William Shakespeare

Einfach Shakespeare


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an des Meeres Klippenstrand uns an,

      Und tanzten Ringel nach des Windes Pfeifen,

      Daß dein Gezänk uns nicht die Luft verdarb.

      Drum sog der Wind, der uns vergeblich pfiff,

      Als wie zur Rache, böse Nebel auf

      Vom Grund des Meeres; die fielen auf das Land [...]

      Und diese ganze Brut von Plagen kommt

      Von unserm Streit, von unserm Zwiespalt her;

      Wir sind davon die Stifter und Erzeuger.

      (II, 1)

       So treu wie Troilus

      Mitten im trojanischen Krieg verliebt sich der junge Trojaner Troilus in Kressida. Eigentlich stünde der Liebe der beiden nichts im Wege, denn Kressida ist ebenfalls Trojanerin. Doch ihr Vater, der Seher Calchas, ist zu den Griechen übergelaufen. Er veranlasst, dass seine Tochter gegen einen trojanischen Kriegsgefangenen ausgetauscht wird, sodass sie ihm ins Lager der Griechen nachfolgen kann. Der Austausch findet unmittelbar nach der ersten und einzigen Liebesnacht zwischen Troilus und Kressida statt. Troilus ist nicht nur extrem eifersüchtig auf den Griechen Diomedes, der Kressida überführt, sondern ist auch sehr überzeugt davon, dass sie ihm untreu werden wird – so sehr, dass man sich fragt, wie viel Anteil sein Misstrauen daran hat, dass Kressida ihm später tatsächlich untreu wird. Troilus ist schon vor der ersten Liebesnacht mit Kressida sehr mit der zukünftigen Entwicklung, mit seinen Erwartungen und wie sie sich wohl in der Realität erfüllen, beschäftigt.

      TROILUS

      Mir schwindelt; rings im Kreis dreht mich Erwartung.

      Die Wonn’ in meiner Ahndung ist so süß,

      Daß sie den Sinn verzückt. Wie wird mir sein,

      Wenn nun der durst’ge Gaumen wirklich schmeckt

      Der Liebe lautern Nektar? Tod, so fürcht’ ich,

      Vernichtung, Ohnmacht, oder Lust zu sein,

      Zu tief eindringend, zu entzückend süß

      Für meinen gröb’ren Sinn Empfänglichkeit.

      Dies fürcht’ ich sehr, und fürchte außerdem,

      Daß im Genuß mir Unterscheidung schwindet,

      Wie in der Schlacht, wenn Scharen, wild sich drängend,

      Den fliehnden Feind bestürmen. [...]

      TROILUS

      Die Furcht macht Teufel aus Engeln; sie sieht nie richtig. [...] Das ist das Ungeheure in der Liebe, meine Teure, daß der Wille unendlich ist, und die Ausführung beschränkt; daß das Verlangen grenzenlos ist, und die Tat ein Sklav’ der Beschränkung.

      KRESSIDA

      Man sagt, jeder Liebehaber schwöre mehr zu vollbringen, als ihm möglich ist, und behalte dennoch Kräfte, die er nie in Anwendung bringt; er gelobe mehr als Zehn auszuführen, und bringe kaum den zehnten Teil von dem, was Einer vermöchte, zu Stande. Wer die Stimme eines Löwen, und das Tun eines Hasen hat, ist der nicht ein Ungeheuer?

      TROILUS

      Gibt es solche? Wir sind nicht von dieser Art. Lobt uns nach bestandener Prüfung und schätzt uns nach Taten: unser Haupt müsse unbedeckt bleiben, bis Ruhm es krönt. Keine Vollkommenheit, die noch erst erreicht werden soll, werde in der Gegenwart gepriesen: wir wollen das Verdienst nicht vor seiner Geburt taufen. Und ist es geboren, so soll seine Bezeichnung demütig sein. Wenig Worte, und feste Treue! Troilus wird für Kressida ein solcher sein, daß, was Bosheit ihm schlimmstes nachsagen mag, ein Spott über seine Treue sei; und was Wahrheit am wahrsten sprechen kann, nicht wahrer als Troilus. [...]

      KRESSIDA

      Sag ich zu viel, so spielt ihr den Tyrannen.

      Ich lieb’ euch nun; doch nicht bis jetzt so viel,

      Daß ich’s nicht zähmen kann – doch nein, ich lüge!

      Mein Sehnen war, wie ein verzogenes Kind,

      Der Mutter Zucht entwachsen. O wir Ärmsten!

      Was plaudr’ ich da? Wer bleibt uns wohl getreu,

      Wenn wir uns selbst so unverschwiegen sind?

      So sehr ich liebte, warb ich nicht um euch,

      Und doch fürwahr wünscht’ ich ein Mann zu sein,

      Oder, daß wir der Männer Vorrecht hätten,

      Zuerst zu sprechen. Liebster, heiß mich still sein!

      Sonst im Entzücken red’ ich ganz gewiß,

      Was mich dereinst gereut. O sieh, dein Schweigen

      So schlau verstummend, lockt aus meiner Schwachheit

      Die innersten Gedanken. Schließ den Mund mir! [...]

      Vielleicht mein Prinz, zeig ich mehr List als Liebe,

      Und sprach getrost ein frei Geständnis aus,

      Mir euer Herz zu fang’n. Doch ihr seid weise,

      Oder liebt nicht: denn weise sein und lieben

      Vermag kein Mensch; nur Götter können’s üben.

      TROILUS

      O daß ich glaubt’, es könne je ein Weib

      (Und wenn sie’s kann, glaub’ ich’s zuerst von euch)

      Für ewig nähren Liebesflamm und Glut,

      In Kraft und Tugend ihre Treu bewahren,

      Die Schönheit überdauernd durch ein Herz,

      Das frisch erblüht, ob auch das Blut uns altert! [...]

      KRESSIDA

      Den Wettkampf nehm ich an.

      TROILUS

      O hold’ Gefecht,

      Wenn Recht um Sieg und Vorrang ficht mit Recht!

      Treuliebende in Zukunft werden schwören,

      Und ihre Treu mit Troilus versiegeln:

      Und wenn dem Vers voll Schwür und schwülstigen Bildern

      Ein Gleichnis fehlt, der oft gebrauchten müde,

      Als – treu wie Stahl, wie Sonnenschein dem Tag,

      Pflanzen dem Mond, das Täubchen seinem Täuber,

      Dem Zentrum Erde, Eisen dem Magnet,

      Dann, dann nach so viel Vergleichungen der Treu,

      Wird als der Treue höchstes Musterbild

      »So treu wie Troilus« den Vers noch krönen.

      Und weihn das Lied.

      KRESSIDA

      Prophetisch sei dein Wort!

      Werd ich dir falsch, untreu nur um ein Haar,

      Wenn Zeit gealtert und sich selbst vergaß,

      Wenn Regen Trojas Mauern aufgelöst,

      Blindes Vergessen Städte eingeschlungen,

      Und mächt’ge Reiche spurlos sind zermalmt

      Ins staub’ge Nichts: auch dann noch mög’ Erinnerung,

      Spricht man von falschen ungetreuen Mädchen,

      Schmäh’n meine Falschheit: sagen sie, so falsch

      Wie Luft, wie Wasser, Wind und lock’rer Sand,

      Wie Fuchs dem Lamm, wie Wolf dem