und zu kühlen, die letztere, um das schon gereinigte Wasser möglichst abzufrischen.
Der Sihr ist ein großer, ungefähr zwei Eimer haltender, zuckerhutähnlicher Topf, welcher mit seiner nach unten gerichteten Spitze aufgestellt und dann mit Wasser gefüllt wird. Seine Masse hat gröbere Poren, welche, zwar immer noch fein genug, um das durch sie ausfließende Wasser zu läutern, doch einer größeren Menge den Durchgang gewähren. Das durchgesickerte Wasser wird in einer glasierten Schüssel aufgefangen und nun erst in die kleinen, zierlichen und sehr verschieden gestalteten Khulal* gebracht, in denen man das Trinkwasser bis zu einer Frische von + 8° Reaumur, abkühlen kann. Beide Gefäßarten sind so billig, dass sie sich selbst der ärmste Fellach anzuschaffen vermag.
Aus diesen Anstalten zum Reinigen und Kühlen des Nilwassers geht schon hervor, dass es so ohne Weiteres keineswegs ›das beste Wasser der Welt‹ genannt werden kann, wie viele Reisende es getan haben. Ich selbst werde im Verlauf dieser Blätter vielleicht auch mit Entzücken von demselben sprechen und fühle mich deshalb um so mehr zu dem offenen Bekenntnis, dass die Ansichten über die Güte des Nilwassers nur relativ sind, verpflichtet. Wenn der Strom seine größte Höhe erreicht hat, führt sein Wasser so viele erdige Teile mit sich, dass es davon hellbraun gefärbt wird; bei langem, ruhigem Stehen oder inniger Vermischung mit schnell klärendem Alaun, bitteren Mandeln, Buffbohnen und dergleichen sinken diese eben die Fruchtbarkeit Ägyptens bedingenden Schlammteile zu Boden und bilden eine das Zwölftel des Inhalts eines Gefäßes betragende, dichte Schicht. Ungeklärt genossen, hat es stets Durchfall und einen Ausschlag, welchen die Araber geradezu Nilausschlag nennen, zur Folge. Es ist also nicht wohl denkbar, dass ein so beschaffenes Wasser das beste Trinkwasser sein kann.
Aber die das köstliche Nilwasser preisenden Reisenden haben ganz Recht, wenn sie sagen: Es gibt in Ägypten kein besseres Wasser als das des Nils. Ich bin fest überzeugt, dass das Wasser unserer Elbe ebenso gut ist als das des Nils; allein zwischen beiden Gewässern findet der Unterschied statt, dass wir in Deutschland silberreines Quellwasser und in Ägypten nur stinkendes, ekelerregendes Lachen- oder Zisternenwasser zur Vergleichung haben. Und dabei ist ägyptischer Durst ein anderer als deutscher, wenigstens deutscher Wasserdurst. Durst ist der beste Mundschenk; man ist in heißen Ländern froh, wenn man den oft zur Qual werdenden Durst löschen kann; geistige Getränke können das Wasser nie entbehrlich machen: ihr Genussvermehrt nur die Begierde darnach. Und deshalb ist das Nilwasser das beste Wasser der Welt.
Unsere Reise durch Oberägypten gewann mit jedem Tag an Interesse. Weite, fruchtbare, jetzt im Frühlingsgrün stehende Saatfelder, fruchtbeschwerte, in großen Wäldern vereinigte Dattelpalmen, Dörfer und Städte, öde liegende, vom Riedgras in Besitz genommene Strecken guten Ackerlandes, den beiden Wüsten des Landes angehörende Sandebenen, kahle Gebirge, mit jäh abstürzenden Felspartien oder geröllbedeckten Bergeshängen, Trümmer von altägyptischen Tempeln und Ruinen verfallener Wohnsitze wechseln hier in bunter Reihe miteinander ab. Der Vergnügungsreisende hat Zeit genug, alles Merkwürdige zu besichtigen; wir, von der Mission abhängend, konnten nur die Morgenstunden den Besuchen des festen Landes, mit denen wir zugleich die Jagd verbanden, widmen.
Der Wind war uns während der ganzen Reise konstant günstig. Schon seit mehr als einem Monat wehten die regelmäßigen Nordwinde. Jene unter dem Namen »Passatwinde« bekannten Luftströmungen herrschen auch in Ägypten. Die für die Schiffahrt auf dem Nil äußerst nützlichen Nordwinde beginnen hier gewöhnlich erst in der Mitte des Oktobers und währen bis Ende März oder Anfang April; in diesem Jahr waren sie aber schon früher eingetreten. Andere Luftströmungen halten selten über einen Tag lang an. Am Morgen erhebt sich der Wind gegen neun Uhr und weht nun unausgesetzt bis gegen Sonnenuntergang; dann tritt Windstille ein. Oft kehrt aber schon nach wenigen Stunden der Wind zurück und bläst bis zur Kühle des heraufdämmernden Morgens mit wechselnder Stärke. Zuweilen wird der Nordwind so heftig, dass die zu Tal gehenden Schiffe, trotzdem dass man sie entmastet hat und mit Rudern fortbewegt, nicht von der Stelle kommen. In den Monaten April, Mai, Juni und Juli wechseln die Winde nach allen Richtungen der Windrose miteinander ab; häufig tritt dann auch der die Bäume entblätternde Chamsin auf, welchen die Araber für sehr ungesund halten. Dann stockt die Schiffahrt. Reiner West- oder Ostwind dagegen hindert sie nicht; die Schiffe können, bei der südlich-nördlichen Richtung des Nils, mit ihren lateinischen Segeln dann bequem zu Berg und zu Tal fahren.
Am zweiten Oktober legten wir im Hafen Minnies, einem kleinen Städtchen in Oberägypten, an. Ein türkischer, sehr reich gekleideter Offizier kam zu uns an Bord und gab sich als ein schon mehrere Jahre in ägyptischen Diensten stehender Franzose zu erkennen. Wir erfuhren bald, dass er mit seiner türkischen Tracht auch türkische Gebräuche angenommen hatte; kurz nach seinem Weggang brachte uns ein Diener von ihm einen fetten Hammel und einen großen Korb voll Brot, als Beweis der »Akrahme«* seines Herrn.
Ruinen des Tempels Setis I. bei Dulgo
Um Mittag segeln wir weiter. Wir fahren an unzähligen, hoch oben in die Felsen des rechten Ufers eingehauenen Katakomben vorüber, haben aber keine Zeit, sie zu besichtigen, weil man den vortrefflichen Segelwind benutzen will.
In den Dörfern, welche wir bisher besuchten, fanden wir fast nur Greise, Frauen und Kinder: die Männer und Jünglinge braucht oder beansprucht der Vizekönig für sein Heer, seine Bauten, seine Fabriken, Schiffe etc. oder für seine Handelsunternehmungen. Die Konskriptionen des Paschas sollen am Nachteiligsten auf die Vermehrung der Bevölkerung einwirken; wenigstens ist die Furcht vor ihnen so groß, dass achtzig Prozent der arabischen Mütter ihren Säuglingen den Zeigefinger der rechten Hand zu verstümmeln pflegen, um sie zum Militärdienst untauglich zu machen. Zwar hat der strenge Befehl der Regierung, gerade die so geschändeten Jünglinge zu Soldaten zu nehmen, diese grauenhafte Sitte beeinträchtigt, aber ihr noch keineswegs Einhalt getan. Es ist nicht zu verkennen, dass sich die Einwohnerzahl Ägyptens zusehends verringert. Die Regierungsweise des Paschas hat der Quelle des Wohlstandes Ägyptens, dem Ackerbau, Tausende von arbeitsamen Händen entzogen.
Am 12. Oktober legten wir in der Nähe der Ruinen des hunderttorigen Theben, bei dem Dorf Luksor, an. Elende Fellachenhütten stehen in und auf einem Tempelportal; das Dorf selbst verbirgt dem Auge viele Denkmäler. Es ist nicht meine Absicht, die in mehr als hundert Werken bereits gegebene Beschreibung der Ruinen von Luksor und Karnak, Kurnu und Medinet Habu hier zu wiederholen; ich werfe nur flüchtige Blicke auf sie und teile das mit, was ich bei Besichtigung derselben empfand.
Alle ägyptischen Monumente sind großartig, aber steif und tot; die griechischen Tempel und anderen Denkmäler der Baukunst und Bildhauerei erwärmen und begeistern mit ihren lebensvollen Formen das Herz des Beschauers; wer dies gesehen, den lassen jene kalt. Nach meiner individuellen Ansicht gibt es nur drei wirklich erhabene Denkmäler altägyptischer Baukunst: die Pyramiden, die Königsgräber und die Felsentempel von Abu-Simbel. An allen übrigen Monumenten Ägyptens sind die zum Bau verwendeten riesigen Werkstücke, die mit unübertroffener Schärfe und Genauigkeit, aber ohne allen Begriff von Perspektive eingemeißelten Hieroglyphenreihen vom höchsten Interesse, die großartigen Anlagen der Werke sind Staunen erregend; aber nur das Kolossale, nicht die Formen sind bewundernswert.
So ist es mit den Königsgräbern. Sie liegen wie die meisten Tempel der alten Ägypter am linken Nilufer, in der Wüste.
Man zieht auf einer breiten Straße, welche noch deutlich die Spuren einer künstlich angelegten zeigt, in die Berge hinein. Immer öder und trauriger, tot und still wird der Weg, man reitet sichtbar in das Reich der Toten. In weitem Bogen umzieht die Straße die hier sich hoch erhebenden Gebirge; erst nachdem man eine starke Meile zurückgelegt hat, gelangt man zum Eingang des jetzt mit No. 1 bezeichneten Königsgrabes. Die übrigen, wohl einige und zwanzig an der Zahl, liegen in der Nähe in einem von hohen, steilen Bergeshängen gleichwie von Wänden umschlossenen Tal.
Ein tiefer Sinn liegt in der Wahl dieses Friedhofes. Hier lebt kein Wesen, hier sieht man kein Geschöpf, keinen Vogel, bis hierher verirrt sich kein Tier. In diesen Gründen