Jagd leidenschaftlich und war von einer unseligen Bekehrungssucht befallen. Vor allem schien er es darauf abgesehen zu haben, mich zur allein seligmachenden Kirche zurückzuführen. Tagtäglich hielt er mir einen langen Sermon mit den sich regelmäßig wiederholenden Anfangs Worten: »O figlio mio, la strada della salute e apperto per voi, usw.«, nach denen er mir die Finsternis zu schildern versuchte, in denen sich meine von den Banden des Ketzertums umstrickte Seele befinden sollte. Trotz seiner missglückten Versuche sind wir gute Freunde geblieben.
Die übrigen Geistlichen waren der Padre Don Angelo Vinco6 und der Bischof Monsignore di Maurikaster. Ersterer war ein nicht gerade sehr befähigter Mann, in dem sich sonderbare Widersprüche vereinten. Don Angelo klammerte sich, aus Furcht vor dem Ertrinken, bei jedem Windstoß ängstlich an den Mast unserer Nilbarke, blies bei jeder ihm gefährlich scheinenden Fahrt seine Gummimatratze auf, um sie als Rettungsboot bei dem befürchteten Schiffbruch zu gebrauchen – und lebte später mehrere Jahre, unter dem vierten Grad der nördlichen Breite, unter halbwilden Negerhorden, ohne Furcht zu kennen. Ich erfuhr später, dass ihm der König der Nuehr7 seine Tochter verheiraten wollte und sich höchlichst erzürnte, als ihm Padre Vinco erklärte, dass er als katholischer Geistlicher nie gesonnen sein könne, einem so unsinnigen Gesuch zu willfahren. Unser Pater war Jesuit, aber sehr gutmütig, rechtlich und achtbar. Ganz das Gegenteil von ihm war der fünfte Geistliche, der Bischof. Dieser war nicht eigentliches Mitglied der Mission und begleitete sie nur bis Khartum, von wo er zurückkehrte. Der Bischof befolgte das christliche Gesetz: »Ein Bischof soll unsträflich sein« keineswegs. Er nahm es z. B. mit den Gesetzen der Keuschheit nicht sehr genau, lebte nur dem Vergnügen und begnügte sich, unter den Augen des strengen Padre Ryllo tagtäglich sein Brevier zu lesen.
Außerdem hatten sich der Mission noch drei weltliche Personen angeschlossen. Der eine, Baron S. S., früher in Batavia Aufseher einer Pflanzung, wollte im Sudan die Kultur des Kaffees und Reises zum Vorteil der Mission versuchen, musste aber von dort aus, seiner Trunksucht wegen, nach Ägypten zurückgeschifft werden; die anderen beiden, ein junger Malteser und ein unausstehlicher Levantiner, dienten den Geistlichen als Einkäufer, Diener und Dolmetscher.
Uns mit eingerechnet bestand also die Gesellschaft aus acht Europäern und zwei Orientalen, zu denen später noch nubische Bediente hinzukamen. Die Abreise war für Ende September festgestellt. Es blieb uns demnach noch Zeit genug, die Umgegend zu durchstreifen, unsere Ausrüstungen für die große Tour zu treffen und unsere Pläne auszuarbeiten. Die meiste Zeit nahmen die nötigen Einkäufe in Anspruch. Eine Reise ins Innere Afrikas ist in jeder Hinsicht von anderen Reisen verschieden. Man geht Ländern entgegen, in denen man weder Handwerker und Künstler, noch Kaufleute und Gastwirte findet, und muss darnach seine Einrichtungen treffen. Mit allem und jedem zu einer Haushaltung Nötigen muss man sich versehen, vom Tisch bis zur Nähnadel herab; alle Bedürfnisse müssen bedacht werden, will man später nicht empfindlichen Mangel leiden. Der Reisende muss Kleider, Papier und Schreibmaterialien, Esswaren, Essig, Öl, Branntwein, Spiritus und Wein für mehr als Jahresfrist, Arzneien, Lanzetten und Schröpfköpfe, Äxte, Beile, Sägen, Hammer, Nägel, Gewehre und Munition, Reisebeschreibungen, Karten usw. usw. usw. mit sich führen und hundert Dinge besitzen, welche man erst vermisst, wenn man sie entbehrt. Findet man ja noch etwas Brauchbares auf einem der Basare Oberägyptens oder des Sudan, dann sind die Preise enorm. Alle Gegenstände müssen vor der Reise sorgfältig in besonders dazu eingerichtete Kisten gepackt und in strengster Ordnung gehalten werden. Vorzüglich schwer ist es, alles so unterzubringen, dass es wohlversorgt und gleichwohl leicht auszupacken